DOMRADIO.DE: Wie war der Gottesdienst für den verstorbenen Joseph Ratzinger?
Ingo Brüggenjürgen (DOMRADIO.DE-Chefredakteur): Das war alles würdig und recht, um in der Liturgiesprache zu bleiben. Es war ein schlichter und einfacher Gottesdienst, so wie Benedikt XVI. es sich gewünscht hatte. Es waren über 100 Kardinäle und 400 weitere Bischöfe anwesend. Rund 4.000 Priester haben mit zelebriert und es waren zahlreiche Ordensleute da.
Heute kamen viele Teile der Welt in Rom zusammen und es ergab sich ein buntes Bild. Allerdings war der große Petersplatz nur gut halbvoll. Die Zahl von 60.000 Menschen, die im Vorfeld genannt wurde, erscheint mir doch deutlich zu hoch gegriffen.
Dafür waren zahlreiche hohe Vertreter aus der Politik da. Aus Deutschland waren alle Spitzen der fünf Verfassungsorgane vertreten, also Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzler Olaf Scholz, die Präsidenten von Bundesrat, Bundestag und Bundesverfassungsgericht.
Auch die bayerische Fraktion konnte sich sehen lassen, vom Ministerpräsidenten Markus Söder angeführt bis zu den Gebirgsschützen. Es war also alles da, was einfach zu Benedikt gehört: Heimat, Politik und Gebirgsschützen.
DOMRADIO.DE: Worüber hat Papst Franziskus gepredigt? Gab es eine bestimmte Botschaft an die Gläubigen?
Brüggenjürgen: Entscheidend fand ich den Schlusssatz. Franziskus sagt fast liebevoll: "Benedetto, du treuer Freund des Bräutigams Jesus Christus, mögest du nun die verdiente, vollkommene Freude erfahren, wenn du die Stimme Jesu Christi endgültig und für immer hörst." Damit hat Franziskus noch einmal die große christliche Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass wir alle am Ende bei Gott eine Wohnung haben, die für uns eingerichtet ist.
Die Predigt des Papstes war eine einfache Predigt. Sie war nicht groß verschachtelt. Er hat sich den Worten Jesu bedient und gesagt: "Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist". Das ist das Grundvertrauen, in dem auch Ratzinger immer gelebt hat. Dieses Vertrauen hat Franziskus den Gläubigen nochmal ans Herz gelegt.
DOMRADIO.DE: Wie verändert sich das Pontifikat von Franziskus durch den Tod Benedikts?
Brüggenjürgen: Es wird sich was ändern. Das glaube ich schon, auch wenn es nur im Unterbewusstsein passiert. Franziskus hat bisher seinen eigenen Weg beschritten und eigene Akzente gesetzt. Zum Beispiel mit der Weltsynode, auf die er die Kirche mit seinem großen Engagement für den Klimaschutz mit seiner Enzyklika "Laudato si" geschickt hat oder indem er sich immer wieder an die Ränder, zu den Armen, zu den Flüchtlingen gewandt hat.
Franziskus ist schon zu Lebzeiten Benedikts konsequent seinen eigenen Weg gegangen. Aber es wird schon etwas anderes sein, wenn sein Vorgänger nicht mehr wenige Meter quasi Tür an Tür im Garten lebt.
Ich denke, dass Franziskus jetzt noch ein wenig befreiter aufspielen kann, neue Perspektiven für sich entdeckt und diese Wege auch noch tatkräftig einschlagen will. Von Amtsmüdigkeit habe ich in den letzten Tagen hier nichts verspürt.
DOMRADIO.DE: Was bleibt denn von Papst Benedikt XVI. in Erinnerung?
Brüggenjürgen: Was auf jeden Fall bleibt, sind die vielen persönlichen Begegnungen, die die Menschen im Laufe seines langen Lebens mit Joseph Ratzingers gemacht haben. Die werden in Erinnerung bleiben und prägen. In diesen Momenten konnte er als Mensch überzeugen.
Benedikt hatte zwei Facetten. Zum einen eine Dienende. Das wurde zum Beispiel bei seiner Papstwahl 2005 deutlich, als er auf die Loggia des Petersdomes trat und sagte: "Ich bin nur ein einfacher Arbeiter im Weinberg des Herrn".
Da hat er sein Licht unter den Scheffel gestellt, denn er war ein Professor und ein großartiger Theologe, der das Zweite Vatikanum mitgeprägt hat.
Die zweite Facette war für mich aber immer entscheidender. Auch als Papst Benedikt konnte er sich noch mit einer einfachen Kerze vor die Gottesmutter knien und tief in das Gebet versinken, wie bei seinem Besuch in Altötting. Diese beiden großen Facetten hat Joseph Ratzinger gut zusammengebracht.
Kirchengeschichtlich wird sicherlich sein Rücktritt in Erinnerung bleiben, was so der Kirche eine ganz neue Perspektive eröffnete. Ein Rücktritt aus freien Stücken, souverän und vor dem eigenen Gewissen verantwortet. Damit hat er deutlich gemacht, dass Amt und Person sehr wohl getrennt werden können und dass Rücktritte auch in der katholischen Kirche möglich sind.
Das Interview führte Florian Helbig.