DOMRADIO.DE: Die Erwartungen an die Klimakonferenzen werden im Vorhinein gerne runtergespielt, weil nichts Greifbares dabei rauskäme. Spielen diese Treffen für den Klimaschutz eine wichtige Rolle?
Stefan Rostock (Theologe und Teamleiter Bildung für nachhaltige Entwicklung bei der NGO Germanwatch): Die Treffen spielen eine ganz, ganz wichtige Rolle, gerade die UN-Treffen. Die Klimakrise wird an vielen Stellen verhandelt - G7, G20, aber im Unterschied dazu sind die UN-Treffen diejenigen, wo auch die Hauptbetroffenen der Klimakrise, kleine Inselstaaten zum Beispiel, eine Stimme und somit ein Gewicht haben. Es ist falsch zu sagen, da würde nichts passieren.
Gerade durch das Pariser Abkommen und dessen Verschärfung und Entwicklung auf den nachfolgenden Klimakonferenzen sehen wir eine beginnende Trendumkehr in den Emissionen. Die Weltgemeinschaft hat sich auf den Weg des Klimaschutzes gemacht. Zu langsam, ja, aber die UN-Klimakonferenzen spielen dafür eine ganz wichtige Rolle.
DOMRADIO.DE: Sie sind Theologe. Wie wichtig ist eine solche Klimakonferenz aus christlicher Sicht?
Rostock: Ja, ich bin katholischer Theologe und bin manchmal ein bisschen verwundert, dass gerade die katholische Kirche nicht lauter Position bezieht: für die Opfer der Klimakrise, für die Hauptbetroffenen der Klimakrise, gerade für die jetzt junge Generation und die kommenden Generationen, die noch viel stärker von der Klimakrise betroffen sein werden.
Man hört dann oft etwas von der Bewahrung der Schöpfung, aber eigentlich geht es doch auch darum, den kommenden Generationen eine lebenswerte Mitwelt zu erhalten.
DOMRADIO.DE: Gibt es schon erste Erfolge der COP27?
Rostock: Die Klimakonferenz in Ägypten hat schon ein ganz deutliches Zeichen gesetzt, dass wir weiter ernsthaft Emissionen reduzieren müssen und dafür alle Bereiche nutzen müssen, um weniger Treibhausgase zu emittieren. Man kann nicht mehr nur auf die großen Hebel setzen. Wir brauchen alle Beiträge.
Außerdem sind die Teilnehmer:innen weitergekommen bei dem Thema der Anpassung an das veränderte Klima. Gerade ärmere Länder sollen in der Anpassung unterstützt werden. Es wurden endlich Finanzierungsmechanismen für Schäden und Verluste thematisiert. Darauf haben wir sehr gehofft.
Früher war das eher ein Thema für Pessimisten, da man hoffte durch Emissionsreduktionen viele Schäden verhindern zu können. Mittlerweile spüren wir die Klimakrise in vielen Ländern, auch bei uns im Alltag. Wir sehen die Schäden und Verluste, an die wir uns nicht anpassen können. Dafür stehen jetzt Finanzierungs- und Versicherungslösungen auf der Tagesordnung.
DOMRADIO.DE: Wenn Tausende Menschen nach Ägypten fliegen und dort rund zwei Wochen tagen, häufen sich Müllberge an und es wird viel Wasser verbraucht. Steht das nicht im Widerspruch zu einer Klimakonferenz?
Rostock: Ich finde es wichtig, dass die Medien darauf schauen, weil es den Blick darauf lenkt, was an Müll, Wasser und anderen Rohstoffen jeden Tag im normalen Urlaubsbetrieb dort anfällt. Sicherlich ist das ein kritischer Punkt, mit dem die Klimakonferenz umgehen muss, aber es ist ein Zeichen, dass wir unser Alltagshandeln und gerade unser Urlaubshandeln überdenken müssen: Emissionen durch den Flug, Müll, Trinkwasser, das besser in der Landwirtschaft aufgehoben wäre, und um die Bevölkerung zu versorgen. Das ist eine generelle Debatte, die durch die Klimakonferenz neu angestoßen worden ist.
DOMRADIO.DE: Ihr spezieller Bereich ist die Bildung für nachhaltige Entwicklung. Wird in den Schulen der Klimaschutz in den Lehrplan eingebaut?
Rostock: Die kurze Antwort ist: Nein. Die längere Antwort ist: Ja. Wir haben in vielen Bildungsdokumenten Bildung für nachhaltige Entwicklung als wichtiges Thema für Schulen identifiziert. Mit dem neuen UNESCO-Programm "Bildung für nachhaltige Entwicklung für 2030 (BNE2030)" haben wir auch einen Rahmen, der sehr ambitioniert politischere Bildung in der Schule fordert.
Darin steht, dass die Lernenden sich einsetzen müssen, Strukturen hin zu mehr Nachhaltigkeit zu verändern. An vielen Stellen fällt das in der Schule hinten runter, weil es noch zu wenig prüfungsrelevant ist, weil es zu wenig Freiräume gibt, in denen Schüler:innen wirklich ihre Schule hin zu mehr Nachhaltigkeit entwickeln können. Da sind wir noch auf einem langen, aber an manchen Stellen auch einem guten Weg. Wir lernen bereits von den Pionieren, die es in der Schullandschaft auch gibt.
Das Interview führte Tobias Fricke.