Patriarch findet politische Lage im Libanon "beschämend"

Tauziehen um die Präsidentenwahl

Das anhaltende Präsidentenvakuum im Libanon ist nach Ansicht des maronitischen Patriarchen Kardinal Bechara Rai ein "beschämendes Signal" an die Außenwelt. Rais Amt hat im Libanon selbst ein starkes politisches Gewicht.

Demonstranten halten als Zeichen des Protests eine schwarze anstatt einer roten libanesischen Fahne hoch / © LayalJebran (shutterstock)
Demonstranten halten als Zeichen des Protests eine schwarze anstatt einer roten libanesischen Fahne hoch / © LayalJebran ( shutterstock )

Arabische und ausländische Länder hielten Treffen und Beratungen ab, "um dem Libanon zu helfen und einen Präsidenten zu wählen, während das Parlament die Abstimmung verhindert" beklagte das Kirchenoberhaupt am Sonntag an seinem Amtssitz in Bkerke.

Kardinal Bechara Boutros Rai / © Paul Haring (KNA)
Kardinal Bechara Boutros Rai / © Paul Haring ( KNA )

"Sie stechen unserem demokratischen parlamentarischen System ins Herz", so der Patriarch der größten christlichen Gemeinschaft des Landes.

In zehn ergebnislosen Parlamentssitzungen zur Präsidentenwahl hätten die Abgeordneten immer noch keinen Nachfolger für Michel Aoun gewählt, der im Oktober aus dem Amt geschieden war. 

"Sie haben es nicht geschafft, einen Präsidenten zu wählen, der herausfordert und Konsens schafft; nichts haben sie geschafft", kritisierte der Patriarch.

Auch Probleme bei der Justiz

Beobachter vermuten, dass die für kommenden Donnerstag anberaumte elfte Sitzung ebenso wie die Vorherigen enden dürfte. Weiter beklagte der Rai, dessen Amt im Libanon auch starkes politisches Gewicht hat, dass die Justiz des Landes immer mehr zu einem "Werkzeug für Rache, Bosheit und Hass geworden" sei.

Er bezog sich dabei auf die von der Justiz andauerns verschleppte Aufklärung der verheerenden Explosion im Beiruter Hafen vom August 2020 mit 220 Toten und 7.000 Verletzten. 

Statt ernsthafter Ermittlungen gingen die Sicherheitsorgane gegen Angehörige der Opfer vor, die nur für ihre legitimen Ansprüche und Rechte demonstrierten, so der Patriarch.

Der Libanon

Der Libanon ist geprägt durch das Nebeneinander zahlreicher Religionen. Mit etwa 30 Prozent hat die parlamentarische Demokratie den größten Anteil Christen in der Arabischen Welt. Die Muslime - Sunniten und Schiiten - machen inzwischen wohl mehr als 60 Prozent aus. Offiziell anerkannt sind 18 Religionsgemeinschaften, darunter die Minderheiten der Drusen und Alaviten.

Symbolbild: Flagge des Libanon / © Yulia Grigoryeva (shutterstock)
Symbolbild: Flagge des Libanon / © Yulia Grigoryeva ( shutterstock )
Quelle:
KNA