Dom- und Stadtdechant Kleine eröffnet Dreikönigswallfahrt

"Immer wieder neu im Leben aufbrechen"

Mit einem Festgottesdienst, in dem ein neues Reliquiar mit Überresten der Heiligen Drei Könige gesegnet wurde, hat am Sonntag die Dreikönigswallfahrt begonnen. Hunderte Pilger berührten nach der Messe den als Ikosaeder geformten Stern.

Das neue Reliquiar / © Beatrice Tomasetti (DR)
Das neue Reliquiar / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Zur Bildergalerie

"So etwas gibt es bei uns nicht. Die Kölner dürfen sich glücklich schätzen, ein solches Juwel zu besitzen." Der Geistliche aus Texas, der mit einer Pilgergruppe auf Europareise ist, zeigt sich begeistert, dass er ausgerechnet bei seinem Stopp in Köln Zeuge eines eher seltenen Erlebnisses wird. Zumal für Amerikaner. "Wegen der kostbaren Reliquien sind wir hierher gekommen. Aber dass wir nun auch noch miterleben, dass ein zusätzliches Reliquiar gesegnet wird und wir dieses berühren dürfen, macht mich ausgesprochen glücklich." Immer wieder macht er seine Leute auf die kostbaren Details des prächtigen Dreikönigenschreins aufmerksam und deutet nach oben, als er im Chorumgang an der gläsernen Vitrine Halt macht.

Domdechant Robert Kleine und das neue Reliquiar / © Beatrice Tomasetti (DR)
Domdechant Robert Kleine und das neue Reliquiar / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Der Priester aus Übersee ist bestens informiert: über das 700-Jahr-Jubiläum des Hochchores, das in diesen Wochen mit einem komplexen Programm gefeiert wird, und über die Geschichte des mittelalterlichen Schreins. Ihn fasziniert aber genauso das kleine, ebenfalls golden glänzende Behältnis, das von nun an jeder anfassen kann, der den Weg durch den Chorumgang nimmt oder aber – zur Wallfahrtszeit – unter dem Schrein durchgeht und auf der Innenseite zum Hochchoraltar hin an besagtem Gitter vorbeikommt. "Zuhause werden wir erzählen, dass wir am Grab dieser Drei Weisen aus dem Morgenland gestanden haben und dass wir sie berühren konnten. Eigentlich etwas Unglaubliches", schwärmt der Gast aus Houston.

Neues Reliquiar besteht aus 20 gleichseitigen Dreiecken

Wie er strömen nach dem festlichen Kapitelsamt, mit dem der Kölner Dom- und Stadtdechant Robert Kleine die diesjährige Dreikönigswallfahrt im Kölner Dom eröffnet hat, mehrere hundert Pilgerinnen und Pilger an dem als Ikosaeder geformten goldenen Messingstern vorbei. Viele zücken ihr Handy, wollen diesen einmaligen Moment festhalten, ihn später mit anderen teilen. Manchen gelingt sogar das Kunststück, die eigene Hand während der Berührung mit aufs Bild zu bannen. Andere schließen kurz die Augen, halten einen Moment lang inne, verharren in sich gekehrt. Ihnen sieht man an, dass sie dabei die Lippen bewegen, ein kurzes Gebet sprechen oder doch wenigstens das Heilige dieser Momentaufnahme in sich aufsaugen wollen. Und wieder andere streicheln fast zärtlich dieses Reliquiar, während sie dabei ihren Blick andächtig auf das viel größere, den Schrein, richten.

Ikosaeder – darunter versteht man einen der fünf platonischen Körper, die nach dem Philosophen Platon benannt sind und sich dadurch auszeichnen, dass ihre Seitenflächen zueinander kongruente regelmäßige Vielecke sind, von denen in jeder Ecke jeweils gleich viele zusammentreffen. Im Falle des neuen Reliquiars sind es 20 gleichseitige Dreiecke, die somit die Trias der Heiligen Drei Könige aufgreift und gleichzeitig auf ihre drei Gaben Bezug nimmt. Je nach Blickwinkel erkennt man einen Stern, der sich aus fünf gleichseitigen Dreiecken und einem Fünfeck ergibt. Einzige Zierde: drei applizierte Kronen, die am Ikosaeder auf der Chorumgangsseite und auf der Binnenchorseite auf je einem Dreieck zu sehen sind und im Stil den Kronen des Kölner Wappens entsprechen. Mit seiner feuervergoldeten Oberfläche spielt das neue Reliquiar auf den Dreikönigenschrein an, ohne ihm Konkurrenz zu machen. Im Inneren des Reliquiars ruhen drei aus diesem Schrein entnommene Reliquienpartikel in einer kleinen silbernen Dose, die die Initialen 20*C + M+ B + 22 trägt.

