Behindertenbeauftragte kritisieren Triage-Gesetz

Zu wenig Schutz für Benachteiligte?

Die Behindertenbeauftragten haben erhebliche Zweifel, ob der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Triage behinderte Menschen ausreichend schützt. Kritik kommt auch von kirchlichen Verbänden. Ist das Gesetz noch aufzuhalten?

Ein Patient liegt in einem Bett in der Notaufnahme
Ein Patient liegt in einem Bett in der Notaufnahme

Das Gesetz, das am Donnerstag vom Bundestag beschlossen werden soll, sieht vor, dass bei einem Mangel an überlebenswichtigen intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten die aktuelle und kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit der Betroffenen ausschlaggebend für eine Behandlung sein soll.

Überlebenswahrscheinlichkeit schwierig einschätzbar

Die Behindertenbeauftragten von Bund und Ländern verwiesen am Mittwoch in Berlin auf Äußerungen der Bundesärztekammer, nach denen die Abwägung der kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit nach medizinischen Kriterien fast unmöglich sei. Alter oder Behinderung sollen kein Kriterium für eine Negativauswahl sein. Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Jürgen Dusel, erklärte dazu, wenn Ärzte keine verlässlichen Aussagen zur kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit von Patienten treffen könnten, sei sehr zweifelhaft, ob das vorliegende Gesetz geeignet sei, Menschen mit Behinderungen vor Benachteiligung zu schützen. Dann müsse schnell nachgesteuert werden.

Der Bundestag will am Donnerstag über das sogenannte Triage-Gesetz abstimmen. Es regelt, nach welchen Kriterien entschieden wird, welcher Patient eine intensivmedizinische Behandlung erhält, wenn zu wenig Ressourcen wie etwa Atemgeräte oder Intensivbetten vorhanden sind. Das Bundesverfassungsgericht hatte eine Regelung zum Schutz von Behinderten vom Gesetzgeber gefordert. Betroffene hatten geklagt, weil sie sich sorgen, bei Versorgungsengpässen während der Coronapandemie benachteiligt zu werden.

Kritik von christlichen Verbänden

Die Diakonie, der evangelische Fachverband für Teilhabe und der Deutsche Evangelische Krankenhausverband vermissen Maßnahmen gegen eine "Diskriminierung vor der eigentlichen Triage-Entscheidung". In der Corona-Pandemie sei es wiederholt dazu gekommen, dass Menschen aus Pflegeeinrichtungen oder besonderen Wohnformen von einer Krankenhausaufnahme ausgeschlossen wurden, um die Betten für Patienten mit besserer Prognose freizuhalten, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung von Mittwoch.

"Ein diskriminierungsfreier Zugang zu intensivmedizinischer Behandlung erfordert zunächst, dass alle Menschen, die eine Krankenhausbehandlung benötigen, auch ins Krankenhaus aufgenommen werden", erklärte Diakoniepräsident Ulrich Lilie.

Der Entwurf für das Triage-Gesetz sorgt von mehreren Seiten für Kritik. Das Deutsche Institut für Menschenrechte hatte in der vergangenen Woche eine Verschiebung der Abstimmung gefordert, um die Regelung nochmals zu überdenken.

Regelung wird wohl beschlossen

Wie der Bundestag mitteilte, hat der Gesundheitsausschuss in seiner Sitzung am Mittwoch aber grünes Licht gegeben. So ist zu erwarten, dass die Regelung mit der Mehrheit der Fraktionen von SPD, Grünen und FDP am Donnerstag beschlossen wird. Den Angaben nach wurden aber auch noch Änderungen beschlossen, wozu auch die Evaluierungsregelung gehört.

Triage

Der Begriff "Triage" bezeichnet in der Medizin eine Methode, um im Fall einer Katastrophe oder eines Notfalls die Patienten auszuwählen, die zuerst eine medizinische Versorgung erhalten. Das Wort stammt aus dem Französischen und bedeutet übersetzt "sortieren" oder "aussuchen". Der Begriff stammt aus der Militärmedizin, wo es um die Versorgung der Verletzten auf dem Schlachtfeld geht. Inzwischen wird er auch in der Notfallmedizin oder dem Zivilschutz etwa bei Katastrophen, Terroranschlägen oder Pandemien verwandt. Dazu wurden strukturierte Triage-Instrumente entwickelt.

Triage für Coronavirus-Notfälle in Bergamo / © Claudio Furlan (dpa)
Triage für Coronavirus-Notfälle in Bergamo / © Claudio Furlan ( dpa )

 

Quelle:
epd , KNA