Dompropst verrät Geheimnis zum Jubiläum des "dicken Pitters"

Eine zwölfte Glocke

"Es war ein anstrengendes Jahr", sagt der Kölner Generalvikar und Dompropst Guido Assmann. Er freut sich, dass nach den Corona-Jahren wieder mehr Menschen in den Dom kommen und blickt gespannt auf das Jubiläum des "dicken Pitters".

Die Petersglocke, der dicke Pitter, im Südturm des Kölner Doms (Archiv) / © Andreas Kühlken (KNA)
Die Petersglocke, der dicke Pitter, im Südturm des Kölner Doms (Archiv) / © Andreas Kühlken ( KNA )

DOMRADIO.DE: Der Kölner Dom blickt auf ein erfolgreiches, auf ein wunderbares Jahr zurück. Was fällt Ihnen ein, wenn Sie auf das vergangene Domjahr zurückblicken?

Guido Assmann / © Harald Oppitz (KNA)
Guido Assmann / © Harald Oppitz ( KNA )

Guido Assmann (Kölner Generalvikar und Dompropst): Natürlich das Domjubiläum. 700 Jahre Weihe des Chores und 700 Jahre Weihe des alten Altars, an dem bis zum heutigen Tag Messen gefeiert werden können. Für mich war es etwas ganz Besonderes, an diesem Tag, an dem vor genau 700 Jahren an diesem Altar die Messe gefeiert worden ist, an diesem Altar mit den Gläubigen die Messe feiern zu können.

Und: Corona ist nicht vorbei, aber es kommen wieder Menschen aus vielen Ländern der Welt in den Kölner Dom. Wir sind da mittlerweile wieder bei über 20.000, die am Tag kommen, gerade in der Adventszeit, an den Sonntagen. Das ist schon beeindruckend. Die Domschweizer sagen, endlich seien wieder Menschen da. Das ist einfach schön.

DOMRADIO.DE: Viele Menschen kommen in den Dom, um ihn zu besichtigen, um ihn zu sehen, um ihn zu erleben. Viele Menschen kommen aber auch, um Gottesdienst zu feiern. Wie sehen Sie diese Mischung?

Alte Kapitels- oder Brandglocke

Die "Alte Kapitels- oder Brandglocke" wurde 1621 gegossen, hat einen Durchmesser von 48 Zentimetern und wiegt etwa 70 Kilogramm. Der Heimatforscher Wilhelm Kaltenbach nahm in einem Beitrag über die Kölner Domglocken 1971 im Kölner Domblatt an, dass sie aus dem ehem. Klarenkloster am Römerturm stammt, welches 1807 abgebrochen wurde. Dies bezweifelte jedoch gut ein Jahrzehnt später der Kunsthistoriker und Glockensachverständige Martin Seidler in seiner Dokumentation des Domgeläuts.

Die Alte Kapitels- oder Brandglocke im Depot des Kölner Domes / © Jan Hendrik Stens (DR)
Die Alte Kapitels- oder Brandglocke im Depot des Kölner Domes / © Jan Hendrik Stens ( DR )

Assmann: Das ist die große Chance des Kölner Domes, dass so viele Menschen kommen, aus welchen Beweggründen auch immer. Die einen wirklich ausdrücklich zum Gottesdienstbesuch, die anderen, weil sie vom Kölner Dom als Touristen gehört haben.

Aber wo ist die Grenze? Jemand kommt und schaut sich dieses Gebäude an und kommt ins Staunen und zündet eine Kerze an, ein anderer kommt, um für einen Kranken zu beten, ein anderer bringt einen Besucher in den Dom. Ich glaube, Menschen, die mit diesem Gebäude in Berührung kommen und über die Größe und wunderbare Architektur staunen, die fragen sich vielleicht auch, warum Menschen das gebaut haben. Vielleicht kommen sie dann auch auf die Gottesfrage. Das würde mich natürlich besonders freuen.

DOMRADIO.DE: Trotzdem hat auch der Kölner Dom unter der Kirchenkrise zu leiden. Man merkt es vielleicht an dem einen oder anderen Sonntag, wenn der Dom nicht mehr ganz so voll ist. Inwiefern sehen Sie diese Kirchenkrise auch als Herausforderung?

Assmann: Es ist durch alle 2000 Jahre eine Herausforderung gewesen. Wie kann man den Auftrag Jesu in die Welt übertragen? Wie kann man die Botschaft Gottes, dass wir an einen Gott glauben, der uns Menschen liebt und der möchte, dass unser Leben gelingt und dass wir eine Perspektive haben, nämlich das ewige Leben vor Augen zu haben, in die Sprache der jeweiligen Zeit übertragen?

Da muss sich jede Generation fragen, wie wir das am besten tun können. Und dass Menschen, die mit ihren Sorgen und Problemen in ihrem Leben konfrontiert sind, hoffentlich im Kölner Dom durch Menschen, denen sie dort begegnen, durch die Feier der Gottesdienste Antworten auf die drängenden Fragen ihres Lebens bekommen und dann auch getröstet und gestärkt daraus herausgehen und sagen, an einen Gott zu glauben, der uns Menschen liebt, das habe ich hier erfahren und feiern dürfen. Wenn uns das gelingt, dann habe ich gar keine große Sorge vor der Zukunft.