Unbekannte Pilgerin

"Einen solchen Ort, wo es konkret etwas zu berühren gibt, hat bislang einfach gefehlt. Wir Ungläubigen glauben doch erst, wenn wir etwas – im wahrsten Sinne des Wortes – zum Begreifen haben"

"So schlicht und gleichzeitig doch auch so ausgetüftelt durchdacht und das Ganze am perfekten Platz", bemerkt eine ältere Dame, die immer wieder die Position ändert, um dem Sternenreliquiar neue Facetten abzugewinnen. "Eigentlich habe ich mir so etwas immer schon gewünscht, weil man das aus Italien kennt, wo man in Padua beim Heiligen Antonius oder in Rom, wo dieser bronzene Petrusfuß schon ganz glatt gerieben ist, etwas zum Anfassen hat. Nun habe ich das hier vor der Haustür." Lachend fügt sie noch hinzu. "Ich glaube, demnächst komme ich öfter in den Dom. Einen solchen Ort, wo es konkret etwas zu berühren gibt, hat bislang einfach gefehlt. Wir Ungläubigen glauben doch erst, wenn wir etwas – im wahrsten Sinne des Wortes – zum Begreifen haben. Und so etwas bringt mir auch die Heiligen Drei Könige noch einmal ganz anders nah."

Die Jury, die sich für Juliane Schölß entschieden hat: Dr. Katharina Winnekes, Dombaumeister Peter Füssenich, Dr. Leonie Becks, Leiterin der Domschatzkammer, und Monsignore Dr. Markus Hofmann. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Die Jury, die sich für Juliane Schölß entschieden hat: Dr. Katharina Winnekes, Dombaumeister Peter Füssenich, Dr. Leonie Becks, Leiterin der Domschatzkammer, und Monsignore Dr. Markus Hofmann. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Heilige Drei Könige sind auch heute noch Vorbild

Dass der Dom genau das will und sich vor allem auch als Wallfahrtskirche mit einem kostbaren Reliquienschatz versteht, zu dem die Menschen jahrhundertelang gepilgert sind, hatte zuvor auch Dom- und Stadtdechant Monsignore Kleine in seiner Predigt nochmals eigens herausgestellt. Die Sterndeuter von einst hätten sich als Suchende auf eine abenteuerliche Reise begeben, zumal sie zunächst in eine Sackgasse – in den Palast des Herodes – gelaufen seien, dann aber ihr Ziel, den neugeborenen König, in einem Stall in Bethlehem gefunden hätten. "Wenn wir hier im Kölner Dom die Reliquien der Heiligen drei Könige verehren und an diese Aufbrechenden und Suchenden denken, die uns im Neuen Testament begegnen, dann soll uns das nicht wie eine Geschichte aus 1001 Nacht erscheinen, die man von Kindheit an kennt, die irgendwie zu Weihnachten gehört und einen emotional anspricht. Nein, die Weisen aus dem Morgenland sind nicht Akteure einer Geschichte vor 2000 Jahren, sie sind Akteure einer Geschichte, die vor 2000 Jahren begann und in der wir heute selber Akteure sind, eine Rolle spielen, spielen dürfen", sagte Kleine wörtlich. Auch heute würden sie uns noch zurufen, immer wieder neu im Leben aufzubrechen, sich auf den Weg zu Gott zu machen – in Gedanken und im Herzen – und seien von daher Vorbild.

Msgr. Robert Kleine, Dom- und Stadtdechant

"Ich gehe fest davon aus, dass der eine auf den anderen geachtet hat. Ein wunderbares Bild für uns in der heutigen Gesellschaft: nicht als Einzelkämpferinnen und Einzelkämpfer unterwegs zu sein, sondern in Solidarität gemeinsam"

Ganz sicher habe sich der eine auf den andern auch mal gestützt: in gegenseitiger Zuneigung und Solidarität, so der Domseelsorger. "Ich gehe fest davon aus, dass der eine auf den anderen geachtet hat. Ein wunderbares Bild für uns in der heutigen Gesellschaft: nicht als Einzelkämpferinnen und Einzelkämpfer unterwegs zu sein, sondern in Solidarität gemeinsam – gerade in diesen Zeiten der Pandemie, der Auswirkungen des Ukraine-Krieges auch bei uns, in der Wirtschafts- und Klimakrise, in der Glaubwürdigkeitskrise der Kirche." Christinnen und Christen wüssten, dass sie ihren Weg nicht alleine gingen. "Aber wir verzagen nicht", sprach Kleine den vielen Pilgerinnen und Pilgern im Dom abschließend Mut zu, "der Stern ist da und leuchtet."

Beatrice Tomasetti (DR)

Umfassendes Programm zum Domjubiläum

Der Kölner Dom feiert vom 15. August bis zum 27. September 2022 den 700. Jahrestag der Weihe des gotischen Hochchores mit zahlreichen Veranstaltungen, Konzerten und Gottesdiensten.

Die traditionelle Dreikönigswallfahrt wird auf zehn Tage verlängert und findet vom 18. bis 27. September statt. Sie beschließt damit das Jubiläum. Informationen und kostenlose Zugangstickets gibt es unter www.koelner-dom.de

Blick in den Hochchor des Kölner Domes / © Boecker
Blick in den Hochchor des Kölner Domes / © Boecker
Quelle:
Mehr zum Thema