Misereor fordert Klimagerechtigkeit in Ägypten

"Jeder Euro muss zur Lösung beitragen"

Misereor fordert in Sharm El-Sheikh einen Schutzschirm für die Menschen, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind. In der aktuellen Energiekrise sieht Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel auch eine Chance.

Gäste betreten das Kongresszentrum, in dem die UN-Weltklimakonferenz COP27 stattfindet. Die Klimakonferenz COP27 findet vom 6. November bis 18. November 2022 in Scharm El-Scheich, Ägypten statt. / © Peter Dejong/AP (dpa)
Gäste betreten das Kongresszentrum, in dem die UN-Weltklimakonferenz COP27 stattfindet. Die Klimakonferenz COP27 findet vom 6. November bis 18. November 2022 in Scharm El-Scheich, Ägypten statt. / © Peter Dejong/AP ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die einen verursachen den Klimawandel und die anderen, die müssen die Konsequenzen ausbaden. Haben Sie ein Beispiel für uns, das diese Ungerechtigkeit noch mal ein bisschen deutlicher macht?

Pirmin Spiegel (Hauptgeschäftsführer Misereor): Historisch betrachtet haben die Industriestaaten etwa die Hälfte der Emissionen verursacht, die für die heutigen Temperaturanstiege verantwortlich sind und alle Länder Afrikas zusammen nur vier Prozent. Hier sieht man eine große Ungleichheit und Ungerechtigkeit. Aber die Ungerechtigkeit geschieht auch hier innerhalb unseres Landes Deutschland. Auch hier ist es sehr ungleich verteilt, wer wie viele Emissionen in die Luft bläst.

Pirmin Spiegel / © Julia Steinbrecht (KNA)
Pirmin Spiegel / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie von Misereor mahnen einen Schutzschirm an, für die am stärksten vom Klimawandel Betroffenen. Wie genau stellen Sie sich den denn vor?

Spiegel: Für uns ist zentral, dass der Schutzschirm die Betroffenen erreicht. Wir haben nicht einzelne Länder im Fokus, denen der Schutzschirm zukommt, sondern den verwundbarsten Gruppen soll er zukommen. Und dabei befürworten wir, dass lokale Organisationen vor Ort eingebunden werden. Die globale 'Klimarisikoversicherung', von der Bundeskanzler Scholz gesprochen hat, sehen wir als einen Baustein für diesen Schutzschirm. Es gibt bereits erste Versuche für Versicherungen für Kleinbauern im globalen Süden. Da wollen wir weiterkommen.

Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer Misereor

"Gemeinsam mit anderen Akteuren der Zivilgesellschaft kann sie eine Gordische-Knoten-Löserin sein"

DOMRADIO.DE: Eine maßgebliche Rolle auf deutscher Seite wird in Sharm El-Sheikh die Klimaschutzbeauftragte der Bundesregierung spielen. Das ist Jennifer Morgan. Wird sie einen guten Job machen?

Spiegel: Ich denke ja. Frau Morgan war lange Jahre Chefin von Greenpeace und hat immer wieder Forderungen gestellt. Wir vertrauen darauf, dass sie den Forderungen treu bleibt. Sie hat bereits beim Petersberger Klimadialog eine sehr wichtige Rolle gespielt. Sie hat immer wieder die dritte Säule des Pariser Abkommens eingebracht, den Umgang mit Schäden und Verlusten. Gemeinsam mit anderen Akteuren der Zivilgesellschaft kann sie eine Gordische-Knoten-Löserin sein, weil ihre Vermittlerrolle akzeptiert wird, sowohl von Seiten der ärmeren Länder und der Entwicklungsländer, als auch von Seiten der Industrienationen des globalen Nordens.

DOMRADIO.DE: Es ist ein Spagat, den die Bundesregierung hinkriegen muss. Auf der einen Seite steht die Bewältigung der Energiekrise, auf der anderen die Klimakrise. Was sind Ihre Forderungen?

Spiegel: Wir haben mehrere Forderungen. Jeder Euro, jede Ausgabe, muss richtig eingesetzt werden und so zur Lösung beider Krisen beitragen, zur Lösung der Energiekrise und zur Lösung der Klimakrise. Die gegenwärtige Energiekrise bietet die Chance, erneuerbare Energien weiter voranzubringen, das muss geschehen. Wir sind gegen neue Deals für fossile Brennstoffe, wie zum Beispiel den Gas-Deal der Bundesregierung mit dem Senegal und den Kohle-Deal mit Kolumbien, weil in Glasgow, in der letzten Klimakonferenz, gesagt wurde, dass mit öffentlichen Geldern keine fossilen Projekte mehr, im Ausland, finanziert werden können. Deshalb wollen wir diese Krise und diese Herausforderung als Chance sehen, in erneuerbare Energien zu investieren und darin die Zukunft zu sehen.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Bischöfliches Hilfswerk Misereor

Misereor ist das weltweit größte kirchliche Entwicklungshilfswerk. Es wurde 1958 von den katholischen Bischöfen in Deutschland auf Vorschlag des damaligen Kölner Kardinals Josef Frings als Aktion gegen Hunger und Krankheit in der Welt gegründet.

Der Name bezieht sich auf das im Markus-Evangelium überlieferte Jesuswort "Misereor super turbam" (Ich erbarme mich des Volkes). Sitz des Hilfswerks ist Aachen.

Logo des Bischöflichen Hilfswerks Misereor in einem Schaufenster / © Julia Steinbrecht (KNA)
Logo des Bischöflichen Hilfswerks Misereor in einem Schaufenster / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR