DOMRADIO.DE-Chefredakteur berichtet aus Rom

Benedikt XVI. to go - Ein Abschied im Vorbeigehen

Frühmorgens in der Schlange stehen für einen Abschiedsgruß an einen aufgebahrten Papst? Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen hat es getan und berichtet von einer eher speziellen Massenabfertigung der Trauernden.

Gläubige stehen auf dem Petersplatz (dpa)
Gläubige stehen auf dem Petersplatz / ( dpa )

Es ist kurz nach halb sieben in der Frühe, als ich mich in die Schlange vor den Sicherheitskontrollen einreihe. In Fünfer- und Sechserreihen warten hier Gläubige aus aller Welt, um Joseph Ratzinger die letzte Ehre zu erweisen. Es ist noch düster - doch weiter vorne bringen die Scheinwerfer an den Sicherheitsschleusen Licht in das Dunkel. Ich erkenne indische Ordensschwestern, spanische Priesteramtskandidaten, Franziskanerinnen aus Deutschland, einen wohlbeleibten Prälaten mit US-Flagge, italienische Familien mit ihren Kindern auf dem Arm... Eben die große Vielfalt der katholischen Weltkirche, wie die verschiedenen Sprachen verraten. Geredet wird nur leise oder im Flüsterton.

Menschen verabschieden sich von Papst em. Benedikt XVI. und beten vor seinem aufgebahrten Leichnam / © Ingo Brüggenjürgen (DR)
Menschen verabschieden sich von Papst em. Benedikt XVI. und beten vor seinem aufgebahrten Leichnam / © Ingo Brüggenjürgen ( DR )

Kleriker - vom jungen südamerikanischen Kaplan bis zum ergrauten Weihbischof - sind besonders stark vertreten. Wie viele von ihnen erinnern sich wohl gerade jetzt wieder an ihre ganz eigenen Bezugspunkte zum Verstorbenen? Kaplan, Priester, Professor, Erzbischof, Kurienkardinal, Papst und Papa Emeritus - bei so einer lebenslangen katholischen Vorzeigelaufbahn lassen sich die vielen Begegnungen nicht zählen. Aber jeder, der hier heute früh, am Tag vor der Beerdigung, in der Schlange steht, um Benedikt XVI. ein letztes 'Good Bye' zu sagen, hat seine ganz persönliche Erinnerung. Seinen ganz eigenen Moment: Eine beeindruckende Predigt, eine leicht kricklige Widmung in einem der vielen Bücher - oder ein Segenswunsch, der in Erfüllung gegangen ist ... Der Papa Emeritus, den die Italiener noch immer liebevoll Papa Professore nennen, hat viele Spuren hinterlassen. 

Krippe und Weihnachtsbaum stehen noch

Den strengen Blicken von Polizei und Sicherheitskräften entgeht nichts. Ich muss mein Mikrophon auseinanderschrauben und meinen Presseausweis vorzeigen - dann bin auch ich auf dem wunderbaren Peterplatz, den gerade die ersten Sonnenstrahlen in warmes Licht tauchen. Morgens um sieben ist hier die Welt heute nur noch halb in Ordnung. Da es mehrere Sicherheitsschleusen an verschieden Seiten gibt, strömen die Frühaufsteher jetzt eilig an der hell erleuchteten Krippe und am großen Weihnachtsbaum vorbei, um möglichst schnell in die Schlange zu kommen, die sich vor den Treppen vor St. Peter gebildet hat.

Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen in Rom (DR)
Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen in Rom / ( DR )

Auf dem Platz selber werden Stühle positioniert und Handwerker sägen an einer Bühne. Morgen zum Requiem werden gut 100.000 Gläubige erwartet. Mit einem Hebekran werden Befestigungen über dem Portal positioniert, durch das ich jetzt dichtgedrängt in St. Peter eintrete.

Gedenkzettel für alle 

Hier bekommt jede und jeder einen kleinen schlichten Totenzettel in die Hand gedrückt: Ein Foto von Papst Benedikt XVI. mit seiner ganz persönlichen Unterschrift. Es sieht aus, als ob man die Gedenkzettel noch irgendwo im Archiv gehabt hat und jetzt großzügig verteilt. Der große Dom ist ganz leer - nur Absperrungen am Mittelgang weisen den Weg zum aufgebahrten Leichnam. Es ist still - aber richtige Andacht fällt schwer, da viele Ordner hier keinen noch so kurzen Aufenthalt zulassen. "Prego, prego - Grazie!" das klingt zwar höflicher als "Avanti, Avanti!!! - bewirkt aber eben, dass man nicht kurz innehalten kann. Die Zeit reicht maximal für eine kleine Verbeugung. Da wundert es nicht, dass viele, die hier einen letzten Blick auf den Verstorbenen werfen können, ihre Handys zücken, um diesen Moment festzuhalten. Einen Moment den sie alle nicht vergessen wollen. So wie sie diesen einfachen Arbeiter im Weinberg des Herrn, Joseph Ratzinger nicht vergessen werden.

Schlangen im Petersdom (DR)
Schlangen im Petersdom / ( DR )

Hinten im Chor, hinter dem großen Hauptaltar, wird ein Gottesdienst gefeiert. Mehrere Bischöfe stehen um den Choraltar. Ich suche mir jetzt einen kleinen Winkel im großen Dom, wo ich mich kein Ordner ermahnt und ich mein ganz persönliches Gebet zum Himmel schicke. Ein Dankeschön für einen großen Theologen und treuen Dienern Gottes, der es sich selber, aber auch vielen, die mit ihm auf dem Weg waren, nicht immer leicht gemacht hat.

Die letzten Meter meines Weges enden draußen vor St. Peter, wo die Januarsonne jetzt schon wärmt. Ich blicke zum blauen Himmel und bin mir ganz sicher - da oben wird der, von dem ich mich gerade im Vorbeigehen verabschiedet habe, bestimmt mit offenen Armen empfangen. Er wird dort, wie jede und jeder von uns, seine Wohnung bei Gott finden. Das sind doch wunderbare Aussichten - nicht nur für den ersten Papst aus Bayern, der in direkter Nachbarschaft zum Heiligen Petrus nach einem langen irdischen Lebensweg seine verdiente letzte Ruhe finden wird.

Mindestens zehn deutsche Bischöfe bei Requiem für Benedikt XVI.

Mindestens zehn katholische Bischöfe aus Deutschland wollen zum Requiem für den verstorbenen Papst Benedikt XVI. kommen. Unter ihnen sind der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Georg Bätzing sowie der Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki, und der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx. Auf einer vorläufigen Liste, die der Deutschen Presse-Agentur vorlag, standen auch die Bischöfe aus Regensburg und Passau, Rudolf Voderholzer und Stefan Oster.

Aufbahrung Benedikt XVI. (dpa)
Aufbahrung Benedikt XVI. / ( dpa )
Quelle:
DR