Erste palästinensische Pfarrerin in Jerusalem

"Deutschland ein zweites Zuhause"

In Jerusalemer Kirchenkreisen sorgt eine besondere Personalie für Aufsehen: Die Amtseinführung der jungen Palästinenserin Sally Azar als Pastorin ist ein Novum. Zuvor war die polyglotte Pastorin Vikarin in Berlin.

Autor/in:
Johannes Schidelko
Die evangelische Erlöserkirche in der Jerusalemer Altstadt / © Ratikova (shutterstock)
Die evangelische Erlöserkirche in der Jerusalemer Altstadt / © Ratikova ( shutterstock )

Zum ersten Mal wird eine Frau als Pastorin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und dem Heiligen Land (ELCJHL) ordiniert. An diesem Sonntag führt Bischof Sani Ibrahim Azar in der Erlöserkirche der Jerusalemer Altstadt Sally Azar (26) in ihr neues Amt ein – seine Tochter. Sie wird künftig in der Gemeinde- und Seelsorgearbeit der Kirche mit ihren rund 3.000 meist arabisch- und englischsprachigen Gläubigen eingesetzt.

Bereits 2010 hatte die ELCJHL grundsätzlich die Ordination von Frauen ermöglicht. Jetzt endlich könne die Entscheidung umgesetzt werden, sagt die polyglotte palästinensische Pastorin in fließendem Deutsch. Schon ihr Elternhaus sei stark deutsch geprägt gewesen. Der Vater, 30 Jahre lang Pastor der ELCJHL-Gemeinde an der Erlöserkirche, bevor er 2018 sein Bischofsamt antrat, hatte in München Theologie studiert.

Studium im Libanon und in Deutschland

Christen im Heiligen Land

Die Christen sind im Heiligen Land eine kleine Minderheit. Genaue Zahlen sind schwer zu benennen, auch angesichts des Wegzugs vieler Christen in den vergangenen Jahren. In Israel sind es rund zwei Prozent von rund 8,7 Millionen Bürgern; viele von ihnen sind Araber.

Ordensschwestern in Jerusalem / © Andrea Krogmann (KNA)
Ordensschwestern in Jerusalem / © Andrea Krogmann ( KNA )

Sie selbst studierte zunächst im Libanon und dann in Göttingen und Hermannsburg. Nach dem Abschluss habe es ihr die EKBO, die evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, ermöglicht, das zweijährige Vikariat in Berlin-Frohnau zu absolvieren. "Da sieht man die Partnerschaft der Kirchen überall." Generell sei für sie "Deutschland ein zweites Zuhause". Der Abschied von Frohnau und die Rückkehr nach Jerusalem war daher für sie durchwachsen.

Ob der Pfarrerdienst in ihrer Familie also Tradition habe? "Nein, das war meine ganz eigene Entscheidung", betont die junge Theologin energisch. "Natürlich war und ist mein Papa für mich als Pfarrer ein Vorbild gewesen." Und von Anfang an war sie in das kirchliche Leben eingebunden: Kindergottesdienste, Jugendarbeit. Auch beruflich seien ihre Überlegungen "immer in Richtung Theologie" gegangen. Aber die Entscheidung zum Pfarrdienst sei erst später, während des Studiums gefallen.

Nach ihrer Amtseinführung wird Azar zunächst für die englischsprachige Gemeinde ihrer Kirche in Jerusalem sowie in Beith Sahour nahe Bethlehem tätig sein. Die genaue Aufgabenbeschreibungen zwischen Gottesdiensten, Konfirmandenunterricht und Jugendarbeit muss noch geklärt werden.

Eigener Bischof seit 1979

Die ELCJHL, die evangelisch-lutherische Kirche für Jordanien und das Heilige Land, geht auf deutsche und englische Missionare ab Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Einen offiziellen Rahmen erhielt sie Ende der 1950er Jahre, seit 1979 wird sie von einem eigenen Bischof angeführt. Bis dahin wurde sie stets vom Propst der deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde an der Erlöserkirche mitgeleitet.

Besondere Aufmerksamkeit fand die ELCJHL unter Bischof Munib Younan, der die Kirche fast 20 Jahre lang leitete und zwischen 2010 und 2017 zugleich Präsident des Lutherischen Weltbundes war – bevor Sani Ibrahim Azar in Jerusalem seine Nachfolge antrat.

Keine gezielten Hoffnungen und Erwartungen

Die neue Pastorin geht ihre Aufgabe dank ihrer Ausbildung und Erfahrung gelassen an. Sie habe keine gezielten Hoffnungen und Erwartungen. "So ist es mir leichter, in die Gemeinden hineinzugehen und offen zu sein. Ich bin gespannt auf die nächste Zeit", sagt sie.

Einen Akzent dürfte sie dabei auch auf die Ökumene legen. "Die Ökumene ist weiterhin wichtig. Wir hoffen, dass unsere guten Beziehungen weiter gepflegt werden."

Zudem will sie sich für eine Stärkung der Frauen in der Kirche einsetzen. In der palästinensischen Gesellschaft gebe es viele starke Frauen, auch in ihrer Kirche setzten sich viele für Gleichberechtigung ein, sagt Azar und fügt hinzu: "Ich wünsche mir, dass sich Frauen stärker für ihre Rechte einsetzen, und dass sie sich trauen, Theologie zu studieren und ordiniert zu werden."

Quelle:
KNA