Ist künstlich hergestelltes Blut ethisch vertretbar?

Tests mit Menschen haben begonnen

Erstmals wurden künstliche rote Blutkörperchen auf Menschen übertragen. Ist das ein erheblicher Durchbruch oder ethisch bedenklich? Es sei im Grunde unbedenklich und ein wichtiger Fortschritt, meint der Theologe Andreas Lob-Hüdepohl.

Blutprobenröhren im Labor / © Roman Zaiets (shutterstock)
Blutprobenröhren im Labor / © Roman Zaiets ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Eine künstliche Hüfte ist nichts Ungewöhnliches mehr, künstliches Blut allerdings schon. Britische Forscher haben zum ersten Mal künstliche rote Blutkörperchen auf Menschen übertragen. Das Verfahren könnte ein wichtiger Durchbruch zur Bekämpfung einer Erbkrankheit sein, bei der die Patienten Antikörper gegen die meisten Spenderblutarten entwickelt haben. Das klingt doch erst mal nach einem wichtigen Fortschritt, oder?

Prof. Andreas Lob-Hüdepohl (Theologe, Sozialethiker und Mitglied im Deutschen Ethikrat): Selbstverständlich, wenn sich das tatsächlich als tragfähig erweist. Wir befinden uns noch in einer ersten Vorstufe, in einer ersten Erprobungsphase. Die klinischen Studien haben begonnen. Da wird man nicht nur die Sicherheit genau überprüfen müssen, sondern auch die Wirksamkeit. Das sind die üblichen Kriterien.

Wenn sich das dann tatsächlich als tragfähig erweist, dann ist das ein erheblicher Fortschritt und eine bedeutende Erleichterung für diejenigen, die unter einer schweren Krankheit, der Sichelanämie beispielsweise, leiden.

Andreas Lob-Hüdepohl, Professor für Theologische Ethik / © Julia Steinbrecht (KNA)
Andreas Lob-Hüdepohl, Professor für Theologische Ethik / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Dieses künstliche Blut ist aus Stammzellen hergestellt worden, allerdings nicht aus embryonalen Stammzellen, sondern aus welchen, die aus Blutspenden gewonnen worden sind. Wäre das auch was für andere Verfahren, bei denen bislang embryonale Zellen verwendet worden sind, was gerade die Kirche ja oft ethisch problematisch fand?

Lob-Hüdepohl: Das kann ich nicht sagen, ob das auch auf andere Fragen übertragbar ist. Ich bin kein Mediziner, sondern Ethiker. Der entscheidenden Unterschied ist, dass die Herstellung aus embryonalen Stammzellen voraussetzte, dass Embryos abgetötet werden müssen. Das ist abzulehnen.

Bei der Forschung oder beim Arbeiten mit sogenannten adulten Stammzellen, also Stammzellen von Erwachsenen, wird ihm eine Blutspende entnommen. Aus der Blutspende werden dann die Stammzellen herausgefiltert und mit denen wird dann weiter gearbeitet, geforscht oder sie werden als Basisprodukt für eine, wenn man so will, Züchtung von roten Blutkörperchen genutzt. Das ist dem Grundsatz nach völlig unbedenklich.

Es handelt sich übrigens auch nicht um ein künstliches Blut, denn das Blut besteht aus vielen Faktoren, sondern um ein wichtiges Körperchen, das rote Blutkörperchen, was für den Sauerstofftransport entscheidend ist. Also insofern ist das eigentlich unbedenklich, wenn es den ganz üblichen Kriterien entspricht, dass es sicher und wirksam ist.

DOMRADIO.DE: Das Ganze passiert im weltweit ersten klinischen Versuch dieser Art. Finden Sie es in Ordnung, so etwas an Menschen zu testen?

Lob-Hüdepohl: Selbstverständlich, das machen wir permanent. Jedes neue Produkt, jede neue Therapie wird generell natürlich an Menschen überprüft. Das geht überhaupt gar nicht anders, allerdings nicht am Anfang, denn die sogenannten klinischen Studien sind erst am Ende eines langen, vorauslaufenden Forschungsprozesses. Dass man es, bevor man es einsetzt, dann auch am Menschen ausprobiert, ist völlig üblich. Ich halte das auch für geboten.

