DOMRADIO.DE: Wie war die Session im letzten Jahr?
Christoph Kuckelkorn (Präsident des Festkomitees Kölner Karneval): Das war eine Session, in der schon ein bisschen mehr ging als in der davor. Man hat schon wieder ein paar Veranstaltungen gehabt. Erst mal ganz, ganz verhalten. Gegen Ende der Session ging dann doch wieder mehr. Die Menschen haben sich mehr getraut und wir haben den Anfang der letzten Karnevalswoche normal erlebt.
Dann kam die Kriegserklärung und damit war auch erstmal der Karneval öffentlich nicht mehr so akzeptiert und hat auch nicht mehr so stattgefunden.
Trotzdem haben wir Karnevalisten den Rest der Session noch ganz gut mit einer anderen Stimmung gefeiert. Wir haben von da an alle Veranstaltungen in das Zeichen des Friedens gestellt und das hat dann auch ganz gut funktioniert.
Egal, ob man am Tanzbrunnen gefeiert hat ob wir am Ende am Rosenmontag dann die große Friedensdemonstration hier in Köln hatten.
DOMRADIO.DE: Und jetzt sind wir mit dem Motto aus einem alten Emil-Jülich-Lied von 1905 zurück: "Ov krüzz oder quer". Das "Festordnende Comité von 1823 e.V. wird 200 Jahre alt, genau wie die großen Traditionsgesellschaften. Was bedeutet diese Session jetzt für alle Beteiligten?
Kuckelkorn: Es ist ein Neustart. Ich glaube, wir müssen uns neu sortieren. Viele Gesellschaften haben sich hinterfragt, haben sich mal neu aufgestellt. Wir wollen wieder zurück zur Normalität. Wir merken aber: Ganz viele Menschen mögen gar nicht so rechtzeitig Tickets kaufen. Die kaufen die auf die letzte Minute. Deswegen sind wir alle etwas nervös.
Aber im Großen und Ganzen freuen wir uns darauf, dass wir den nächsten Schritt Richtung Normalität tun, weil jetzt wieder Veranstaltungen ganz normal, wie wir sie kennen, stattfinden können.
DOMRADIO.DE: An diesem Mittwoch um 18.30 Uhr gibt es im Hohen Dom zu Köln einen ökumenischen Gottesdienst für Kölner Karnevalisten, sogar schon zum 16. Mal. Was ist das besondere an so einer Gottesdienstfeier?
Kuckelkorn: Der Einstieg in die Session auf diese spirituelle Art ist für uns unglaublich wichtig. Kirche und Karneval sind ganz fest miteinander verbunden. Alleine schon das Zeitfenster, das Ende am Aschermittwoch und dann der Eintritt in die österliche Fastenzeit sind ganz deutliche Zeichen.
Wir haben seit vielen Jahren beschlossen, dass wir genau das als Statement auch zeigen wollen, dass wir eine Session auch mit einem Gottesdienst eröffnen. Wir freuen uns total, dass das ökumenisch möglich ist, denn damit wird es offener und freier und jeder Kölner hat Zugang.
Das ist eine großartige Veranstaltung, wenn alle im Dom sind. Der Dom, herrlich bunt, ist total voll, wie an Weihnachten. Aber alle im Kostüm, in der Uniform, das ist schon ein ganz besonderes Erlebnis.
DOMRADIO.DE: Das Dreigestirn kommt dann auch mit Prinz Boris, dem ersten Bauer Marco und Jungfrau Agrippina aus dem Traditionskorps der Roten Funken. Diese drei spielen, obschon noch nicht proklamiert, auch in diesem Gottesdienst eine Rolle. Welche?
Kuckelkorn: Ja, die haben eine Rolle, genau wie das Kinderdreigestirn, das wir dann auch vorstellen. Das Kinderdreigestirn wird eine Kerze anzünden, die die Kinder selber gebastelt haben. Eine sehr, große Kerze. Man kommt da gar nicht so richtig ran, wenn man die anzünden will, aber die muss ja auch die ganze Session brennen. Und das große Dreigestirn wird mit dem kleinen Dreigestirn die Fürbitten lesen.
DOMRADIO.DE: Die drei haben auch ein Grußwort geschrieben zu diesem Gottesdienst mit den Karnevalisten. Da zitieren sie aus dem Paulusbrief an die Galater. Da steht: "Es gibt nicht mehr Juden noch Griechen, nicht mehr Sklaven, noch Freie, nicht mehr männlich, noch weiblich, denn ihr seid alle einer in Christus." Wo ist die Parallele zum Karneval?
Kuckelkorn: Das ist genau die Parallele im Karneval: Unter der Maske sind wir alle gleich. Es zählt nicht, wo man herkommt. Es zählt nicht, was man glaubt. Es zählt nicht, was man im normalen Leben ist.
Unter der Maske feiern wir gemeinsam. Und das ist das Schöne, was wir jedes Jahr hier in dieser Stadt üben. Das wirkt sich natürlich sehr auf die Kultur unseres Zusammenlebens aus.
DOMRADIO.DE: Natürlich wird kräftig gesungen. "Nun freut euch, ihr Christen" zum Einzug oder auch: "Großer Gott, wir loben dich." Aber gibt es dann auch "Ov krüzz oder quer"?
Kuckelkorn: "Ov krüzz oder quer" hören wir nicht, aber natürlich hören wir kölsche Musik. Und wenn am Ende des Gottesdienstes sich alle in den Armen liegen und den Stammbaum singen, dann ist wirklich klar, dass wir hier im Dom das Zentrum nicht nur unseres Glaubens, sondern auch unserer Stadt haben.
DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich und stellvertretend fürs ganze Festkomitee und allen Karnevalisten am meisten für diese jetzt beginnende Session? Sie hat ja am elften im elften schon begonnen. Aber jetzt geht es so richtig los.
Kuckelkorn: Ich wünsche mir, dass die Menschen wieder Mut haben, zusammenzukommen, dass sie dazu stehen, dass wir gemeinsam etwas erleben. Das ist im Karneval ganz wichtig. Ich wünsche mir, dass hier in der Karnevalszeit vielleicht auch der Gedanke, dass uns Frieden in der Welt wichtig ist, von hier aus ausgesendet wird.
Vielleicht beeinflusst das den einen oder anderen in seiner Entscheidung. Ich würde mir sehr wünschen, wenn wir in naher Zukunft wieder Frieden in Europa hätten.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.
Information der Redaktion: DOMRADIO.DE überträgt im den ökumenischen Gottesdienst zur Eröffnung der Karnevalssession mit Domdechant Robert Kleine am 04.01.2023 um 18:30 Uhr live im Internet-TV.