Herausforderungen zum Machtwechsel in Brasilien

Bolsonaro geht, Lula kommt

Vier Jahre lang hat der Rechtspopulist Jair Messias Bolsonaro Brasiliens Politik auf den Kopf gestellt. Das angeschlagene Land wieder aufzurichten, wird keine leichte Aufgabe.

Autor/in:
Thomas Milz
Luiz Inacio Lula da Silva bewirbt sich um die Wiederwahl in Brasilien 2022 / © Silvia Izquierdo (dpa)
Luiz Inacio Lula da Silva bewirbt sich um die Wiederwahl in Brasilien 2022 / © Silvia Izquierdo ( dpa )

Auf Brasilien wartet ein großes Fest: 300.000 Anhänger der linken Arbeiterpartei PT (Partido dos Trabalhadores) werden an Neujahr im Regierungsviertel von Brasilia zum Amtsantritt von Luiz Inacio Lula da Silva erwartet. Bereits von 2003 bis 2010 regierte der ehemalige Gewerkschaftsführer das Land; Ende Oktober wurde er für vier weitere Jahre gewählt.

Das sonst eher trockene Zeremoniell mit der Parade in historischen Uniformen und der Übergabe der grün-gelben Schärpe soll diesmal ein Ausrufezeichen setzen: Lula ist zurück, und Brasilien sei damit wieder auf Kurs.

Lula da Silva

An Neujahr übernimmt der Ex-Gewerkschaftsführer, Ex-Präsident und Ex-Häftling Luiz Inacio Lula da Silva für die nächsten vier Jahre die Regierung in Brasilien. Der aus ärmlichen Verhältnissen stammende ehemalige Metaller hatte die Stichwahl Ende Oktober knapp gegen Amtsinhaber Jair Messias Bolsonaro (67) gewonnen.

Luiz Inacio Lula da Silva, Präsident von Brasilien / © Bruna Prado (dpa)
Luiz Inacio Lula da Silva, Präsident von Brasilien / © Bruna Prado ( dpa )

Seine 21 Jahre jüngere Ehefrau Rosangela "Janja" da Silva hat die Party organisiert. Eine Reihe renommierter Künstler sorgen für den musikalischen Rahmen, Essensstände für das leibliche Wohl. 10.000 Souvenir-Pakete für umgerechnet 20 Euro werden angeboten, inklusive T-Shirt, Badetuch und Trinkbecher - alles mit Lulas lächelndem Konterfei. "Lulas Amtsantritt - ich war dabei!", lautet die Frohbotschaft.

Wegen Korruption und Geldwäsche im Gefängnis

Dabei liegen harte Zeiten hinter Lula, seiner Arbeiterpartei und dem ganzen Land. 2016 war die von Lula zu seiner Nachfolgerin auserkorene Dilma Rousseff vom Kongress aus dem Amt gewählt worden. Die PT war in den Fokus von Korruptionsermittlungen geraten, die dann auch Lula als ersten Präsidenten Brasiliens wegen Korruption und Geldwäsche im April 2018 für 580 Tage ins Gefängnis brachten. Der Stern des Ausnahmepolitikers schien endgültig verglüht.

Dank des inhaftierten Lula konnte Jair Messias Bolsonaro die Wahlen Ende 2018 gewinnen, ein ehemaliger Militär und Anhänger der Diktatur (1964-1985), der bis dahin nur als wütender Hinterbänkler auf sich aufmerksam gemacht hatte. Dass er im Oktober 2018 triumphierte, verdankte er auch einem Mordanschlag auf ihn. Seine evangelikalen Wähler deuteten sein Überleben als ein Zeichen Gottes.

Sein Mandat verlief weniger göttlich. Die Versprechen, das Land von Korruption zu befreien und wirtschaftlich aufzurichten, erfüllte er nicht. Der Rechtspopulist versagte im Kampf gegen die Corona-Pandemie, die 700.000 Brasilianer das Leben kostete. Die Politik des Augen-Zudrückens beim Umweltschutz verspielte Brasiliens grünes Image weltweit, und rund um den Bolsonaro-Clan häuften sich Korruptionsskandale.

