Kölner Citykirchenpfarrer kritisiert die Nationalmannschaft

"Es geht um Gemeinschaft, Vielfalt, Unterschiedlichkeit"

Sechs europäische Teams wollten als Zeichen für Toleranz die One-Love-Binde bei der WM tragen. Sie haben sich aus Angst vor Sanktionen dagegen entschieden. auch die deutsche Nationalmannschaft. Pfarrer Markus Herzberg kritisiert das.

One-Love-Kapitänsbinde  / © Sebastian Gollnow (dpa)
One-Love-Kapitänsbinde / © Sebastian Gollnow ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie sind gerade im Urlaub in Holland. Sie haben sich aber so über die Fifa und den Deutschen Fußball-Bund geärgert, dass Sie trotz Urlaub einen Facebook Post verfasst haben. Was haben Sie da geschrieben?

Pfarrer Markus Herzberg / © AntoniterCityKirche
Pfarrer Markus Herzberg / © AntoniterCityKirche

Markus Herzberg (Citykirchenpfarrer Köln): Ich habe erst mal geschrieben: 'Wie schade, liebe Nationalelf', weil ich das für ein tolles Zeichen gehalten hätte. Denn darum geht es ja im Fußball, um Gemeinschaft, Vielfalt, Unterschiedlichkeit. Wenn man dieses Zeichen dann auch gesetzt hätte, gerade in Katar, dann hätte ich mich sehr gefreut. Aber sie haben sich ja anders entschieden.

DOMRADIO.DE: Sie sind der Meinung, dass die deutsche Elf und die anderen Mannschaften zu schnell eingeknickt sind. Was hätte denn im schlimmsten Fall passieren können? Weiß man das?

Herzberg: Ich meine gelesen zu haben, dass Manuel Neuer im Vorfeld schon eine gelbe Karte bekommen hätte, wenn er die Binde getragen hätte. Ich finde, das macht es noch schlimmer.

Pfarrer Markus Herzberg

"Was hätte unserer Nationalelf passieren können, wenn man in unserem freien und demokratischen Land ein Zeichen setzt?"

Wenn wir das vergleichen und gucken, was die Mannschaft des Irans getan hat – die hat nämlich die Nationalhymne aus stillem Protest nicht mitgesungen und zwar alle elf Spieler – dann denke ich immer: Was hätten unserer Nationalelf passieren können, wenn man in unserem freien und demokratischen Land ein Zeichen setzt? Außer eine gelben Karte? Man hätte als Nationalelf auch sagen können, dass sie gar nicht spielen. Es gibt ja schlimmere Dinge im Leben. Aber sie haben sich nicht dafür entschieden und sich nicht getraut. Ich finde das sehr schade.

DOMRADIO.DE: Sie selbst leben als evangelischer Pfarrer ganz offen mit Ihrem Mann im Pfarrhaus. Fühlen Sie sich von so einer Entscheidung auch persönlich betroffen?

Herzberg: Ich würde nicht sagen, dass es mich persönlich trifft. Als Mann setze ich mich auch gerne für Frauenrechte ein, ohne eine Frau zu sein. Mir ist es wichtig, dass wir alle miteinander unsere Rechte für Vielfalt, für Demokratie und Meinungsfreiheit einsetzen, egal ob es mich jetzt direkt betrifft oder nicht.

Deswegen wäre es ein gutes Zeichen gewesen, wenn sich auch eine Nationalelf für solche Themen einsetzen würde und nicht beim ersten Anzeichen, dass es an die eigenen Interessen geht, einknickt. Wie verteidigen wir Demokratie, wenn jeder Einzelne die Demokratie nur so lange verteidigt, wie es ihn selbst nicht betrifft und er ansonsten Blessuren davon tragen müsste? Im schlimmsten Fall verteidigt dann niemand mehr die Demokratie. Das fände ich dramatisch für unsere Völkergemeinschaft.

Markus Herzberg, Citykirchenpfarrer Köln

"Wie verteidigen wir Demokratie, wenn jeder Einzelne die Demokratie nur so lange verteidigt, wie es ihn selbst nicht betrifft?"

DOMRADIO.DE: REWE hat, als erster Sponsor angekündigt, die Zusammenarbeit mit dem DFB vorzeitig zu beenden. Ist das ein gutes Signal?

Herzberg: Ich habe mich sehr gefreut, als ich das im Internet las. Das ist doch ein schönes Zeichen, dass REWE sagt: 'Für uns bleibt das nicht ungeahndet.' So ein Handelsriese geht damit ja auch Risiken ein; weniger Werbung zu machen und vielleicht auch etwas nicht zu verkaufen, was sie davor verkauft hätten. Da zeigt REWE, dass man Courage beweisen kann indem man deutliche Zeichen setzt, auch wenn sie für einen persönlich vielleicht Nachteile birgen. Von daher kann ich nur sagen: 'Bravo, das habt ihr gut gemacht.'

DOMRADIO.DE: Werden Sie die WM-Spiele trotzdem weiter verfolgen oder ist Ihnen jetzt die Lust endgültig vergangen?

Herzberg: Die war mir schon vorher vergangen. Ich habe tatsächlich standhaft bis jetzt noch gar nichts geguckt. Weder die Eröffnung noch sonst irgendwas. Ich habe mich auch gefreut, jetzt hier in den Niederlanden, unseren Nachbarstaat mal zu erleben, der ja auch eine fußballbegeisterte Nation ist.

Wir saßen gestern Abend in einem niederländischen Restaurant, da lief zwar das niederländische Spiel; das aber keiner hat geguckt. Ich war sehr erstaunt, dass das hier auch so gehandhabt wird. Natürlich freue ich mich darüber, wenn auch andere Nationen da standhaft sind und durch ihr Guckverhalten Zeichen setzen.

Das Interview führte Elena Hong.

Evangelische Kirche fordert das Eintreten für Menschenrechte in Katar

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) appelliert an den Deutschen Fußballbund (DFB), bei der bevorstehenden Fußball-Weltmeisterschaft in Katar klar für Menschenrechte einzutreten. Die WM finde in einem Land statt, in dem Menschenrechtler seit Jahren auf die Lage von Arbeitsmigranten, eingeschränkte Rechte von Frauen, fehlenden Schutz von sexuellen Minderheiten und mangelnde Meinungs-, Religions- und Pressefreiheit hinwiesen, heißt es in einem am 28.

Das Logo der Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar / © Nick Potts (dpa)
Das Logo der Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar / © Nick Potts ( dpa )