Die Anschuldigungen könnten viele Jahre Haft bedeuten: Die Staatsanwaltschaft in Nicaragua wirft dem Bischof von Matagalpa, Rolando Alvarez, eine Verbreitung von Falschnachrichten und Verschwörung gegen den Staat vor.
Zudem muss der 56-Jährige, der zu einer international bekannten Figur des Widerstands gegen das sandinistische Regime aufgestiegen ist, weiter unter Arrest bleiben. Zuletzt durften immerhin noch Familie und Freunde den populären Geistlichen besuchen. Die Bedingungen sollen aber nun laut örtlichen Medienberichten verschärft werden.
Mit der nun offiziell erhobenen Anklage ist die nächste Eskalationsstufe im Konflikt zwischen der katholischen Kirche und der Regierung von Präsident Daniel Ortega und seiner Ehefrau und Stellvertreterin Rosario Murillo erreicht.
Seit Monaten werden mehr als ein Dutzend Geistliche in Gewahrsam gehalten; erst vor wenigen Tagen wurden zwei Journalisten des Bistums Matagalpa festgenommen, darunter der Leiter der Pressestelle, Manuel Antonio Obando Cortedano.
Druck auf Papst Franziskus wächst
Die drohende Verurteilung von Bischof Alvarez erhöht auch den Druck auf Papst Franziskus und Managuas Erzbischof, Kardinal Leopoldo Brenes. Dieser war erst vor wenigen Wochen im Vatikan und dürfte dem Kirchenoberhaupt aus Argentinien über die heikle Lage in Nicaragua berichtet haben.
Eine der prominentesten Stimmen, die vom Papst klare Worte dazu fordert, ist Bianca Jagger. Die in Managua geborene Menschenrechtsaktivistin und Ex-Frau von Rolling-Stones-Sänger Mick Jagger bekräftigte ihre Forderung an Franziskus, sich öffentlich hinter Alvarez und die anderen festgehaltenen Priester zu stellen.
"Der Weg eines Dialogs ist nicht gangbar mit einer Regierung, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht", erklärte Jagger jüngst. Genau diesen Weg des Dialogs würde der Papst aber gerne fortsetzen.
Klare Positionierung des Vatikans gefordert
Das nicaraguanische Zentrum für Menschenrechte (CENIDH) fordert ebenfalls eine klare Positionierung des Vatikans. Die Kirchenspitze müsse angesichts "der kriminellen Machenschaften des Regimes" ihre Position deutlich zum Ausdruck bringen. Kardinal Brenes hatte sich im Fall des festgesetzten Bischofs zuletzt mehrfach nur zurückhaltend geäußert.
UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk meldete sich am Donnerstag mit einer neuen Zahl zu Wort: Nach Erkenntnissen seines Büros sei die Zahl der Personen, "die willkürlich inhaftiert wurden, weil sie ihre politische Meinung geäußert oder als Kritiker der Regierung wahrgenommen wurden, von 195 im September auf heute 225 gestiegen". Dazu zählten offenbar auch Angehörige von politischen Häftlingen, um den Druck auf die Dissidenten zu erhöhen. Besonders die Haftbedingungen im berüchtigten Gefängnis El Chipote seien "unmenschlich", mit eingeschränktem Zugang zu medizinischer Versorgung, so Türk.
Unterstützung aus den USA
Derweil äußerte sich der sozialistische Machthaber Venezuelas, Nicolas Maduro, wohlwollend zur Lage in Nicaragua. Bei einem Treffen in Kuba bezeichnete er all jene Linksregierungen als "feige", die Menschenrechtsverletzungen in dem befreundeten mittelamerikanischen Land offen anprangerten. Damit dürfte vor allem Chiles Präsident Gabriel Boric gemeint gewesen sein, der sich immer wieder kritisch zu Repressionen in Venezuela und Nicaragua äußerte: "Wir müssen Menschenrechtsverletzungen verurteilen, egal von wem sie verübt werden", argumentiert Boric.
Unterstützung bekommen Bischof Alvarez und die anderen regimekritischen Geistlichen Nicaraguas indes aus den USA. Die Anklage gegen den Leiter des Bistums Matagalpa sei ein "zynischer Akt eines autoritären Staates", heißt es in einer aktuellen Protestnote des US-Außenministeriums. Alvarez sei "ein geistlicher Anführer für Millionen Nicaraguaner und ein Verfechter von Dialog und Versöhnung", so der Wortlaut des Schreibens; er repräsentiere "das Beste des nicaraguanischen Volkes".