DOMRADIO.DE: Es geht in dem Vortrag an diesem Mittwoch um "die Ungenauigkeit bei Cusanus im ontologischen und epistemischen Sinne und ihr Verhältnis zur Dialogform". Was bedeutet das?
Prof. Christoph Ohly (Rektor der Kölner Hochschule für Katholische Theologie / KHKT): Das wird uns Professor Thomas Leinkauf entsprechend entfalten. Es geht um die großen drei Begriffe Dialog, Ungenauigkeit und Freiheit bei Nicolaus Cusanus, dem universal gebildeten Philosophen, Theologen und Kardinal aus dem 15. Jahrhundert.
Da sich unsere Hochschule das Wort des Dialoges als bestimmenden Profilbegriff auf die Fahne schreibt, wollen wir uns durch den Vortrag auch damit auseinandersetzen, herausfordern lassen und fragen, was "Dialog" von seinem Wesen her ist und sein muss. Was können wir bei einem der großen Theologengestalten dazu lernen? Welche Freiheiten bestehen da im Gespräch miteinander? Wo wird Dialog ungenau? Wo ist es auch sinnvoll, das Argument des anderen zunächst einmal zu wiederholen und somit zu erfassen, damit überhaupt ein fruchtbares Gespräch in Gang kommen kann?
Der Quodlibet-Ansatz bedeutet dann, dass wir uns spontan und konkret durch alle vorgetragenen Gedanken zum Thema herausfordern lassen. Das wird die nachfolgende Diskussion, die breiten Raum einnehmen wird, entsprechend zeigen.
DOMRADIO.DE: Sie wollen theologische Themen in den größeren gesellschaftlichen Dialog hineinbringen. Funktioniert das denn bei so einem komplizierten Fachthema? Das muss man ja erstmal für die Leute runterbrechen.
Ohly: Richtig. Deswegen sollte man sich nicht durch den Titel abschrecken, sondern vielmehr von den Begriffen leiten lassen. Dialog, was ist das? Was können wir für die heutige Zeit, auch für das innerkirchliche Gespräch, aus dem lernen, was ein solch großer Denker dazu verfasst hat?
Es ist auch für uns alle eine Herausforderung, sich diesen großen Gedanken zu stellen. Aber sie werden zugleich heruntergebrochen. Und die Diskussion wird zeigen, welche Gedanken man für das eigene Gesprächsverhalten, Argumentieren und Handeln mitnehmen kann. Ich freue mich da sehr drauf!
DOMRADIO.DE: Sie betrachten es, ganz unabhängig von dieser Veranstaltungsreihe, als Hochschule für ihre Aufgabe, den Dialog und den theologischen Dialog in den größeren Kontext zu bringen. Wie versuchen Sie das denn sonst noch?
Ohly: Nun, zunächst dadurch, dass wir solche Veranstaltungen in der Hochschule initiieren, zu denen wir bewusst alle Interessierte einladen, um sehen zu können, wie bei uns Theologie gelehrt und zu ihr geforscht wird. Dann aber auch, indem meine Kollegen und ich Gäste in die Lehrveranstaltungen einladen, die als Expertinnen und Experten zu einem spezifischen Thema zu den Studierenden sprechen; und die dann auf deren Fragen antworten und auch wieder neue Fragen formulieren: Was bedeutet das Gesagte für den Glauben in der heutigen Zeit? Und natürlich, dass wir selbst durch Exkursionen und externe Veranstaltungen immer wieder den Blick über den Tellerrand richten.
Wir begreifen Dialog als beständiges Wandeln im Denken, als etwas zu Transportierendes, aber auch gleichzeitig als etwas zu Empfangendes. Es gibt ja die bemerkenswerte Aussage "Dialog als Wandeln in der Wahrheit". Das heißt, ich gehe immer davon aus, dass im Anderen, meinem Gesprächspartner, Wahrheit zugegen ist, sodass er mich in meinem Denken, meinem Forschen bereichert.
DOMRADIO.DE: Ihre Hochschule, die KHKT, wird nicht bloß kritisiert, sondern auch teilweise scharf angegriffen. Wie wirkt sich das auf den Studienbetrieb aus?
Ohly: Es lässt die Leute in der Hochschule natürlich nicht kalt. Deswegen sagen wir ja auch des Öfteren als Hochschulleitung, dass jeder, der über die Hochschule spricht, darüber nachdenken sollte, welche Wirkungen seine Worte auf die Menschen vor Ort in der KHKT haben können, konkret auf die Lehrenden, die Studierenden, die Mitarbeitenden.
Gleichzeitig muss ich sagen, dass bei uns in der Hochschule eine sehr gute, frohe und vertrauensvolle Atmosphäre herrscht. Man spricht viel miteinander. Die Studierenden sind präsent, sie kommunizieren viel miteinander und auch mit uns Lehrenden. Es gibt auch viele Fragen am Rande der Lehrveranstaltungen.
Es ist klar, solche Angriffe sind nicht schön. Das sind echte Herausforderungen. Gleichzeitig ist es aber auch ein Kennzeichen unserer Zeit, dass wir wie viele andere auch nicht unhinterfragt bleiben. Im Gegenteil, es ist ja auch eine Chance.
Gleichzeitig appelliere ich immer daran, lieber einmal bei uns vorbeizuschauen, unsere offenen Türen zu nutzen, mit den Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen. Ich glaube, da zeigt sich manches, was man sonst nicht sehen oder hören kann oder will.
DOMRADIO.DE: Die Finanzierung der Hochschule wird auch viel diskutiert. Für 2023 ist die gesichert. Wie blicken Sie denn danach in die Zukunft?
Ohly: Ich blicke mit großer Zuversicht in die Zukunft. Es wäre ja auch merkwürdig, wenn ich das nicht täte. Es ist unsere Aufgabe, weiterhin zu zeigen, dass das Profil der KHKT einzigartig ist und auf jeden Fall in der theologischen Ausbildungslandschaft zugegen sein muss. Unsere Studierendenzahlen belegen das nachdrücklich. Würde die KHKT nicht da sein, würde etwas in der theologischen Landschaft fehlen.
Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir gerade in der heutigen Zeit verschiedene Angebote im theologischen Bereich haben, die darauf Antwort zu geben versuchen. Ich bin und bleibe also sehr zuversichtlich.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.