Hinzu komme "als Brandbeschleuniger das ungeheuerliche Versagen im Umgang mit der Missbrauchskrise", sagte der katholische Theologe der "Süddeutschen Zeitung" (Ostern). Die Kirche habe sich diesen Verlust zu großen Teilen selber zuzuschreiben: "Das ist ein einziges Desaster, das wir da gerade erleben."
Dennoch glaube er, dass die christliche Botschaft, wonach im Ende ein neuer Anfang liegt und im Tod das Leben ist, die konkrete Kirchengestalt überrage und sie überdauern werde, erklärte Remenyi. Denn wenn jemand die Wahl treffe, dass dieses Leben einen Sinn habe, dann sei er schon ganz nah an dem, was das Christentum mit Auferweckung meine.
Denken und Glauben
Als Theologe sei das Nachdenken über den Glauben sein Beruf, erläuterte Remenyi: "Ich denke über den Glauben nach, versuche ihn zu reflektieren und gegebenenfalls auch zu kritisieren." Das sei komplex, aber der Glaube selbst ganz einfach. "Es ist dieser Akt des Vertrauens, dass die Welt nicht nur aus Butscha, Irpin und Mariupol besteht und nicht nur aus den Foltergefängnissen in Damaskus und nicht nur aus den untergegangenen Flüchtlingsbooten." Der Glaube sei das Vertrauen darauf, dass da ein Sinn sei. Trotz der Absurdität, in der sich der Mensch jeden Tag wiederfinde. "Dieser Akt des Vertrauens ist das Einfachste und zugleich Schwerste der Welt."
Von der Forderung, die Kirche solle sich wieder mehr ihrem Kerngeschäft der Evangelisierung zuwenden und nicht so viel auf ihrem Missbrauch herumreiten, hält der Fundamentaltheologe nichts. Denn: "Wie wollen Sie eine Botschaft des Lebens und der Heilung verkündigen, wenn Sie die Schwächsten vor die Hunde gehen lassen?" Schließlich gehe es nicht darum, irgendwie zu versuchen, die Kirchen wieder voll zu kriegen.
Der 52-Jährige räumte ein, dass ihm selber durch die vorhandene Krise über die Jahre viel von der volkskirchlichen Beheimatung verloren gegangen sei. Diese Heimatlosigkeit, in der er sich befinde, versuche er ohne Bitterkeit auszuhalten und zu leben. Auf der anderen Seite werde ihm, je älter er werde, das Osterfest in seinem Gehalt und in seiner Hoffnung immer wichtiger. "Weil es das ist, was mich trägt und mir Trost und Hoffnung gibt."