"Kiez-Pastor" ruft zu Offenheit in der Seelsorge auf

"Nicht belehrend daherkommen"

"Wir sind das katholische Schaufenster auf dem Kiez", sagt Pfarrer Karl Schultz aus Hamburg. Im Interview erläutert der "Kiez-Pastor", wie die Pastoral um die Reeperbahn funktioniert und was die Kirche insgesamt davon lernen könnte.

Pfarrer Karl Schultz / © Michael Althaus (KNA)
Pfarrer Karl Schultz / © Michael Althaus ( KNA )

DOMRADIO.DE: Herzlichen Glückwunsch zum 300. Geburtstag Ihrer Kirche. Was ist das Besondere an diesem katholischen Gotteshaus? 

"Kiez-Pastor" Karl Schultz (Pfarrer der Kirche Sankt Joseph auf der Großen Freiheit in Hamburg): Der Irrtum, dass das etwas Besonderes ist. Wir sind eine Gemeinde, die seit 300 Jahren da steht, beziehungsweise die Gemeinde gab es schon ein bisschen länger. Das Besondere ist natürlich der Stadtteil. Wir sind mittendrin im quirligen und bunten Stadtteil Sankt Pauli.

Pastor Karl Schultz in der Kirche Sankt Joseph am 14. März 2023 in Hamburg. / © Michael Althaus (KNA)
Pastor Karl Schultz in der Kirche Sankt Joseph am 14. März 2023 in Hamburg. / © Michael Althaus ( KNA )

DOMRADIO.DE: Die Reeperbahn ist ja ein besonderer Ort. Sie haben keinerlei Berührungsängste, auch nicht mit dem Milieu, sondern verstehen sich als Ansprechpartner für alle, die auf der Reeperbahn und drumherum unterwegs sind. Was kommen da für Leute zu Ihnen? 

"Kiez-Pastor" Karl Schultz (Pfarrer der Kirche Sankt Joseph auf der Großen Freiheit in Hamburg)

"Es ist immer gut, wenn ein Pfarrer sich für die Menschen und für den Ort, an dem er lebt und wirkt, auch interessiert."

Schultz: Na ja, erst mal gehe ich zu den Leuten. Das ist gar nicht so klar, dass die Leute zu mir kommen. Aber auch das, finde ich, ist etwas Normales. Das gilt ja nicht nur für die "Kiez-Pfarrei", sondern wo immer ein Geistlicher seinen Dienst tut. Ein Pfarrer kann nicht nur für seine Gemeinde da sein. Es ist immer gut, wenn er sich für die Menschen und für den Ort, an dem er lebt und wirkt, auch interessiert.

So handhabe ich es, dass ich auch auf dem Kiez unterwegs bin und das nun schon seit fast 13 Jahren. Da lernt man die Leute kennen und die lernen mich kennen. 

Die Kirche Sankt Joseph am 14. März 2023 auf der Großen Freiheit in Hamburg. / © Michael Althaus (KNA)
Die Kirche Sankt Joseph am 14. März 2023 auf der Großen Freiheit in Hamburg. / © Michael Althaus ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie sagen, die Atmosphäre bei Ihnen im Kiez ist von großer Toleranz geprägt. Woran machen Sie das fest? 

Schultz: Das mache ich daran fest, dass wir uns nicht gegenseitig belehren und dass wir nicht den Anspruch der Rechthaberei haben. Was für Hamburg gilt, gilt besonders auf dem Kiez: leben und leben lassen. 

"Kiez-Pastor" Karl Schultz

"Wir belehren uns nicht gegenseitig und haben nicht den Anspruch der Rechthaberei."

DOMRADIO.DE: Nun ist es ja aber so, dass viele Stimmen der katholischen Kirche dieser Tage vorwerfen, eben dieses Prinzip nicht einzuhalten. Dass sie gerade mit Blick auf Homosexuelle und Frauen nicht sagen "leben und leben lassen und alle sind gleich". Was meinen Sie, kann die Pastoral, wie Sie sie verstehen, auch Modell für die katholische Kirche in Deutschland insgesamt sein? 

Schultz: Jeder Ort hat seine spezifischen Voraussetzungen. Da will ich nicht den Anspruch haben, dass ich modellhaft bin oder dass unsere Pastoral modellhaft ist. Aber sie könnte insofern modellhaft sein, dass wir Menschen offen begegnen und dass wir nicht belehrend daherkommen, sondern mehr als Hörende unterwegs sind. 

Das Interview führte Moritz Dege. 

Erzbistum Hamburg

Die Fläche des Erzbistums Hamburg beträgt 32.520 Quadratkilometer, denn das Bistum umfasst drei Bundesländer: Hamburg (755 Quadratkilometer), Schleswig-Holstein (15.803 Quadratkilometer) und der Landesteil Mecklenburg (15.962 Quadratkilometer) des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern. Es ist damit das flächenmäßig größte Bistum in Deutschland.

Mariendom in Hamburg / © Maria Feck (KNA)
Mariendom in Hamburg / © Maria Feck ( KNA )
Quelle:
DR