Franziskaner-Suppenküche registriert großen Zulauf Helfender

"Etwas Sinnvolles tun"

Ist unsere Gesellschaft egoistisch und verroht? "Keineswegs", sagt der Berliner Franziskaner Bruder Rudolph. Für seine Suppenküche hat er in der Regel mehr Freiwillige als er braucht. Eine Geschichte, die Hoffnung macht.

Ein warmes Essen / © Papuchalka - kaelaimages (shutterstock)
Ein warmes Essen / © Papuchalka - kaelaimages ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Zwischen 180 und 400 Essen waren es mal, jetzt hat es sich auf 200 Essen pro Tag eingependelt, die Sie in ihrer Suppenküche ausgeben. Wovon hängt es denn ab, wie viele oder wenige Menschen kommen?

Bruder Rudolph (Leiter der Franziskaner-Suppenküche in Berlin-Pankow): Das hängt manchmal von der S-Bahn ab, manchmal auch vom Wetter und vor allem davon, ob am Monatsanfang etwas Geld da ist, sodass die Leute sich dann etwas mehr kaufen können und im Laufe der nächsten Woche wieder langsam mehr und mehr kommen.

DOMRADIO.DE: Merken Sie denn angesichts der Inflation und der explodierenden Preise, dass jetzt mehr Menschen zu Ihnen kommen?

Bruder Rudolph: Im Moment merken wir es noch nicht direkt, weil wir ganz viele Obdachlose haben. Die hängen ja nicht direkt von der Energie ab.

DOMRADIO.DE: Von Seiten der Tafeln gibt es laute Hilferufe. Mehr Menschen müssen sich weniger Lebensmittelspenden teilen. Wie sieht es bei Ihnen mit der Versorgung der Hilfesuchenden aus? Gibt es genug Spenden?

Bruder Rudolph: Wir haben einen Stamm von über 1.000 regelmäßigen Spendern, zudem von spontanen Spendern und wir können ganz viel Essen jenseits des Mindeshaltbarkeitsdatums von verschiedenen Geschäften abholen. Bäcker bringen uns einiges. Von einer Brotfabrik können wir viel holen.

Das bleibt übrig, weil in Deutschland ganz viel überproduziert wird und vieles über das Mindesthaltbarkeitsdatum nicht mehr verkauft werden darf. Aber wir dürfen es noch rausgeben oder holen.

DOMRADIO.DE: Sie bieten in Ihrem Kloster nicht nur die Suppenküche an. Ss gibt eine Kleiderkammer, eine Hygieestation und eine Beratungsstelle. Haben Sie genügend ehrenamtliche Helfer, die da mitmachen?

Bruder Rudolph: Wir brauchen pro Tag ungefähr 20 Ehrenamtliche. Das ist kein Problem. Manchmal müssen wir sogar einigen, die gerne mithelfen wollen, absagen, weil wir genug haben. Insgesamt haben wir fast an die 150 Personen, die zum Teil regelmäßig einmal in der Woche oder einmal im Monat oder an Wochenenden kommen.

DOMRADIO.DE: Wie kommt es, dass es so gut mit dem Nachschub von Helfern funktioniert?

Bruder Rudolph: Ich denke, es ist einmal der Wunsch, etwas Sinnvolles zu tun. Manche sind in Pension gegangen oder haben ihre Arbeit verloren oder haben einen freien Tag und wollen diese Zeit gerne sinnvoll ausfüllen.

Das andere ist, auch ein Stück Gemeinschaft zu erleben. Sie frühstücken zusammen, essen zusammen Mittag, wir machen Ausflüge mit ihnen, Weiterbildungen, Klosterführungen, Sommerfeste, sodass sie also auch ein Stück Gemeinschaft untereinander erleben. Es sind viele, die als Single oder als Verwitwete gerne kommen.

DOMRADIO.DE: Das heißt, das sind nicht einzelne Helfer, sondern es entsteht einrichtiges Helfer-Team.

Bruder Rudolph: Ja, das kann man so sagen.

DOMRADIO.DE: Wenn Sie sehen, wie die Gemeinschaft der Helfenden dort in Ihrem Kloster funktioniert, lässt Sie das hoffnungsfroh auf unsere Gesellschaft schauen, die oft als roh oder egoistisch bezeichnet wird?

Bruder Rudolph: Das sind Pauschalbegriffe. Wir erleben bei jeder Katastrophe, dass spontan immer einige Ehrenamtliche auftauchen. Bei der Ukraine-Krise, bei Überschwemmungen und auch hier. Wenn Menschen Not sehen, greift immer ein Teil der Menschen gerne mit an.

DOMRADIO.DE: Sie denken gar nicht, dass das besonders ist, sondern dass es genug Menschen gibt, die einfach dazu bereit sind und die die Not der anderen sehen.

Bruder Rudolph: Ja, man hat das auch soziologisch untersucht, dass immer ein Teil der Menschen spontan auf Not reagiert und hilft.

DOMRADIO.DE: Welche Signale, welche Hilfe erwarten Sie denn von der Politik?

Bruder Rudolph: Berlin will bis Ende 2030 allen Obdachlosen ein Haus zur Verfügung stellen. "Housing First" ist ein Programm, an dem viele kleinere Gruppen schon mithelfen. Wenn die Politik noch Firmen finden würde, die dann, wenn jemand eine Wohnung hat, auch eine Arbeit vermittelt, wäre das eine große Hilfe für einen größeren Teil.

Ich habe selber schon mal in einer Obdachlosensiedlung im Ruhrgebiet gewohnt. Nur ein ganz kleiner Teil lebt auf der Straße und kann und will nicht unbedingt zurück.

Das Interview führte Dagmar Peters.

Franziskaner

Der heilige Franz von Assisi (1181/82-1226) gründete zwischen 1210 und 1220 den Orden der Franziskaner, der sich bis heute auf vielen Gebieten für Gerechtigkeit und Frieden einsetzt. Mit Suppenküchen und Kleiderkammern helfen die Patres und Brüder Menschen in Not. Außerdem leisten sie Seelsorge in Gefängnissen, Altenheimen und Krankenhäusern. In Initiativen und Menschenrechtsgruppen engagieren sich Franziskaner für Umweltschutz und eine gerechtere Wirtschaft.

Orden der Franziskaner / © Dr. Gilad Fiskus (shutterstock)
Orden der Franziskaner / © Dr. Gilad Fiskus ( shutterstock )
Quelle:
DR