Misereor ordnet Lulas Amtsantritt in Brasilien ein

"Mit großen Erwartungen vorsichtig sein"

In Brasilien ist der neue Präsident Lula da Silva vereidigt worden. Er hat angekündigt, den Amazonas zu schützen. Aus Deutschland kam ranghoher Besuch. Das sind alles gute Zeichen, glaubt Stefan Kramer von Misereor.

Luiz Inacio Lula da Silva, der neue brasilianische Präsident, seine Frau Rosangela Silva (2. v. l.), Geraldo Alckmin der neu gewählte Vizepräsident von Brasilien, und seine Frau Maria Lucia Ribeiro (2. v. r.) / © Andre Penner (dpa)
Luiz Inacio Lula da Silva, der neue brasilianische Präsident, seine Frau Rosangela Silva (2. v. l.), Geraldo Alckmin der neu gewählte Vizepräsident von Brasilien, und seine Frau Maria Lucia Ribeiro (2. v. r.) / © Andre Penner ( dpa )

DOMRADIO.DE: Deutschland gibt Finanzhilfen in Höhe von 35 Millionen Euro für den brasilianischen Regenwald wieder frei, die unter Lulas Vorgänger Bolsonaro eingefroren wurden. Die Bundesregierung setzt große Hoffnungen auf Lula. Sie von Misereor auch?

Stefan Kramer (Leiter der Misereor-Verbindungsstelle in der Hauptstadt Brasília): Ja, auf jeden Fall. Wir setzen große Hoffnungen auf Lula und seine Regierung und darauf, dass jetzt wieder ein Wandel kommt. Und das nicht nur in Sachen Amazonas-Schutz, sondern auch im Bereich Menschenrechte, Hunger, extreme Armut, Diskriminierung, Rassismus.

Wir hoffen, dass es in den Bereichen große Veränderungen geben wird. Aber insbesondere im Amazonas gehe ich davon aus, dass wir es mit Lula schaffen werden, einen anderen Weg einzuschlagen.

Stefan Kramer, Leiter der Misereor-Verbindungsstelle in der Hauptstadt Brasília

"Enttäuschung ist vorprogrammiert, wenn man große Erwartungen hat"

DOMRADIO.DE: Was ist das für ein Zeichen, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Umweltministerin Steffi Lemke gleich am Anfang seiner Amtszeit zu Lulas Vereidigung nach Brasilien gereist sind?

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit dem brasilianischen Präsidenten Luis Inacio Lula da Silva nach dessen Amtseinführung im Präsidentenpalast in Brasilia / © Guido Bergmann/Bundesregierung (dpa)
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit dem brasilianischen Präsidenten Luis Inacio Lula da Silva nach dessen Amtseinführung im Präsidentenpalast in Brasilia / © Guido Bergmann/Bundesregierung ( dpa )

Kramer: Ich habe das live miterlebt, die Beglückwünschung durch Herrn Steinmeier miterlebt und es war zu spüren, dass es eine ganz besondere Energie  zwischen der deutschen Kooperation und Brasilien gibt.

Es ist schon eine Reise von unserem Bundeskanzler geplant. Noch im Januar, im Februar soll die Außenministerin kommen. Es sind die Zeichen für eine sehr enge Zusammenarbeit gesetzt, insbesondere beim Schutz des Amazonas, aber auch bei der Rückgewinnung von degradierten Flächen, die es im Amazonas und in anderen Regionen haufenweise gibt.

DOMRADIO.DE: Ex-Präsident Bolsonaro hat die Abholzung des Regenwaldes vorangetrieben. Wird Lula da Silva jetzt das Ruder rumreißen können oder ist da Enttäuschung schon vorprogrammiert?

Kramer: Enttäuschung ist vorprogrammiert, wenn man große Erwartungen hat. Ich glaube mit großen Erwartungen sollte man sehr vorsichtig sein. Wir kommen aus vier extremen Jahren in Brasilien.

Entwicklung oder Rückentwicklung brauchen Zeit. Gerade wenn man den Amazonasregenwald zurückgewinnen will. Bäume brauchen lange zum Wachsen. Es es ist ein Prozess, der Zeit und Geduld benötigt. Im Amazonas braucht es eventuell sogar ein bisschen länger.

Ich gehe aber davon aus, dass mit der internationalen Unterstützung, mit der wir in Brasilien rechnen, tatsächlich große Schritte in diese Richtung gemacht werden.

