In goldenen Farben und in gleißendem Licht soll die Stadt erstrahlen: So beschreibt das letzte Buch der christlichen Bibel - die Offenbarung des Johannes - das himmlische Jerusalem. Ein irdisches Abbild dieses himmlischen Jerusalems inmitten des Rheinlands soll der Kölner Dom, eine der größten gotischen Kathedralen der Welt, sein. In diesem Jahr feiert er ein besonderes Jubiläum.
Denn vor 700 Jahren wurde der Chor geweiht - die Keimzelle des Bauwerks. Es handelt sich um den östlichen Teil der Kathedrale, der auch den prunkvollen Dreikönigenschrein beherbergt.
Betritt man den Dom durch das Hauptportal, erstrahlt auf der anderen Seite der Schrein in etwa 130 Meter Entfernung. Das im ausgehenden 12. und angehenden 13. Jahrhundert gefertigte Kunstwerk bewahrt die Gebeine der Heiligen Drei Könige, die 1164 von Mailand nach Köln gelangten. Der Schrein, der selbst eine kleine Basilika darstellt, begründete den Neubau jener Kathedrale, die jedes Jahr sechs Millionen Besucher anzieht.
Pilgerziel im Mittelalter
Schon im Mittelalter wurde Köln dank seiner Dreikönigs-Reliquien zu einer bedeutenden Pilgerstätte. Der Alte Dom, Vorläufer der heutigen Kathedrale, schien weder dem Pilgeransturm noch der Bedeutung des Erzbischofssitzes gerecht zu werden. Das Domkapitel votierte daher für eine Erweiterung. Doch bei den Bauarbeiten unvorsichtig gelegte Feuer brannten gleich den ganzen Dom nieder. An Mariä Himmelfahrt 1248 wurde der Grundstein für den gotischen Neubau gelegt.
Keine 75 Jahre später feierte Erzbischof Heinrich II. von Virneburg an dem neuen Hochaltar, auf dem auch der Reliquienschrein thront, das erste Mal Gottesdienst. Es sollte dann noch ganze 600 Jahre vergehen, bis die Kathedrale mit ihren beiden mächtigen Türmen vollendet wurde. Zunächst und für lange Zeit bestand der Kölner Dom aber nur aus dem Chor, der sich heute im Verhältnis zum gesamten Bauwerk nur als einer von mehreren Teilen ausnimmt.
Das Herzstück
Dennoch ist dieser erste Bauabschnitt von herausragender Bedeutung; Dompropst Guido Assmann spricht vom "Herzstück des Domes". Die Altarplatte, auf dem der Reliquienschrein ruht, wiegt satte sechs Tonnen und ist damit der größte Stein der Kathedrale. Auf der Vorderseite stellt weißer Marmor die Krönung Mariens dar, umgeben von den zwölf Aposteln.
Die Apostel haben im Chor einen weiteren prominenten Platz: als Chorpfeilerfiguren. An 14 hohen Säulen reihen sich Thomas, Philippus, Simon, Matthias und ihre Gefährten aneinander. Die beiden östlichsten Figuren, wo die Seiten aufeinander zulaufen, zeigen Christus und Maria.
Historisches Chorgestühl
Mehr ins Auge fällt indes das mittelalterliche Chorgestühl im Binnenchor. Das Werk aus Eichenholz bietet Platz für 104 Personen. Kleine Figuren und Blattwerk schmücken die Sitze. Kunstvoll gearbeitet sind auch die Chorschranken, die die Rückwand des Chorgestühls markieren. Der Wandmalereizyklus des frühen 14. Jahrhunderts zeigt verschiedene Szenen, etwa die Anbetung der Heiligen Drei Könige und den Weg ihrer Reliquien nach Köln. Die Marienschranke veranschaulicht sieben Szenen aus dem Leben der Gottesmutter. Auch der Patron der Domkirche, der Apostel Petrus, steht mit seiner Lebensgeschichte im Zentrum einer Schranke.
Umgeben ist der Binnenchor von einem Umgang, den wiederum sieben Chorkapellen säumen. In einer der Kapellen hängt Riß F an der Wand - eine Architekturzeichnung des Doms aus dem ausgehenden 13. Jahrhundert. Die rund 4 Meter große Zeichnung, die aus 20 aneinandergeklebten Pergamenten besteht, verbleibt zumeist hinter einem dicken Vorhang - zum Schutz vor dem Sonnenlicht. In der Johanneskapelle ist der letzte erhaltene Überrest der originalen Ausmalung der Kathedrale der Zeit um 1330/40 zu sehen: Das Bild zeigt die Kreuzigung Jesu.
Großes Festprogramm
Wie die Ausmalung des Chores zu Zeiten der Altarweihe ausgesehen hat, das lässt sich während des Jubiläums besonders gut nachvollziehen. Es wird gefeiert mit einem mehrwöchigen Festprogramm, das am 15. August, dem Jahrestag der Grundsteinlegung, beginnt und am 27. September endet. Neben Konzerten, Vorträgen und einer Ausstellung gibt es dann auch eine technische Führung per Tablet, die den Chorraum in seiner mittelalterlichen Ausgestaltung präsentiert. Digital erscheint dann auch eine hohe Mauer genau dort, wo heute der große Vierungsaltar beginnt. Sie trennte einst den Chorraum vom vorderen Teil der Kathedrale ab, wo noch geschäftiger Baubetrieb herrschte.
Erst 1880 wurde die Kathedrale vollendet. Bis heute säumen aber immer wieder Gerüste den Dom - zum Glück: Denn sollte der Dom einmal wirklich fertiggestellt sein, so besagt es der Kölner Volksmund, geht die Welt unter. Längst nicht die einzige Legende, die sich um den Dom rankt. In einer Sturmnacht 1434 soll sich ein Stein aus dem Gewölbe gelöst haben und fast den Dreikönigenschrein getroffen haben. Da sei der Teufel am Werk gewesen, besagt die Legende. Gott selbst jedoch habe dafür gesorgt, dass der Stein den Schrein verfehlte. Wem auch immer man glauben schenken mag: Der Schrein erstrahlt bis heute auf dem ihm angestammten Platz im Chor.