DOMRADIO.DE: Bisher sind nur ganz kleine Mengen dieser künstlichen Blutkörperchen auf Menschen übertragen worden. Wenn wir immer mehr Teile von Menschen künstlich ersetzen können, wie so ein Baukastensatz, muss man dann nicht Sorge haben, dass irgendwann nicht mehr viel vom echten Menschen übrig ist?

Andreas Lob-Hüdepohl (Theologe, Sozialethiker und Mitglied im Deutschen Ethikrat)

"Es gehört gewissermaßen zur Natur des Menschen, dass er über eine aktive Gestaltung seiner Gesundheit in diesem Fall sein Leben auch beeinflusst und auch verändert."

Lob-Hüdepohl: Nein, die Sorge habe ich tatsächlich nicht. Es gehört gewissermaßen zur Natur des Menschen, dass er über eine aktive Gestaltung seiner Gesundheit - in diesem Fall sein Leben - auch beeinflusst und auch verändert. Jede Form der Entwicklung beispielsweise eines pharmakologischen Produktes, einer Pille, einer Kopfschmerztablette ist ja ein, wenn man so will, künstlicher Eingriff in die vorfindliche Situation eines Menschen. Das ist dem Grunde nach völlig legitim, dass das passiert.

Der Mensch besteht aus so viel unterschiedlichen Faktoren. Ich glaube nicht, dass alle gemeinsam ersetzt werden können. Dass man vieles ersetzen kann beziehungsweise von außen her verändern kann, ist ein großer Fortschritt für die Menschheit und ich halte das für dem Grundsatz nach unbedenklich.

DOMRADIO.DE: Das künstliche Blut wird wahrscheinlich nicht alles ersetzen können, weil die Forschung einfach noch nicht so weit ist, dass man davon große Mengen herstellen kann. Aber müsste man nicht mehr Energie darauf verwenden, dass mehr Menschen Blut spenden?

Lob-Hüdepohl: Das ist ein anderes Problem. Dass die Zahl der Blutspendenden nicht rückläufig ist, aber zumindest stagniert und nicht genügend Blutspenden kommen, ist das eine Problem.

Aber selbst wenn wir genügend Blutspender hätten, ist das Problem, was hier gelöst werden soll, eben noch nicht gelöst, weil nämlich viele Patientinnen und Patienten gegen einen Spenderblut Antikörper aufbauen, also die Blutspende ablehnen. Das bedeutet, dass auch ein hohes Maß an Blutspende-Blut, was vorhanden sein könnte, nicht mehr die Therapieziele erreichen lässt, weil die betroffenen Menschen Abwehrreaktionen gegenüber Spenderblut entwickelt haben.

Insofern löst hier das Problem des Blutspendemangels das andere Problem nicht.

Das Interview führte Katharina Geiger.

Deutscher Ethikrat

Der Deutsche Ethikrat ist ein unabhängiger Sachverständigenrat, der Politik und Gesellschaft in ethischen Fragen berät und Empfehlungen vorlegt. Ziel ist die naturwissenschaftlich-medizinische, ethische, rechtliche und sozialwissenschaftliche Begleitung. Zudem soll er als Dialogforum die öffentliche Debatte voranbringen und mit vergleichbaren Institutionen in anderen Ländern zusammenarbeiten.

Alena Buyx, Vorsitzende Deutscher Ethikrat, Sigrid Graumann, Sprecherin der AG Pandemie des Deutschen Ethikrates, und Volker Lipp, Stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ethikrates, Pressekonferenz  / © Michael Kappeler (dpa)
Alena Buyx, Vorsitzende Deutscher Ethikrat, Sigrid Graumann, Sprecherin der AG Pandemie des Deutschen Ethikrates, und Volker Lipp, Stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ethikrates, Pressekonferenz / © Michael Kappeler ( dpa )
Quelle:
DR