Während in der katholischen Messe die fünf Teile feststehen und textlich nicht verändert werden dürfen, orientierten sich die evangelischen Komponisten der Kantaten lediglich an den Anlass und die Lesungen der jeweiligen Sonntage für die sie die Kantaten schrieben - bei der Auswahl der Texte waren sie daher recht frei, Bach griff oft auf gedichtete Texte, Psalmenworte oder Bibelzitate zurück.
Wöchentliche Kantatenaufführungen üblich
Die Kantaten wurden im Verlauf des 18. Jahrhunderts meist nicht am Stück im Gottesdienst aufgeführt, sondern ein Teil vor der Predigt, der Rest folgte dann. Gewöhnlich bestand die Besetzung aus einem Chor und Orchester, üblich waren auch Solo-Sänger, je nach finanzieler Möglichkeit von Fürst oder Stadt als Dienstgeber.
Bach schuf als Thomaskantor in Leipzig mehrere Kantatenjahrgänge, so dass es Zeiten gab, in denen er wöchentlich eine komplette Kantate für den Sonntag schrieb - eine unglaubliche Energieleistung, da das je neue Werk auch noch mit Sängern und Instrumentalisten vor dem Gottesdienst geprobt werden musste.
Lateinische Psalmenvertonungen als katholisches Gegenstück
Neben Bach schrieben natürlich auch andere Komponisten des 18. Jahrhunderts Kantaten für den evangelischen Gottesdienst – so zum Beispiel Georg Philipp Telemann oder etwas früher Dieterich Buxtehude.
Auf katholischer Seite wurden in dieser Zeit vor allem die Texte der Psalmen für die Vespergottesdienste und die fünf Teile des Messordinariums vertont.
Während einzelne katholische Gemeinden in heutiger Zeit Bach-Kantaten vereinzelt im Gottesdienst aufführen, kam dies zu Bach Zeiten aufgrund der strengen liturgischen Regeln und Latein als Sprache der Eucharstiefeier nicht in Frage. Stilitisch schauten sich die Komponisten damals einander dennoch viel ab und beeinflussten sich musikalisch über alle Konfessionsgrenzen gegenseitig.
Im DOMRADIO.DE-Radioprogramm erklingen am Sonntagabend ab 20 Uhr exemplarisch Kantaten und Psalmenvertonungen des 18. Jahrhunderts von Telemann, Buxtehude, Tunder und Scarlatti.