DOMRADIO.DE: Es hat in den vergangenen Jahren zum Teil ziemlich geknirscht zwischen der Kirche und donum vitae. Kirchlichen Mitarbeitern war es zum Teil verboten bei donum vitae zu arbeiten. Wie ist das Verhältnis jetzt?
Julia Seeberg (Bundesgeschäftsführerin von donum vitae): Das aktuelle Verhältnis zur katholischen Kirche würde ich als eines bezeichnen, was ein in vielerlei Hinsicht sehr wertschätzendes ist. Gerade in den letzten Jahren haben wir in Gesprächen sowohl mit verschiedenen Bischöfen, aber natürlich auch im Gespräch mit anderen katholischen Organisationen sowie Beratungsstellen festgestellt, dass es eine sehr große Wertschätzung für die Arbeit gibt, die donum vitae leistet. donum vitae als Verein, der im Rahmen der gesetzlichen Regelung die Schwangerschaftsberatung, darin auch die Schwangerschaftskonfliktberatung durchführt. Beim letzten Katholikentag in Stuttgart haben zum Beispiel sehr viele Bischöfe unseren Standort auf der Kirchenmeile besucht und ihre Wertschätzung für unsere Arbeit und die Wichtigkeit unserer Arbeit sehr betont. Das würde ich auch als charakteristisch bezeichnen, so wie sich das Verhältnis jetzt nach ungefähr 25 Jahren darstellt.
DOMRADIO.DE: Sie sind 37 Jahre alt, also als Johannes Paul II. damals diese Änderung verfügt hat, waren Sie zwölf. Ist das Ganze eigentlich heute noch ein Thema zwischen der Kirche und donum vitae oder spielt das keine Rolle mehr?
Seeberg: Ich glaube, dass das sehr unterschiedlich ist, je nachdem, wen man sich hier bei den donum vitae-Aktiven anschaut. Wir haben immer noch sehr viele Gründungsmitglieder, die auch weiterhin bei donum vitae aktiv sind, sowohl auf Orts- und Landesebene, aber auch im Bundesvorstand. Und für die ist natürlich weiterhin diese Gründungsgeschichte von zentraler Bedeutung und spielt auch eine große Rolle, auch weiterhin bei ihrer Arbeit für donum vitae.
Gleichzeitig haben wir an verschiedenen Stellen bereits einen Generationenwechsel erlebt, sowohl im ehrenamtlichen Bereich, in den Vorständen als auch bei den Beraterinnen und Beratern, die vor Ort die Beratungen durchführen. Dort merken wir, dass das Thema zwar präsent ist und sich auch alle der Wurzeln von donum vitae und der Gründungsgeschichte bewusst sind, das aber tatsächlich für die eigene Arbeit oder die aktive Arbeit gar keine so große Rolle mehr spielt, sondern insbesondere tatsächlich die fachliche und professionelle Arbeit von donum vitae. Das ethische Konzept, was dahinter steckt, ist das Entscheidende. Das würde ich auch für mich als Person so formulieren.
DOMRADIO.DE: donum vitae heißt Geschenk des Lebens. Das ist das Konzept, das dahinter steht. Wissen Sie, wie viele Paare oder Frauen sich nach einer Beratung gegen einen Abbruch entscheiden?
Seeberg: Nein, das wissen wir nicht, und das dürfen wir auch gar nicht erfassen. Wir wissen, wie viele Schwangerschaftskonfliktberatungen wir im Jahr durchführen. Das waren im Jahr 2021 17.000. Insgesamt muss man allerdings sagen, dass wir natürlich auch Beratungen in anderen Bereichen, also grundlegende Fragen der Schwangerschaft, aber auch alle Fragen, die damit zusammenhängen, durchführen. Da hatten wir insgesamt im Jahr 2021 87.000 Beratungen. Das heißt, die Schwangerschaftskonfliktberatung an sich sind für uns schon ein Schwerpunkt unserer Arbeit. Aber wir haben noch viele andere Beratungsthemen, zu denen wir beraten.
DOMRADIO.DE: Zum Beispiel beraten Sie auch mittlerweile Männer. Worum geht es denn dabei?
Seeberg: Das hat sehr unterschiedliche Facetten. Zum einen geht es vor allem darum, auch Väter zu beraten. Gerade in dem Bereich der Familienplanung, wo es ja nicht nur um die Frau geht, die schwanger ist, sondern auch, darum wie sich die Familie neu gestaltet und welche Rolle da die Väter einnehmen können. Hier zeichnet sich auch die gesellschaftliche Entwicklung ab, dass Väter immer mehr ihre Vaterrolle wahrnehmen wollen und dazu auch durchaus in die Beratung gehen. Dort bieten wir zum Beispiel auch Vätergruppen an, in denen es einen Raum für Austausch gibt.
DOMRADIO.DE: Was sehen Sie als große Herausforderung für die Zukunft, bezüglich Ihrer Arbeit bundesweit bei donum vitae?
Seeberg: Eine große Herausforderung ist sicherlich immer wieder die neuen Entwicklungen gesellschaftlicher Art aufzugreifen, aber auch die Themen im Bereich der Reproduktionsmedizin, die dort neu geschaffen werden. Stichwort zum Beispiel Beratung zu Verfahren der Pränataldiagnostik, aber auch der Bereich der Kinderwunschberatung und die Möglichkeiten, die sich dort entwickeln. Was für uns auch immer wieder eine Frage ist, ist die Finanzierung der Beratungsstellen, die über die Länder sichergestellt wird. Dort gibt es in vielen Bereichen natürlich auch bei uns Kostensteigerungen. Und es stellt sich auch immer wieder die Frage, wie können wir da die Kosten abdecken über die öffentliche Finanzierung, die wir bekommen. Was wir natürlich auch sehen ist, dass in der öffentlichen Debatte die grundlegende Frage gestellt wird, wie das Thema Schwangerschaftsabbruch zukünftig geregelt werden soll. Diese Debatte nehmen wir natürlich auch wahr.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.