Halb verfallen, vernachlässigt, unübersichtlich: So lauteten Kritiken zum Armenischen Museum in der Jerusalemer Altstadt, bevor es 1995 geschlossen wurde. Am 23. Oktober öffnet es wieder - renoviert, barrierefrei und mit zwei Ausstellungen zur Geschichte der Armenier im Heiligen Land und zum Genozid und seinen Folgen.
Verschlossen präsentiert sich Jerusalems armenisches Viertel dem Besucher. Rund 2.500 Menschen leben im mit 0,126 Quadratkilometern Fläche kleinsten der vier Altstadtviertel. Mit Kathedrale, Bibliothek, Schulen und einem theologischen Seminar liegt vieles vom armenischen Jerusalem bislang unzugänglich hinter den dicken Mauern des Klosterkomplexes. Mit der Wiedereröffnung des "Edward und Helen Mardigian"-Museums soll sich das ändern.
Rundgang durch 1.600 Jahre armenische Geschichte
"Es lohnt sich, die Geschichte der Armenier im Heiligen Land zu erzählen", sagt der franko-libanesische Architekt Haroutioun Bezdjian. Der armenische Christ ist mit der technisch-visuellen Umsetzung des Museums betraut. Von der Ursprungsidee der Kirchenführung sei nicht viel geblieben, nachdem er sich zusammen mit den armenischen Historikern Claude Mutafian und Raymond Kevorkian des Projekts angenommen habe. Die nämlich wollte die aus dem Vorgängermuseum bewahrten Stücke wieder ausstellen.
Unter den 400 Objekten "war alles und nix", bedauert der Architekt, neben einigen raren Stücke aus Kreuzfahrerzeit vor allem Geschenke armenischer Pilger aus osmanischer Zeit: Keramiken, Kupfergeschirr, Kultobjekte wie Kreuze oder liturgische Gewänder. Ein Teil hat seinen Weg in die Ausstellung gefunden, die das Trio erdachte: ein chronologisch angelegter Rundgang durch 1.600 Jahre armenische Geschichte im Heiligen Land auf 700 Quadratmetern.
Das Gebäude war Mitte des 19. Jahrhunderts als Theologisches Seminar erbaut worden, bevor es Ende der 60er Jahre unter dem Mäzenat der armenisch-amerikanischen Philanthropen Helen und Edward Mardigian zum Museum wurde. Nachfahren des Paares übernahmen die Kosten für die Neuauflage des Museums, das weiterhin ihren Namen trägt.
Ein Anfang des 20. Jahrhunderts am Damaskustor entdecktes Mosaik aus dem 5. Jahrhundert ziert den Innenhof, in Zeiten des alten Museums ein "Hort für Taubendreck und Winterfluten", nun geschützt mit einem gläsernen Spitzdach. Was es mit dem Mosaik auf sich hat und wie es ins Museum kam, erfährt der Besucher über einen Bildschirm am Portikus rechts daneben.
"Zum Gedenken und zur Rettung der Seelen aller Armenier, deren Namen nur Gott kennt", heißt es in einer armenischen Inschrift auf dem Mosaik, wohl in Anspielung auf die Gebeine, die ursprünglich darunter bestattet waren. Sie sollen von armenischen Soldaten der zwölften römischen Legion stammen. Auch im Museum wurden sie wieder unter dem Mosaik beigesetzt. Für Bezdjian ist das Mosaik "ein Beweis für das, was die Absicht des Museums ist: Die Geschichte der armenischen Präsenz zu erzählen".
Die Ausstellung beginnt im rechten Flügel. Ein Film macht den Auftakt, gefolgt von einer historischen Einführung zur Eroberung Palästinas durch den armenischen König Tigranes II. im 2. Jahrhundert vor Christus und der Annahme des Christentums durch die Armenier zu Beginn des 4. Jahrhunderts.
Der Besucher folgt den sich durch Lichtschranken nach und nach erhellenden Räumen bis ins frühe 16. Jahrhundert, dem Ende der mamelukischen Herrschaft. Bildschirme bieten französische, armenische, arabische und hebräische Übersetzungen der englischen Texte. Ein Saal mit Handschriften und Miniaturen - in Armenien hergestellte Faksimiles - folgt, bevor die Zeitreise den Besucher im linken Museumsflügel in osmanische Zeit führt.
"Türkei gründet sich auf Eliminierung christlicher Minderheiten"
Das Obergeschoss ist dem dunkelsten Kapitel der armenischen Geschichte gewidmet: von einer Einführung über das Leben der Armenier in den türkischen Ostprovinzen im 19. Jahrhundert, dem Beginn der Gewalt über die Deportierung der intellektuellen Elite bis zum Massenmord am armenischen Volk. "Die moderne Türkei", sagt Bedzjian, "ist auf der Eliminierung der christlichen Minderheiten gegründet".
Neben dem Genozid wollten die Ausstellungsmacher dessen Folgen für die armenische Gemeinschaft von Jerusalem zeigen. Kopien von Ausweispapieren von 650 armenischen Waisen zieren die Wände. Ihre Präsenz und die Tausender armenischer Flüchtlinge haben das armenische Jerusalem fundamental verändert. "Bis Anfang des 20. Jahrhunderts war dies ein Konvent. In ihm wurde gebetet, der Klerus ausgebildet, dergleichen", sagt der Architekt. Dann griffen Soldaten der britischen Mandatsmacht ab 1918 Tausende Flüchtlinge auf und brachten sie nach Jerusalem. "Der Konvent wurde zur Stadt, es gibt Familien, die seit drei Generationen hier leben." Mit der Wiedereröffnung des Museums wird die "Klosterstadt" ein weiteres Tor nach Außen erhalten.