DOMRADIO.DE: Der Zentral-Dombau-Verein hatte in diesem Jahr zum ersten Mal weniger Mitglieder. Aber der Kölner Dom kann doch für die Kölner Situation und für die Kirchenkrise gar nichts, oder?

Assmann: Hier kommen viele Aspekte zusammen. Nach der Corona-Pandemie leiden viele Vereine unter Mitgliederschwund. Natürlich freuen wir uns über jeden, der bleibt, über jeden, der dazukommt. Und ich lade einfach ein, mitzutun. Immerhin haben wir noch über 17.000 Mitglieder.

Ich glaube, da kann man nicht von einer Krise sprechen. Die Generationen vor uns haben diesen Dom gebaut. Es liegt jetzt an uns, den zu erhalten, damit die Menschen, die nach uns kommen, auch noch den Kölner Dom besuchen können, als Gottesdienstbesucher oder als Touristen.

DOMRADIO.DE: 2023 wird der "dicke Pitter", die große Petersglocke 100 Jahre alt. Wie wird das gefeiert?

Assmann: Auf jeden Fall wird das ein besonderes Fest. Ich weiß gar nicht, ob es eine andere Kirche in Deutschland gibt oder weltweit, die den Geburtstag einer Glocke feiert und herbeisehnt. Aber wir Kölner tun das natürlich.

Wir wollen dem "dicken Pitter" ein Geschenk machen, nämlich eine zwölfte Glocke in das Domgeläut einzufügen. Eine Glocke, die schon älter ist als der "dicke Pitter", die noch nicht im großen Geläut war, die aber zum Dom gehört. Die Aufhängung wird gerade vorbereitet, sodass wir hoffentlich am 5. Mai des kommenden Jahres, am Geburtstag des "dicken Pitters", diese zwölfte Glocke läuten können. Und ich glaube, der "dicke Pitter" wird sich freuen und wir Kölner können das hören, wenn der "dicke Pitter" dann läutet, dass er seine Freude darüber zum Ausdruck bringt.

DOMRADIO.DE: Wo kommt diese Glocke her?

Assmann: Es handelt sich um eine Glocke, die im früheren Klarissenkloster gehangen hat. Deswegen nennen wir sie auch die Klara-Glocke, ungefähr 400 Jahre alt.

Sie ist dann nach Auflösung des Klosters im Privatbesitz gewesen, dann aber zum Kölner Dom gekommen, hat eine Zeit lang schon auf einem kleinen Türmchen im Dom gehangen und zu den Kapitelsämtern geläutet. Sie hat deshalb auch den Namen Kapitelsglocke bekommen, wurde aber dann irgendwann wieder heruntergenommen, weil sie nicht zum großen Geläut eingefügt worden ist.

Sie lagerte jetzt hier noch im Bestand der Dombauhütte. Sie passt in das Glockengeläut und ist dann die zwölfte Glocke am Kölner Dom zum Geburtstag des "dicken Pitters".

DOMRADIO.DE: Sie sind Generalvikar, Sie sind Dompropst. Ein stressiges Jahr, das vergangene Jahr?

Assmann: Ja, ganz bestimmt. Aber ich sage, andere Leute arbeiten auch viel. Es war ein anstrengendes Jahr, ganz bestimmt. Die Situation um unsere Kirche gerade im Erzbistum Köln, aber weit darüber hinaus, erfordert immer wieder, darüber nachzudenken: Wie können wir doch zu der Botschaft kommen, die Jesus uns aufgetragen hat? Aber daran mitarbeiten zu dürfen, dass diese Botschaft auch gehört werden kann und dass Menschen, die mit uns als Vertreter der Kirche in Berührung kommen und sagen, diese Begegnung war gut, ist immer eine Herausforderung. Aber daran würde ich gern weiter mitarbeiten.

Das Interview führte Johannes Schröer.

Kölner Dom

Blick auf den Kölner Dom / © BalkansCat (shutterstock)
Blick auf den Kölner Dom / © BalkansCat ( shutterstock )

Der Kölner Dom ist eine der bedeutendsten Kirchen der Welt und die meistbesuchte Sehenswürdigkeit in Deutschland. Das Gotteshaus beherbergt die Reliquien der Heiligen Drei Könige, die Erzbischof Rainald von Dassel 1164 aus Mailand nach Köln brachte.

Der Grundstein für den gotischen Neubau an der Stelle mehrerer Vorgängerkirchen wurde 1248 gelegt; 1322 wurde der Chor geweiht. Mittelschiff, Querhäuser und Seitenschiffe der Kölner Bischofskirche folgten bis 1560. Dann stoppten die Querelen um die Reformation und Geldmangel den Baubetrieb.

Quelle:
DR