Stefan Kramer, Leiter der Misereor-Verbindungsstelle in der Hauptstadt Brasília

"Er scheint auf jeden Fall bestimmte Dinge verstanden zu haben. Unter anderem, dass wir den Amazonas hier schützen müssen und um den Amazonas zu schützen, müssen wir die Indigenen schützen, weil sie die Beschützer des Waldes sind"

DOMRADIO.DE: Lula da Silva hat vor allen Dingen versprochen, dass er den Regenwald schützen will. Wie war das denn in seinen früheren Amtszeiten? War er da auch so engagiert in Umweltfragen?

Kramer: Nein, das kann man nicht sagen. Nicht, dass er sich nicht um die Umwelt gekümmert hat, aber nicht in dem Maße, in dem er es jetzt plant.

Man merkt jetzt schon in dieser Zeit vor der Amtsübernahme, dass es bei Lula eine Veränderung gegeben hat. Vielleicht steht das im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Er scheint auf jeden Fall bestimmte Dinge verstanden zu haben. Unter anderem, dass wir den Amazonas schützen müssen. Und um den Amazonas zu schützen, müssen wir die Indigenen schützen, weil sie die Beschützer des Waldes sind.

DOMRADIO.DE: Lula hat angekündigt, dass es ein Ministerium für die indigenen Völker des Landes geben wird.

Luiz Inacio Lula da Silva,  Präsident von Brasilien, lächelt neben Sonia Guajajara, künftige Ministerin für indigene Völker / © Eraldo Peres (dpa)
Luiz Inacio Lula da Silva, Präsident von Brasilien, lächelt neben Sonia Guajajara, künftige Ministerin für indigene Völker / © Eraldo Peres ( dpa )

Kramer: Wir finden das sehr gut. Ich kenne Sônia Guajajara persönlich. Sie wird jetzt zur ersten Ministerin des neu geschaffenen Ministeriums ernannt.

Ich muss noch dazu sagen: Es ist nicht nur ein Ministerium eingerichtet worden, sondern auch die indigene Behörde FUNAI (Anm. d. Red.: Fundação Nacional do Índio), die so wichtig für die brasilianischen Indigenen ist. Sie wurde auch von einer Indigenen besetzt, Joênia Wapixana.

Ich gehe davon aus, dass diese Kombination sehr interessante neue Entwicklungen hervorbringen wird. Es wird auf jeden Fall spannend, da so hohe Ämter von Indigenen selbst besetzt werden.

Stefan Kramer, Leiter der Misereor-Verbindungsstelle in der Hauptstadt Brasília

"Es wird auf jeden Fall spannend, jetzt da so hohe Ämter von Indigenen selbst besetzt werden"

DOMRADIO.DE: Zu Lulas ersten Amtshandlungen gehört, dass er der Beisetzung von Pelé beiwohnt, dessen Sarg im Stadion des FC Santos aufgebahrt ist und der in einem Trauerzug zu seiner letzten Ruhestätte getragen werden soll. Was ist das für ein Tag für Brasilien, dieser Abschied dieser Fußball-Legende? Wie erleben Sie das?

Kramer: Mir kribbelt die Haut, weil es tatsächlich ein großer Tag ist. Es ist natürlich ein Tag der Trauer, aber es ist auch ein Tag der Feier. Was Pelé als Mensch Brasilien gebracht hat, kann man, glaube ich, gar nicht vergleichen. Was er als Fußballspieler, als Mensch, als Figur, immer mit einem herzlichen Lächeln geleistet hat, ist schon was ganz Besonderes. Wir verabschieden uns von einem wirklich großen Menschen heute in Brasilien.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Lula da Silva

An Neujahr übernimmt der Ex-Gewerkschaftsführer, Ex-Präsident und Ex-Häftling Luiz Inacio Lula da Silva für die nächsten vier Jahre die Regierung in Brasilien. Der aus ärmlichen Verhältnissen stammende ehemalige Metaller hatte die Stichwahl Ende Oktober knapp gegen Amtsinhaber Jair Messias Bolsonaro (67) gewonnen.

Luiz Inacio Lula da Silva, Präsident von Brasilien / © Bruna Prado (dpa)
Luiz Inacio Lula da Silva, Präsident von Brasilien / © Bruna Prado ( dpa )
Quelle:
DR