Kölner Domdechant hält die Dreikönigswallfahrt für zeitgemäß

"Die Menschen zu Christus führen"

Ein neues Reliquiar für den Kölner Dom und die Wallfahrt dazu verlängert. Der 700. Jahrestag der Gotischen Chorweihe prägt die diesjährige Dreikönigswallfahrt. Doch ist Wallfahren in kirchlichen Krisenzeiten noch angemessen?

Domdechant Robert Kleine weiht das neue Reliquiar / © Beatrice Tomasetti (DR)
Domdechant Robert Kleine weiht das neue Reliquiar / © Beatrice Tomasetti ( DR )

DOMRADIO.DE: Am Sonntag wurde das neue Reliquiar vorgestellt. Wie ist es denn aufgenommen worden?

Domdechant Robert Kleine / © Beatrice Tomasetti (DR)
Domdechant Robert Kleine / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Msgr. Robert Kleine (Kölner Domdechant): Schon sehr gut. Und genau so, wie wir uns das vorgestellt haben. Denn wenn Menschen auf Pilgerschaft gehen, haben sie ein Ziel. Die Erfahrung zeigt, dass man am Ziel mit allen Sinnen erfahren will, dass man angekommen ist. Deshalb "packt" man irgendetwas an.

In Santiago de Compostela ist das die Figur des Jakobus. Wenn man in Rom im Petersdom ist, sieht man den Fuß der Petrusfigur, der durch die Jahrhunderte abgescheuert ist. Nur in Köln konnte man das nicht machen, weil der Schrein hinter Glas geschützt ist. Man kommt auch nicht immer in den Binnenchor, wo der Schrein steht.

Deshalb haben wir auch auf Bitten vieler Pilgerinnen und Pilger, die näher herankommen wollten, jetzt ein Reliquiar im Chorumgang geschaffen, wo man jederzeit hinkommen kann. Man kann es mit dem Blick auf den Schrein der Heiligen Drei Könige anrühren und sagen: "Jetzt bin ich im Kölner Dom am Schrein der Heiligen Drei Könige." Das ist am Sonntag schon sehr gut angenommen worden.

DOMRADIO.DE: Sind da wirklich Reliquien drin, die man schon vorher aus dem Schrein herausgenommen hatte?

Dreikönigswallfahrt im Zeichen des Domjubiläums

Die Dreikönigswallfahrt 2022 dauert bis zum 27. September und steht im Zeichen des 700-Jahr-Jubiläums der Chorhalle - also des östlichen Teils der Kathedrale, der auch den prunkvollen Dreikönigenschrein beherbergt. Auf dem Programm stehen nach Angaben des Domkapitels vom Donnerstag zahlreiche Gottesdienste, darunter solche für Kita-Kinder oder Menschen mit Demenz. Zudem gibt es ein Kulturprogramm mit einer Orgelnacht.

Eröffnung der Dreikönigswallfahrt / © Beatrice Tomasetti (DR)
Eröffnung der Dreikönigswallfahrt / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Kleine: Ja, die Reliquien sind ja im Jahr 1164 nach Köln gekommen und in den Schrein, der dann für sie geschaffen wurde, gelegt worden. Aber am Anfang des vergangenen Jahrhunderts sind einige Reliquien, Überreste und Knochen herausgenommen worden und in ein kleines Kästchen gelegt worden, das in der Domschatzkammer aufbewahrt wird.

Daraus sind schon im Jahr 2020 einige Teile, einige Reliquien herausgenommen worden. Sie sind jetzt in einer Art Dose, auf der der bekannte Schriftzug C+M+B 2022 eingraviert ist, also Caspar, Melchior, Balthasar oder auch Christus segne dieses Haus. Da sind die Reliquien drin. Man sieht sie also nicht.

Das Reliquiar besteht aus 20 gleichschenkligen Dreiecken. Wenn das Licht richtig in den Dom hinein scheint, wie es gestern getan hat, sieht das Ganze wie ein Stern aus. Und da drin sind die Reliquien. Wichtig ist, hier habe ich etwas, was ich anfassen und sagen kann: "So, jetzt bin ich auch ganz haptisch bei den drei Königen."

DOMRADIO.DE: Das Ganze hat man natürlich ganz bewusst auf den gestrigen Tag gelegt mit dem Beginn der Dreikönigswallfahrt, die in diesem Jahr eine ganz besondere ist. Stichwort 700 Jahre Domchorweihe.

Kleine: Als die Reliquien damals hier waren und es den Schrein gab, kamen viele Pilgerinnen und Pilger. Das war mit ein Grund, dass man den Alten Dom, den Romanischen Dom, abgerissen hat und einen neuen im Jahr 1248 begonnen hat zu bauen.

Am 27. September 1322, also in einigen Tagen vor 700 Jahren, war der erste Teil des Doms fertig. Das, was der heutige Chorraum ist, also da, wo der Schrein steht, das feiern wir in diesem Jahr.

Ein Gebäude aus Steinen ist wunderbar, vor allem unser Dom. Aber das Wichtige ist ja, dass wir lebendige Steine sind. Deshalb feiern wir das mit Gottesdiensten, Konzerten und vielem mehr.

