Erzbistum Köln und Kardinal Woelki in schwierigen Zeiten

"Massive Vorwürfe"

Der Staatsrechtler Stephan Rixen hat seine Mitgliedschaft in der Unabhängigen Aufarbeitungskommission für das Erzbistum Köln beendet und den Vorsitz niedergelegt. Nur eines von vielen Ereignissen, die Bistum und Kardinal beschäftigen.

Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki / © Alessandra Tarantino (dpa)
Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki / © Alessandra Tarantino ( dpa )

DOMRADIO.DE: Welche Gründe führt der Vorsitzende der Unabhängigen Aufarbeitungskommission, Professor Stephan Rixen, für seinen Rückzug aus dem Amt an?

Ingo Brüggenjürgen / © Harald Oppitz (KNA)
Ingo Brüggenjürgen / © Harald Oppitz ( KNA )

Ingo Brüggenjürgen (Chefredakteur DOMRADIO.DE): Professor Rixen sagte wörtlich: "Mir fehlt das Vertrauen, dass eine Aufarbeitung, die auch Kardinal Woelki selbst betrifft, wirklich gewünscht ist."

Das heißt, Rixen meldet hier erhebliche Zweifel an, die auch nach einem Gespräch mit dem Kardinal, der Büroleiterin und der Interventionsbeauftragten nicht weniger geworden sind. Dieses Gespräch habe bei ihm ein "massives Störgefühl", so hat er es ausgedrückt, hinterlassen.

Rixen beklagt, dass es im Erzbistum Köln immer wieder ein Klima vieler Missverständnisse gibt. Am Ende sei immer nur einer ohne Fehl und Tadel. Das sei der Kölner Erzbischof.

Generell, so sagt und mahnt der Staatsrechtler an, sei eine unabhängige Aufarbeitung schwierig, wenn man keine direkte Akteneinsicht bekomme, weil es immer den Filter der Verwaltung gebe. Er sagt, dass wir eigentlich ein Aufarbeitungsgesetz auf Bundesebene brauchen.

DOMRADIO.DE: Welche Aufgabe und Zusammensetzung hatte denn diese Kommission im Erzbistum Köln?

Erzbistum Köln

Das Erzbistum Köln zählt zu den bedeutendsten Diözesen in Deutschland. Mit rund 1,9 Millionen Katholiken hat es die meisten Mitglieder, gefolgt von Münster, Freiburg und Rottenburg-Stuttgart (je rund 1,8 Millionen). Das Vermögen liegt bei rund 3,8 Milliarden Euro. Damit liegt Köln auf Platz drei hinter Paderborn (7,15 Milliarden Euro) und München-Freising (6,1 Milliarden Euro).

Blick auf den Kölner Dom / © saiko3p (shutterstock)

Brüggenjürgen: Da gab es einiges an Hin und Her, bis die Kommission endlich die Arbeit aufnehmen konnte. Am 1. Juni 2022 hat man sich konstituiert.

Es sind dort Mitglieder und Vertreter des Erzbistums, Experten aus Wissenschaft und Justiz, Fachleute der öffentlichen Verwaltung sowie Betroffene vertreten. Sie werden teils von der Kirche, aber auch teils von der Landesregierung benannt und alle dann vom Ortsbischof, also von Kardinal Woelki, berufen.

Rixen war von der Landesregierung NRW in dieses Gremium berufen worden und erst im August zum Vorsitzenden gewählt worden.

DOMRADIO.DE: Was bedeutet denn der Rückzug von Stephan Rixen jetzt für das Erzbistum Köln und für den Kölner Kardinal?

Brüggenjürgen: Professor Rixen ist nicht irgendwer. Er ist anerkannter Direktor des Instituts für Staatsrecht an der Universität Köln und seit 2020 Mitglied im Deutschen Ethikrat. Wenn er jetzt sagt, er macht nicht mehr mit, dann ist das ein Schlag ins Gesicht und schon eine Erschütterung, wenn er sagt, ihm fehle einfach das Grundvertrauen und er gewinne den Eindruck, der Kardinal solle geschützt werden. Das sind ganz massive Vorwürfe, die da kommen.

