Marketing-Experte sieht in Kirche "Riesenpotential"

Vom Spiritualitätsboom profitieren

Kirchen haben nach Ansicht des Marketing-Experten Sebastian Kemmler ein Riesenpotenzial, sinnstiftend in der "Neuen Mitte" der Gesellschaft einzugreifen. Allerdings können Kirchen nicht auf die Maximen des Individualismus eingehen.

Herz aus zwei Händen (shutterstock)

"Dafür müsste sie sich öffnen, Kollaborationen eingehen und kommunikativ neue Wege einschlagen", sagte er im Interview mit dem KNA Mediendienst. Sein Eindruck sei jedoch, dass die Kirchen die Hinwendung in die Sozialen Medien komplett verschlafen hätten und immer noch sehr traditionell kommunizierten.

Potential noch nicht ausgeschöpft

Der Blick in die Zukunft zeige, dass das Bedürfnis nach Spiritualität und echtem sozialen Zusammenhalt weiter wachsen werde, fügte Kemmler hinzu, der in Berlin eine Kreativagentur leitet: "Wir sehen eine Bildschirmmüdigkeit: Menschen sind übermüdet im digitalen Raum und voller Sehnsucht nach physischen, realen Erlebnissen." Mit ihren "unglaublichen Räumlichkeiten" habe die Kirche hier eine sehr große Chance. "Sie können die Kirchen als Häuser der Stille, meditative und gemeinschaftliche Orte nutzen. Dieses Potenzial wird noch gar nicht ausgeschöpft", so Kemmler weiter.

Die Kirchen könnten die Idee nutzen, den digitalen Raum wieder in reale Erlebnisse zu verlängern. So habe sich beispielsweise auch die Musikindustrie weg von CDs hin zu Streams komplett digitalisiert. Gleichzeitig boome das Konzertgeschäft. "Der Stream ist die Brücke zu den Konzerten. Diese Mechanik müsste die Kirche sich zu eigen machen", so der Kreativ-Experte.

Kirche profitiert nicht vom Spiritualitätsboom

In der Kirche sei es immer um ein soziales Erleben gegangen, ein gemeinsames Erfahren von Spiritualität. "Wir beobachten daher, dass die Kirchen deswegen von dem Spiritualitätsboom überhaupt nicht profitieren, weil sie nicht auf diese Maxime des Individualismus eingehen und auch nicht eingehen können", ergänzte Kemmler. Auf der anderen Seite sei das die große Stärke der Kirchen, denn es gebe gewisse Grundregeln und diese seien verbindlich für alle.

"Das finale Bild der individualisierten Gesellschaft ist das Metaverse, in dem alle nur noch allein mit einer Brille sitzen, abgeschottet von der Umwelt. Das könnte der Alptraum der Gesellschaft sein", resümierte Kemmler. Hier sehe er eine riesige Chance für die Kirche, "sozial verstandene Spiritualität wieder modern zu machen".

Quelle:
KNA