DOMRADIO.DE: Mit der Ausstellung "Verschaff mir Recht – Kriminalisierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender und die katholische Kirche“ machen Sie in der Liebfrauenkirche in Düsseldorf-Flingern auf das Thema aufmerksam. Was ist in dieser Ausstellung genau zu sehen?
Pfarrvikar Benedikt Bünnagel (Katholische Kirche in Flingern/Düsseltal): Die Ausstellung besteht aus zehn Roll-ups. Auf jedem dieser Banner wird eine Leidensgeschichte eines queeren Menschen erzählt. Auf diese Leidensgeschichten queerer Menschen im Raum der weltweit agierenden katholischen Kirche möchten wir gerne aufmerksam machen.
DOMRADIO.DE: Warum möchten Sie das? Warum haben Sie diese Ausstellung in Ihre Gemeinde geholt?
Bünnagel: Es ist uns ein Anliegen, uns solidarisch zu zeigen mit diesen Menschen. Wir haben es ja hier in Deutschland relativ gut, was die Entwicklung im Umgang mit queeren Menschen angeht und auch was die katholische Kirche an Bewegung zeigt. Im Synodalen Weg der Bischofskonferenz wurde und wird das Thema, Gott sei Dank, verhandelt. Trotzdem macht es uns sehr betroffen, dass das weltweit gesehen ganz anders aussieht.
DOMRADIO.DE: Wenn man sich Deutschland anschaut, ist es jetzt gut ein Jahr her, dass sich bei der Aktion "Out in Church" über 100 Mitarbeitende aus der katholischen Kirche als queer geoutet haben. Danach ist tatsächlich viel passiert. Es ist zum Beispiel das kirchliche Arbeitsrecht verändert worden. Sind Sie denn richtig zufrieden mit der bisherigen Entwicklung?
Bünnagel: Die Entwicklung ist durchaus positiv. Inzwischen sind es ja auch wesentlich mehr, die sich dieser Bewegung angeschlossen haben. "Out in Church" zählt ungefähr 500 Menschen, die mitmachen. Das ist einfach klasse.
Und ich denke mal, durch diese Bewegung hat das Thema auch im Synodalen Weg und bei der Bischofskonferenz überhaupt so Fahrt aufgenommen. Es ist auf jeden Fall eine sehr positive Entwicklung, dass am Arbeitsrecht gearbeitet wurde, auch wenn es da offensichtlich noch einzelne Bereiche gibt, wo noch ein bisschen nachjustiert werden muss.
DOMRADIO.DE: Wenn wir über den Tellerrand hinausschauen, wie geht denn die katholische Kirche mit dieser Diskriminierung in anderen Ländern um? Stellt sich die Kirche schützend vor Minderheiten?
Bünnagel: Das ist leider nicht flächendeckend der Fall, sondern das ist sehr unterschiedlich. Gerade bei dieser Ausstellung wird gezeigt, wie sehr queere Menschen zu leiden haben. Zum Beispiel darunter, dass katholische Priester in Predigten queere Menschen verächtlich machen und die Gemeinde zum Hass anstacheln.
Es gibt Gemeindemitglieder, deren Coming-out dann dafür sorgt, dass sie aus der Gemeinde ausgeschlossen werden. Oder dass katholische Familien mit ihnen den Kontakt abbrechen – mit ihren eigenen Kindern und aufgrund ihrer sexuellen Orientierung.
Teilweise fordern sogar Bischofskonferenzen in ihren Ländern eine Verschärfung des Strafgesetzes gegen homosexuelle Menschen ein. Da ist also eine ganze Bandbreite von solchen Fällen zu erleben, wo wir einfach nur fassungslos den Kopf schütteln.
DOMRADIO.DE: Wie kann sich daran etwas ändern?
Bünnagel: Da die Kirche hierarchisch organisiert ist, muss das Ganze sicherlich an erster Stelle von der Hierarchie gewollt sein, die Sexualmoral der katholischen Kirche weiterzuentwickeln und dementsprechend auch auf queere Menschen noch mehr positiv hin zu öffnen.
Da hat ja unser Papst Franziskus Signale gegeben. Er ist aber einer, der mal eben etwas sagt, aber es noch nicht in die entsprechende Form gießt. Das mahnen wir an, dass es dringend erforderlich ist, dass das Ganze in eine gute Form gegossen wird, damit es eben auch verlässliche Regeln in der katholischen Kirche gibt.
DOMRADIO.DE: Immer wieder darüber reden und darauf aufmerksam machen ist natürlich auch ein ganz wichtiger Punkt. Die Ausstellung tut das ja. Sie wandert dann bis Karfreitag durch die drei Kirchen in Flingern und Düsseltal. Welches Signal wünschen Sie sich davon? Was sollen Ihre Gemeindemitglieder mitnehmen aus dieser Ausstellung?
Bünnagel: Es geht natürlich erst mal darum, dass die Gemeindemitglieder ihren Horizont erweitern und auf dieses Thema aufmerksam werden und mitfühlen, Anteil nehmen und sich solidarisch zeigen. Das andere ist einfach, ein Signal in die Gemeinde hinein zu setzen.
Wir haben hier in unserem Stadtteil auch viele Menschen der queeren Community. Die gehören auch zu unserer Gemeinde. Hier wollen wir einfach auch damit sagen: Wir nehmen euch wahr und ihr seid bei uns willkommen und wertgeschätzt. Und wir gehen mit euch diese Themen an, die dringend noch anzugehen sind.
DOMRADIO.DE: Gibt es auch kritische Worte aus der Gemeinde?
Bünnagel: Nein, bis jetzt nicht. Das Ganze wird ja auch vom Pfarrgemeinderat in die Wege geleitet. Wir machen das zusammen mit dem ASG-Bildungsforum hier in Düsseldorf in Kooperation.
Kritische Töne haben wir noch nicht gehört, aber es gibt so seltsame Handlungen, wie dass ein Plakat entfernt wird oder dass Handzettel zu dieser Ausstellung weggenommen werden. Das mussten wir feststellen. Wir hatten auch zum Beispiel in der Weihnachtskrippe, die bei uns immer sehr aktuell gestaltet wird, diesmal eine Menschenrechtskrippe von Jugendlichen aus der Firmvorbereitung. Da waren Menschen vertreten, die auf "Black Lives Matter" aufmerksam gemacht haben. Für die Frauenrechte im Iran hat die Maria die Fahne hochgehalten.
Es gab auch einen queeren Menschen mit einem Aufkleber "Made by Gott" mit der queeren Fahne darauf. Diese Embleme wurden entfernt. Auch da kann man sehen, da gibt es betrachtende Menschen, die das nicht aushalten können oder nicht tolerieren können und dann eben eingreifen. Das ist schade, das ist respektlos und es ist intolerant.
DOMRADIO.DE: Und es zeigt, dass ihre Arbeit wichtig ist.
Bünnagel: Ja, dass sie enorm wichtig ist und dass wir auch hier in Deutschland noch weit davon entfernt sind, von einer total entspannten Situation sprechen zu können.
Das Interview führte Verena Tröster.