Wir erinnern uns. Das Erzbistum Köln wollte Vorreiter in Sachen Aufklärung sein. Wir erinnern uns an die Versprechen eines "Goldstandards in Sachen Aufklärung", wenn wir das zweite Gutachten in den Blick nehmen.

Im Moment gelingt offensichtlich immer weniger. Da kommt kaum noch etwas zusammen. Das, was Professor Rixen dort macht, ist kein kleiner Seitenhieb. Das ist schon ein Schlag mit Wirkung in Richtung des Kardinals.

DOMRADIO.DE: Wenn wir einen weiteren Blick auf diese Woche werfen, könnte dem Erzbistum Köln schon am Dienstag wieder etwas Neues blühen. Worum geht es dann?

 © Julia Steinbrecht (KNA)
© Julia Steinbrecht ( KNA )

Brüggenjürgen: Es geht um einen Prozess vor dem Landgericht, der bundesweit Signalwirkung haben könnte. Denn erstmals geht es um eine konkrete Schmerzensgeldklage gegen die katholische Kirche.

Georg Menne klagt. Er ist selber über 300 Mal missbraucht worden. Der Täter ist inzwischen verstorben. Georg Menne hat signalisiert, dass er sich Schmerzensgeld wünscht und hat eine Klage eingereicht. Es sind 725.000 Euro, die er erstreiten will. Bisher hat er nur 25.000 Euro erhalten.

Es ist auch kein sogenanntes Schmerzensgeld, da sich die katholische Kirche auf diese Schmerzensgeldzahlungen eigentlich gar nicht einlässt. Sie sagt, vielen Sachen drohe die Verjährung. Da ginge es nur um eine Anerkennung des Leids. Mittlerweile hat die katholische Kirche im Bundesgebiet schon über 33 Millionen Euro ausgezahlt.

Aber wenn solche Schmerzensgeldzahlungen jetzt erstritten werden können, dann sind das natürlich ganz andere Dimensionen. In Irland wurden insgesamt 1,3 Milliarden Euro in einem Fonds zur Verfügung gestellt.

Da wird man abwarten müssen. Die spannende Frage ist, ob das Erzbistum Köln die Karte der Verjährung zieht. Dann wäre man fein raus. Aber das hat natürlich ganz andere Implikationen.

DOMRADIO.DE: Es gibt am Mittwoch dann noch eine Vernehmung vor Gericht. Worum geht es da?

Bild-Zeitung / © 360b (shutterstock)

Brüggenjürgen: Es ist ein zweiter Prozess vor dem Landgericht. Da geht es um eine presserechtliche Auseinandersetzung mit der "Bild"-Zeitung.

Der Kölner Erzbischof Kardinal Woelki wehrt sich gegen mehrere Artikel des Boulevardblatts. Das Blatt hatte von dem stellvertretenden ehemaligen Stadtdechanten von Düsseldorf berichtet, wovon der Kardinal sagt, er habe das alles nicht gewusst.

Es gibt entsprechende Akten, die jetzt geprüft werden. In der vergangenen Woche hat die langjährige Büroleiterin vor dem Landgericht ausgesagt und hat zu Protokoll gegeben, dass das Lügen ein Ende haben müsse.

Da wird man sehen, was der ehemalige Interventionsbeauftragte des Erzbistums Köln, Oliver Vogt, am Mittwoch sagen wird. Er gilt auch als ein Kenner der Materie und da könnten gegebenenfalls neue Vorwürfe laut werden.

Das Interview führte Dagmar Peters.

Redaktioneller Hinweis: Das Interview wurde geführt, bevor das Erzbistum Köln mitgeteilt hat, dass die Einrede zur Verjährung im Fall der Schmerzensgeldforderung eines Betroffenen, der vor dem Landgericht Köln klagt, nicht erhoben wird.

Quelle:
DR
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