Leere Staatskassen und wütende Bolsonaro-Anhänger

Auch wirtschaftlich herrscht Enttäuschung; Bolsonaro hinterlässt leere Staatskassen. Lula hat bereits mit dem Kongress über eine Aussetzung der Schuldenbremse verhandelt, um seine Wahlkampfversprechen aufgestockter Sozialprogramme zu realisieren. Die Finanzmärkte reagierten nervös auf Lulas neue Spendierhosen; die Kurse gaben nach.

Während die Finanzwelt misstrauisch ist, sprechen Millionen Bolsonaro-Anhänger Lula schlicht die Legitimität ab. So sei die Annullierung von Lulas Verurteilungen wegen Befangenheit von Richtern und Staatsanwälten Teil eines Komplotts gegen Bolsonaro, glauben sie. Dahinter stecke das Oberste Gericht.

Bolsonaro hatte mehrfach zum Sturz der Richter aufgerufen, die gegen seine Anhänger und seine Söhne wegen Fake-News-Kampagnen ermitteln. So war Bolsonaros Amtszeit durch ständige Konflikte mit dem Obersten Gericht gekennzeichnet. Der selbsternannte Polit-Outsider flirtete bis zuletzt mit einem Putsch gegen die Verfassungsrichter.

Zudem war spekuliert worden, dass Bolsonaro seinem Idol Donald Trump auch darin nachfolgen und Widerstand gegen Lulas Machtübernahme leisten könnte. Seit der verlorenen Wahl Ende Oktober fordern Tausende seiner Anhänger landesweit vor den Kasernen das Militär auf, Lulas Amtsantritt zu verhindern. Der Ex-Präsident gehöre ins Gefängnis, und nicht in den Präsidentenpalast.

Luis Inácio Lula da Silva und Jair Bolsonaro (r.) / © Isaac Fontana (shutterstock)
Luis Inácio Lula da Silva und Jair Bolsonaro (r.) / © Isaac Fontana ( shutterstock )

Bolsonaro will das Land verlassen

So wird Bolsonaro am Sonntag nicht die Präsidentenschärpe an Lula übergeben. Offenbar will er am Freitag das Land Richtung Florida verlassen. Seit Lulas Sieg meidet Bolsonaro die Öffentlichkeit; über Wochen verließ er den Palast nicht. Auch hat er bislang Lulas Sieg nicht anerkannt. Dass Bolsonaro, wie kolportiert wurde, als Oppositionsführer in Brasilia bleibt, scheint längst ausgeschlossen; zumal er nun die Justiz wegen seiner Verfehlungen während der Pandemie fürchten muss.

In Bolsonaros Abwesenheit dürften die rechtskonservativen Gouverneure der drei großen Teilstaaten Sao Paulo, Rio de Janeiro und Minas Gerais an Macht gewinnen. Zudem stellen rechte und ultrarechte Parteien die Mehrheit im Kongress. Lula wird es schwerfallen, die dringend benötigten Mittel für Soziales und Bildung genehmigt zu bekommen. Unter Bolsonaro ist der Hunger zurückgekommen; 33 Millionen Brasilianer sind betroffen.

Lulas Mantra ist, in seinem dritten Mandat alles besser zu machen. Doch anders als bei seinem ersten Amtsantritt 2003 kann er jetzt weder auf einen Boom der Rohstoffexporte noch auf eine brummende chinesische Wirtschaft setzen. Beides half ihm damals, Brasiliens Wachstumsmotor anzuwerfen und Millionen Jobs zu schaffen. Mit 87 Prozent Zustimmung schied er 2011 aus dem Amt. Diese Zeiten sind vorbei. Ende Oktober siegte er denkbar knapp mit 50,9 Prozent gegen Bolsonaro. Vor Lula liegt ein gespaltenes Land.

Quelle:
KNA
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