Eindrücke von der Frankfurter Buchmesse

Die Kirche verschwindet, die Frage nach Gott bleibt

Die Welt hat zurzeit andere Probleme, als sich um den Zölibat zu kümmern oder ob Frauen in der Messe predigen dürfen. Die Probleme der katholischen Kirche sind ganz weit weg, und doch hat Gott für die Menschen etwas "Unerledigtes".

Autor/in:
Johannes Schröer
Kirchliche Präsenz auf der Frankfurter Buchmesse / © Johannes Schröer (DR)
Kirchliche Präsenz auf der Frankfurter Buchmesse / © Johannes Schröer ( DR )

Die Frankfurter Buchmesse ist politisch wie selten zuvor. Der ukrainische Stand ist umlagert, als Andrej Kurkow sagt, er spreche gerade lieber über die Ukraine als über sein Buch. Für Diskussionen zur Lage im Iran wurde kurzfristig ein prominent besetztes Podium eingerichtet. Hätte die Kirche zu den brennenden Problemen der Welt auch etwas zu sagen?

Iran-Demonstration auf der Frankfurter Buchmesse / © Johannes Schröer (DR)
Iran-Demonstration auf der Frankfurter Buchmesse / © Johannes Schröer ( DR )

Man weiß es nicht, denn die Kirche wird nicht mehr gefragt, sie ist mit sich selbst beschäftigt, sie arbeitet sich an Problemen ab, die für die Menschen heute keine Bedeutung mehr haben. Sex außerhalb der Ehe soll verboten sein? Wie bitte? Geht´s noch? Frauen werden von leitenden Kirchenämtern kategorisch ausgeschlossen? Hm? Leben wir noch in dunklen Vergangenheiten? Auf der Buchmesse wird der Relevanzverlust der katholischen Kirche erlebbar.

Friedenspreis des Deutschen Buchhandels

Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels würdigt seit 1950 Persönlichkeiten, die mit ihrer literarischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Arbeit als Friedensstifter wirken. Er ist eine der bedeutendsten Auszeichnungen in Deutschland und ist derzeit mit 25.000 Euro dotiert.

Die Verleihung findet traditionsgemäß im Rahmen der Frankfurter Buchmesse statt, und zwar in der Paulskirche, wo 1848 die erste deutsche Nationalversammlung tagte.

Friedenspreis des Deutschen Buchhandels wird auch dieses Jahr verliehen / © Chinnapong (shutterstock)
Friedenspreis des Deutschen Buchhandels wird auch dieses Jahr verliehen / © Chinnapong ( shutterstock )

Buchmesse vor Corona insgesamt größer

In einer Ecke in Halle 3.1. gibt es den Stand des katholischen Medienverbandes. "Frauen stören", stellt Schwester Katharina Ganz in ihrem Buch fest – daneben der Titel "Katholisch und Queer". Ach ja, die Kirche muss erst einmal die Probleme von Gestern lösen. "Geht´s noch Gott?", die Frage auf dem Titel des neuen Buches von Bruder Paulus scheint da irgendwie zu passen.

Was auffällt: Der Stand des Medienverbandes ist sehr geschrumpft und auch der Medienbischof kommt nicht mehr vorbei, sondern schickt seinen Stellvertreter.

Vor Corona war die Buchmesse insgesamt größer, viel mehr Aussteller waren da, das stimmt. Aber warum der Herder Verlag seinen sonst prominenten Auftritt gleich ganz abgesagt hat, bleibt rätselhaft. "Die Buchmesse habe in dieser Form keine Zukunft", sagt der ehemalige Chef des Verlages Manuel Herder.

Aber dann gleich ganz verschwinden? Schließlich war der großräumige Herderstand stets ein lebendiger Ort der kreativen Begegnung. Politiker trafen sich hier mit Theologen und Autoren – es wurde viel diskutiert. Hier hätte man sicher gern die Zukunft der Bücher, der Buchmesse und natürlich auch der Kirche und der Religion ausgelotet. Wo findet der Austausch der an Religion Interessierten jetzt statt?

Sehnsucht nach Frieden, Sicherheit und warmen Zimmern

Austausch mit der katholischen Kirche? Große Teile der Gesellschaft scheinen mit der Kirche abgeschlossen zu haben. Wenn ich mich als DOMRADIO.DE Redakteur in Frankfurt vorstelle, dann wird sofort über das Erzbistum Köln herumgewitzelt. Ein mildes Lächeln, mehr bleibt da nicht. Aber ist mit dem Bedeutungsverlust der Kirchen zugleich Gott baden gegangen?

Lesung in der Suhrkamp Villa mit Sherhij Zhadan während der Frankfurter Buchmesse / © Johannes Schröer (DR)
Lesung in der Suhrkamp Villa mit Sherhij Zhadan während der Frankfurter Buchmesse / © Johannes Schröer ( DR )

"Für mich hat Gott etwas Unerledigtes, und das bleibt auch so", sagt der Suhrkamp Autor Heinz Helle im DOMRADIO.DE Interview. Mit Gott werde man ja nie fertig, denn der sei nicht aus der Welt zu schaffen. Dass die Frage nach Gott bleibt, wird auch in diesem dunklen Herbst in vielen Romanen deutlich.

Der Buchpreisgewinner Kim de l´Horizon begibt sich in seinem Roman auf "Jakobswege". Michael Kumpfmüller schickt seinen Romanhelden Jeschua ins Berlin unserer Tage. Hanns-Josef Ortheil erzählt, dass er ein Buch über das Neue Testament schreiben will und Felicitas Hoppe hat ein kleines Büchlein mit "Gedankenspielen über Sehnsucht" geschrieben. Klar, darin kommt auch Gott vor – in Zeiten, in denen wir uns gerade nach Frieden, nach Sicherheit und warmen Zimmern sehnen.

Quelle:
DR