DOMRADIO.DE: Weil der 27. September der Jubiläumstag ist, wurde die Wallfahrt auf zehn Tage etwas verlängert. Stehen die Tage deswegen unter besonderen Motti?

Kleine: Das Gesamtmotto ist ja, dass in der Geschichte der Heiligen Drei Könige der Stern das Element ist, das die Weisen führt. Am Ende gibt es große Freude, als sie das Kind finden. Diese Freude wünschen wir natürlich auch den Pilgerinnen und Pilgern, die kommen.

Morgen kommen zum Beispiel die Kindertagesstätten, vor allem also die ganz Kleinen, die mit großen Ohren die Geschichte der Heiligen Drei Könige hören. Es kommen auch Schülerinnen und Schüler aus Grundschulen, es kommen Menschen mit Demenz, es kommen also die unterschiedlichsten Gruppen.

Es kommen am Samstag zum Beispiel die muttersprachlichen katholischen Gemeinden, es kommen Jugendliche mit einer Jugend-Vigil und am Samstag kommen auch die Städtepartnerschaften, sogar mit Vertretern aus den Partnerstädten von Indianapolis in den USA bis zu Kattowitz in Polen.  Also, so wie die Heiligen Drei Könige sich damals aufmachten, machen sich viele auf und kommen in diesen Tagen zum Dom.

Kölner Domwallfahrt / © Pia Modanese  (Erzbistum Köln)

DOMRADIO.DE: Es ist noch mal ein besonderes Highlight, am kommenden Wochenende zum Dom zu kommen, weil direkt neben dem Dom ein besonderes Pilger -und Begegnungsfest geplant ist.

Kleine: Man kennt das von anderen Wallfahrten. Da gibt es dann Biertische und man kann anschließend eine Agape-Feier oder ein Pilgermahl ganz in der Nähe zu sich nehmen. Das haben wir immer bedauert, dass das in Köln nur schwer möglich ist. Denn auf dem Roncalliplatz direkt am Dom ist das alles gar nicht so einfach, weil das ja städtisches Gelände ist. Und da ist es immer sehr zugig.

Wir haben gesagt, dass wir dies in diesem Jahr aber trotzdem machen. Da stehen also Tische und man kann sich verpflegen. Es gibt also die Möglichkeit, etwas zu trinken und zu essen, damit man nach dem Gottesdienst, wenn man aus dem Dom kommt, auch noch in der Gruppe zusammenbleibt oder vielleicht auch andere kennenlernt, die sich gemeinsam auf den Weg nach Köln gemacht haben.

Also, von Freitag bis Sonntag bis in den Abend hinein kann man sich am Roncalliplatz hinsetzen, schaut auf diesen wunderbaren Hochchor des Domes und sagt sich: "Gut, dass wir hier in Köln sind."

DOMRADIO.DE: Wie wird die Dreikönigswallfahrt eigentlich angenommen? Besonders in Zeiten, wo es doch einige Krisenherde in der katholischen Kirche gibt.

Domwallfahrt (KNA)
Domwallfahrt / ( KNA )

Kleine: Sie ist ja eine modernere Wallfahrt. Natürlich gab es sie schon im Mittelalter. Aber da war Köln einer der großen Wallfahrtsorte neben den heiligen Stätten im Heiligen Land sowie Rom und Santiago de Compostela. Das ist dann später ganz zurückgegangen. Wir versuchen die Wallfahrt wiederzubeleben und dabei auch den Pilgerweg durch den Dom zu gehen.

Die Heiligen Drei Könige sind ja eine wunderbare Geschichte, eine Geschichte des Aufbruchs, des Losgehens. Damit sind uns die Heiligen Drei Könige sehr nahe, denn wir suchen in unserem Leben ja auch Christus. Deshalb glaube ich, ist die Wallfahrt eigentlich sehr aktuell, weil wir doch alle auf der Suche sind, auch die Kirche selbst und die Bischöfe. Die Frage ist ja: Wie können wir den Glauben weitertragen?

Ich glaube, dass bei aller Kritik und der Frage von Glaubwürdigkeit in der Kirche gerade der Blick auf die Heiligen Drei Könige uns noch mal zum Eigentlichen führen kann. Denn, das finde ich immer das Spannende, auf dem Dreikönigenschrein ist gar nicht das Leben der drei Könige beschrieben. Die haben nur eine ganz kleine Ecke am Schrein. Der größte Bereich des Schreins besteht aus Bildern aus der Lebensgeschichte Jesu: seine Taufe, seine Kreuzigung und die Auferstehung. Um den geht es, um den muss es auch in der Kirche gehen.

Bei allen Strukturdebatten und bei aller notwendigen Aufklärung und bei allen Ämtern, die es in der Kirche gibt, muss alles doch das Ziel haben, die Menschen zu Christus zu führen. Deshalb ist es für alle vom Gläubigen bis zum Oberhirten ganz gut, zum Schrein zu kommen, die Weisen zu sehen und selber weise Entscheidungen zu fällen, nämlich sich ganz auf Christus zu verlassen und ihm zu folgen.

Das Interview führte Bernd Hamer.

Quelle:
DR