DOMRADIO.DE: Der Impuls, die Kirchen zu tauschen, kommt vom dritten Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt. Aber wie kommt man auf so was?
Pfarrer Werner Portugall (Katholische Kirche Sankt Jakobus in Frankfurt am Main): Im Vorfeld des Kirchentags gab es eine stadtweite Debatte zwischen den beiden evangelischen und katholischen Stadtkirchen.
Sie wollten Projekte starten, die nicht nur an dem Kirchentag selber laufen sollten, sondern auch darüber hinaus. Das hat dann zu dieser Kirchentausch-Idee der zwei großen Konfessionen geführt.
DOMRADIO.DE: Am kommenden Sonntag findet in der Erlebniskirche St. Johannes der evangelische Sonntagsgottesdienst statt und die katholische Gemeinde feiert dann in der evangelischen Dankeskirche ihren Gottesdienst. Inwiefern funktioniert das problemlos?
Portugall: Sankt Jakobus hat drei Kirchorte, Schwanheim, Niederrad und Goldstein. Wir tauschen an allen drei Kirchorten im ganzen Frankfurter Südwesten. Das Verhältnis zwischen den beiden Konfessionen in den Gemeinden vor Ort gibt es her.
In Goldstein waren wir fast drei Jahre in der Dankeskirche zu Gast, während wir die neue katholische Kirche gebaut haben. Insofern passt diese Idee des Kirchentauschs auch ganz organisch in so eine Geschichte der Zusammenarbeit hinein.
DOMRADIO.DE: Was heißt, Sie waren dort zu Gast?
Portugall: Wir durften drei Jahre lang die evangelische Kirche für unsere Sonntagsgottesdienste nutzen, denn wir waren in Goldstein quasi obdachlos.
DOMRADIO.DE: Da gibt es zum Beispiel dann gar keinen Tabernakel, oder?
Portugall: Genau, das muss man bei einem Zeitraum über drei Jahre dann anders organisieren.
DOMRADIO.DE: Gibt es in jeder Tauschkirche zwei verschiedene Gesangbücher, einmal für die evangelischen Christen und einmal für die katholischen?
Portugall: Da wird man mit der Zeit pragmatisch. Es gibt ja schon seit Jahrzehnten ökumenische Lieder und gewisse Schnittmengen bei den beiden Gesangbüchern.
Wir haben uns im Rahmen des Kirchentauschs darauf verständigt, dass wir nicht mehr die Gesangbücher herumtragen, sondern wir nutzen bei unserem katholischen Gottesdienst dann mal das evangelische Gesangbuch und die evangelischen Christen nutzen das Gotteslob.
DOMRADIO.DE: Wie gehen Sie damit um, wenn sich mal ein Protestant in die Schlange für die Austeilung der Hostie verirrt?
Portugall: Das gehörte tatsächlich beim Kirchentag auch zu der zweiten Verabredung. Das wird nicht extra moniert. In der Realität gibt es zum Beispiel viele konfessionsübergreifende Paare. Ich muss dann oft an ein Wort von Ernst Käsemann, den Tübinger Theologen, denken.
Bereits in den 1980er Jahren hat er mal gesagt, dass die Grenzen zwischen den Konfessionen eben nicht zwischen den Konfessionen verlaufen, sondern innerhalb der Konfessionen. Dieses theologische Motiv könnte zum Nachdenken anregen.
DOMRADIO.DE: Sie legen das alles sehr positiv und zukunftsweisend aus. Könnte das nicht auch zu Reibungen zwischen Protestanten und Katholiken führen?
Portugall: Wir haben kaum Reibungen. Das ist sehr interessant, denn an so einer Äußerlichkeit wie Weihrauch, den das evangelische Kirchengesetz in Gottesdiensten und Gotteshäusern verbietet, werden eventuelle Reibungen dann doch sichtbar.
Die Dankesgemeinde in Goldstein möchte keinen Weihrauch in ihrer Kirche. Die evangelischen Christen in Schwanheim haben sich im Kontrast dazu explizit den Weihrauchgeruch in ihrer Kirche gewünscht.
Aber im Kern erlebe ich ein offenes und herzliches Verhältnis. Das sehr offene Klima zwischen den Konfessionen liegt vielleicht ein bisschen in der Frankfurter Art begründet.
DOMRADIO.DE: Ist es ein Zukunftsmodell, ökumenische Gottesdienste zu feiern?
Portugall: Es ist vielleicht eine Variante. Es gibt zum Beispiel den Kanzeltausch neben den ökumenischen Gottesdiensten. Ich finde interessant, dass man mit dieser Entwicklung, dieser Form während des Kirchentags festgestellt hat, dass wir die große weltkirchliche Situation nicht verändern können.
Aber wir können doch ein bisschen gastfreundlicher sein. Niemand muss sich mit seiner eigenen konfessionellen Tradition verbiegen. Aber man öffnet sich einfach für alle, die teilhaben möchten. Unsere katholischen Dom-Gottesdienste finden im öffentlichen Raum statt.
Dort fragt man auch sonst nicht nach der Herkunft oder der Lebenssituation der Menschen. Vielleicht ist es schon ein weiteres zukunftsorientiertes Experiment, was dabei helfen könnte, aus mancher Sackgasse herauszufinden.
Das Interview führte Tobias Fricke.