DOMRADIO.DE: Wie haben Sie die Altarweihe erlebt?
Nikodemus Schnabel OSB (Abt der Dormitio-Abtei in Jerusalem): Als sehr einschneidendes Erlebnis. Wir haben Geschichte geschrieben. Für mich ist die Weihe auch Teil eines Weges. Ich bin erst seit dem 3. Februar Abt, das heißt, ich bin ganz frisch im Amt. Und mit der Altarweihe fängt auch ein neuer Abschnitt an. Der Altar steht ja für Christus selbst. Und wenn man die Benedikt-Regel liest, macht Benedikt sehr klar: Das Zentrum jedes Klosters ist Christus selbst. Dem darf man nichts vorziehen.
Wir haben zwei Jahre lang im Luftschutzbunker gegessen und haben den zum Speisesaal umfunktioniert. Wir haben gebetet in der Krypta, wir haben wirklich zwei Jahre lang provisorisch gelebt. Und jetzt beginnt das Kloster sozusagen wieder aufzublühen. Wir öffnen uns wieder für die Pilgerinnen und Pilger aus aller Herren Länder. Auch Corona ist rum. Wir öffnen uns wieder der Öffentlichkeit.
Das war ein ganz, ganz wichtiger Akzent mit der Altarweihe - man kann sagen, der Eckstein. Christus selbst ist jetzt fest verankert. Mit dem Eckstein können wir das Mauerwerk weiterbauen. Und parallel zu diesem äußeren Aufbau wünsche ich mir einen inneren Aufbau.
DOMRADIO.DE: An Pfingsten findet auch offiziell Ihre Abtsbenediktion statt. Viele neue Aufgaben stehen somit an. Sind Sie eher voller Vorfreude oder doch nervös?
Schnabel: Ich habe immer Lampenfieber. Ich sterbe vor Lampenfieber, auch vor der Altarweihe. Ich war sehr, sehr nervös. Die, die mich kennen, haben mir auch geschrieben: Du wirst es überleben. Das traut man mir nicht zu. Ich wirke vielleicht etwas abgeklärt. Aber ich habe wirklich unglaublich Lampenfieber und bin immer sehr nervös vor allen Schritten.
Ich freue mich erstmal sehr über das Vertrauen meiner Mitbrüder. Es war für mich eine sehr überraschende Wahl. Damit verbunden ist auch eine Trauer. Ich bin noch Patriarchalvikar des lateinischen Patriarchats für alle Migranten und Asylsuchenden. Das werde ich Pfingsten offiziell abgeben. Gerade bin ich noch Patriarchalvikar und auch schon Abt. Und ich merke schon, dass ich beidem gerade nicht wirklich gerecht werde. Ich habe zwei voll fordernde Verantwortlichkeiten und ich freue mich auch darauf zu sagen: Ich bin dann wirklich ganz und gar da für meine Brüder und möchte mit denen auch wirklich schauen, wie wir Zukunft gestalten.
Ich habe Lust auf Zukunft, das kann ich sagen. Ich kann auch jeden einladen - jetzt ist der optimale Zeitpunkt, auch bei uns einzutreten. Denn wir sind gerade in einer Suchbewegung: Früher hat die Baustelle bestimmt, wann wir beten können. Jetzt müssen wir uns neu fragen, welche Tagesordnung wir haben wollen und wie wir beten wollen. Das ist jetzt eine ganz, ganz spannende Stunde Null. Wir haben jetzt die Berufung, diesen Ort wieder zu bespielen, auch das Kloster wieder zu beziehen. Es ist noch nicht fertig, es wird noch ein paar Wochen dauern. Ich finde, das ist ein ganz, ganz wunderbarer Moment, wo wir eigentlich als Kloster noch mal wirklich die Chance haben, ganz neu zu starten. Natürlich immer wissend, dass wir ganz, ganz viel denen verdanken, die vor uns da waren. Ich war sehr dankbar, dass einer meiner Vorgänger, bei dem ich selbst meine Profess abgelegt habe, bei der Altwarweihe auch dabei war.
Das war auch ein Jubiläum: Vor 117 Jahren, 1906, kamen die ersten Mönche. Ich freue mich jetzt einfach zu fragen: Was ist der Gründungsauftrag und auch zu schauen, was hat sich verändert, was ist aktuell dran? Politisch wird es immer sensibler. Christ zu sein ist immer diffiziler. Wir erleben natürlich auch, dass Ökumene einen Schub hier im Land braucht. Da gibt es eine große Bereitschaft. Die Christen sind so wenige, dass wir sehr aufeinander zugehen. Auch die Frage des interreligiösen Dialogs stellt sich. Genauso wie die Fragen: Wie verhält sich Religion auch zur Politik? Was ist die Berufung jedes Einzelnen? Wo sieht er sich und wo sehen wir uns als Gemeinschaft? Ich habe richtig Lust auf diese Schritte, die jetzt kommen.
DOMRADIO.DE: Der Altar in der Abtei ist zum ersten Mal aus Stein. Hat das eine besondere Bedeutung für Sie?
Schnabel: Was mich sehr, sehr freut, ist, dass er auch sozusagen einen tiefen Atemzug nimmt in der Geschichte. Die Mosaiken, die man vorne und hinten findet, sind aus dem ersten Altar. Wir hatten jahrzehntelang ein Provisorium aus Holz. Der neue Altar ist auch ein Zeichen: Wir sind ja hier alle Ausländer. Keiner von uns hat einen israelischen Pass. Ich muss auch jedes Mal mein Visum erneuern. Wir sind gefühlt alle ein bisschen auf der Durchreise. Ich könnte heute Nachmittag zum Flughafen fahren und heim fliegen.
In dieser immer mobiler werdenden Welt, ist es ein klares Bekenntnis, zu sagen: Dieser Altar ist stabil und erinnert uns auch nochmal daran, dass wir Benediktiner freiwillig hier sind. Das ist unsere Wahlheimat, hier gehören wir hin. Wir haben schon genug Herausforderungen erlebt. Aber, egal, was jetzt noch kommt, der Altar erinnert daran, dass wir keine Schönwetter-Christen sind, dass wir nicht nur hier sind, wenn's irgendwie nett und schön ist. Sondern wir sind hier, egal was kommt. Wir haben Ja gesagt zu diesem Ort, Ja zu unserer Berufung als Benediktiner auf dem Zion und in Tabgha (Zweigstelle der Abtei am See Genezareth, Anm. d. Red.).
Das Interview führte Sonja Geus.