Ehemaliger Pastor begräbt in Göttingen alte Bibeln

Ungewöhnliche Aktion

Für gewöhnlich werden bei Beerdigungen Särge oder Urnen beigesetzt. In Göttingen war das an diesem Sonntag etwas anders. Dort wurden alte, nicht mehr gebrauchte Bibeln zu Grabe getragen. Was hat es damit auf sich?

Ein Mann blättert in einer alten Bibel / © Doidam 10 (shutterstock)
Ein Mann blättert in einer alten Bibel / © Doidam 10 ( shutterstock )

Der ehemalige Pastor Harald Storz hat in Göttingen (Niedersachsen) nicht mehr gebrauchte Bibeln begraben. Die Bücher wurden nach dem Gottesdienst ohne Kreuz oder Grabstein in der Nähe der St.-Albani-Kirche beigesetzt. Vergleichbare Aktionen habe es in Deutschland bisher kaum gegeben, sagte Storz. Das Begräbnis sei angelehnt an eine jüdische Tradition.

Der ehemalige Pastor Harald Storz hält an der St.-Albani-Kirche eine alte Bibel, die nicht mehr gebraucht wird / © Swen Pförtner (dpa)
Der ehemalige Pastor Harald Storz hält an der St.-Albani-Kirche eine alte Bibel, die nicht mehr gebraucht wird / © Swen Pförtner ( dpa )

Während seiner aktiven Zeit als Pastor für die St.-Jacobi-Kirche in Göttingen seien ihm öfter alte Bibeln überlassen worden, sagte Storz. "Menschen haben die Bücher etwa bei Haushaltsauflösungen von verstorbenen Familienmitgliedern gefunden und wollten sie nicht wegwerfen", sagte Storz. Doch er habe auch nicht gewusst, was er mit den Werken hätte anfangen sollen - und sie letztlich mit einem unguten Gefühl in den Müll geworfen.

Jüdische Tradition

In den vergangenen Jahrhunderten seien Bibeln - anders als heute, wo sie Massenware seien - über Generationen weitergegeben worden. Es gebe deshalb im christlichen Glauben keine Tradition für den Umgang mit nicht mehr benötigten Exemplaren.

Eine staubige alte Bibel / © Africa Studio (shutterstock)
Eine staubige alte Bibel / © Africa Studio ( shutterstock )

Das sei im jüdischen Glauben anders. Dort werden nicht mehr brauchbare Tora-Schriftrollen schon lange begraben. "Die haben allerdings auch einen anderen Wert: Sie sind handgeschrieben und werden als eine Art Gegenwart Gottes vermenschlicht."

Als er unter anderem von einem Pastor in der Nähe von Leipzig hörte, der in Anlehnung an die jüdische Tradition Bibeln begrub, übernahm er die Idee für Göttingen. Mehrere Bürger kamen zu der kleinen Beerdigungsandacht und brachten Bibeln mit, die sie etwa wegen zu kleiner Schrift nicht mehr lesen konnten.

Die Bibel

Bibel ist die Schriftensammlung, die im Judentum und Christentum als Heilige Schrift gilt. Auf den Schriften fußt jeweils die Religionsausübung. Die Bibel des Judentums ist der dreiteilige Tanach, der aus der Tora, den Nevi’im und Ketuvim besteht. Diese Schriften entstanden seit etwa 1200 v. Chr. im Kulturraum der Levante und Vorderen Orient und wurden bis 135 n. Chr. kanonisiert. Das Christentum übernahm alle Bücher des Tanachs, ordnete sie anders an und stellte sie als Altes Testament (AT) dem Neuen Testament (NT) voran.

Eine Bibel liegt aufgeschlagen auf einem Tisch (KNA)
Eine Bibel liegt aufgeschlagen auf einem Tisch / ( KNA )
Quelle:
dpa