Umweltbischof Lohmann verteidigt Atomausstieg

"Vorreiterrolle einnehmen"

An diesem Samstag gehen die drei letzten Deutschen AKWs vom Netz. Weihbischof Rolf Lohmann begrüßt diesen Schritt trotz aller aktuellen Kritik - hat für gewisse Formen des Klimaprotests allerdings wenig Verständnis.

Atomausstieg / ©  Sina Schuldt (dpa)
Atomausstieg / © Sina Schuldt ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die Mehrheit der Deutschen lehnt die AKW-Abschaltung ab, so eine aktuelle INSA Umfrage. Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki nennt den Atomausstieg einen "dramatischen Irrtum", wie so viele in seiner Partei. Haben die alle Unrecht, Herr Weihbischof?

Rolf Lohmann / © Harald Oppitz (KNA)
Rolf Lohmann / © Harald Oppitz ( KNA )

Weihbischof Rolf Lohmann (Umweltbischof der Deutschen Bischofskonferenz): Der Atomausstieg ist ja schon länger, seit der Atomkatastrophe nach dem Erdbeben in Japan, beschlossene Sache. Und es war klar, dass der Aufschub zur Abfederung der Energiekrise ja nur temporär sein würde. Der Beschluss zum Ausstieg ist von der Politik, so sehe ich das jedenfalls, demokratisch legitimiert gefasst worden. Und er wurde damals von der breiten Bevölkerung mitgetragen. Das scheint jetzt in dem Maße nicht mehr zu sein. Doch es ist auch richtig, dass es dazu unterschiedliche Ansichten durchaus auch auf der Seite der Experten gibt.

Ich persönlich kann nur sagen, dass ich den Entschluss zum Ausstieg unterstütze. Die Abschaltung muss auch im Sinne der Energiesicherheit mit einem noch gezielteren Ausbau erneuerbarer Energien einhergehen. Dafür muss das Tempo auch erhöht werden.

DOMRADIO.DE: Während Deutschland sich jetzt von der Last der letzten Atommeiler befreit, werden unsere Nachbarn weiter Kernenergie produzieren, die wir sogar importieren, zum Beispiel aus Frankreich. Ist der deutsche Sonderweg dann nicht vor allem der Ideologie geschuldet?

Lohmann: Erst mal ist es richtig, dass einige Atomkraftwerke ja ganz in unmittelbarer Nähe zu unserer Grenze nach Deutschland hin stehen. Aber das muss für uns ja keinen Vorbildcharakter haben. Im Gegenteil, ich sehe es so, dass wir als wichtige Industrienation eine Vorreiterrolle einnehmen sollten und zeigen können, dass es auch ohne Kohle und Atomstrom möglich sein kann, ausreichend Energie zu produzieren oder aus Wind, Wasser und Sonne zu gewinnen. Ich meine, diese Anstrengungen müssen wir nach vorne stellen und deswegen diesen Weg auch gehen.

Weihbischof Rolf Lohmann (Umweltbichof der Deutschen Bischofskonferenz)

"Es kann in meinen Augen nicht angehen, dass wir tausenden Generationen unseren Müll aufbürden."

DOMRADIO.DE: Die Europäische Union hatte letztens erst die Atomkraft als nachhaltig eingestuft. Wie sehen Sie dieses grüne Label?

Lohmann: Nachhaltig ist richtig, aber sie muss ja nicht per se gut sein. Es werden bei der Nutzung von Atomstrom keine fossilen Energieträger verbrannt. Und das ist, keine Frage, mit Blick auf die Klimaveränderung positiv zu bewerten. Aber eine Frage ist auch, ob wir nicht vom Regen in die Traufe kommen, wenn wir unseren Nachfahren für Zehntausende Jahre atomaren Müll hinterlassen, der im höchsten Maße die Gesundheit gefährdet? Es kann in meinen Augen nicht angehen, dass wir tausenden Generationen unseren Müll aufbürden, anstatt jetzt selbst die Hausaufgaben zu machen und Energiequellen zu nutzen, die uns und unsere Nachfahren eine lebenswerte Schöpfung bewahren. Da ist nachhaltige und langfristige Sicht das Wichtigere.

DOMRADIO.DE: Inwieweit sehen Sie die Schöpfung auch nach dem Atomausstieg belastet?

Lohmann: Es ist unsere Aufgabe, die Schöpfung zu bewahren, sowohl heute, als auch in Zukunft. Die Weichen für diese Zukunft müssen heute gestellt werden. Gott hat uns Verantwortung für seine Schöpfung gegeben. Es ist an uns, diese Verantwortung wahrzunehmen und jedweden Müll und Dreck zu vermeiden, wo immer es geht. Das gilt für Atommüll, wie für Plastiktüten, Feinstaub und Kohlendioxid. Wir belasten ja die Schöpfung über alle Maßen und das sehenden Auges. Wenn wir Gottes Auftrag zur Bewahrung der Schöpfung ernst nehmen, dann drohen wir auf ganzer Linie zu versagen. Aber noch ist es nicht zu spät. Das ist jetzt unsere Aufgabe. Und es ist nicht gut, wenn wir jetzt in Krisenzeiten stehen, nur kurzfristig zu denken. Das ist nicht gut bei diesem riesigen Thema.

Weihbischof Rolf Lohmann (Umweltbichof der Deutschen Bischofskonferenz)

"Friedlicher Protest darf nicht mit Straftaten einhergehen"

DOMRADIO.DE: Wie stehen Sie zu Protestaktionen für das Klima, beispielsweise von den Aktivistinnen und Aktivisten der "Letzten Generation"?

Lohmann: Ich unterstütze alle friedlichen Formen des Protestes ausdrücklich. Ich nenne beispielsweise "Fridays for Future" oder auch die "Christians for Future". Ich habe schon oft mit Klimaaktivisten gesprochen und es berührt mich wirklich, wie sich diese Menschen, gleich welchen Alters oder aus welcher sozialen Gruppe, für das Klima und damit auch für unsere Zukunft einsetzen. Dazu müssen sie auf sich aufmerksam machen und ich bin der Meinung, dass das besonders Fridays for Future immer gut gelungen ist.

Was ich allerdings nicht unterstützen kann, wenn sich einzelne Aktivisten radikalisieren oder den Boden der Rechtsstaatlichkeit verlassen. Friedlicher Protest darf nicht mit Straftaten einhergehen. Am Ende schaden die radikalisierten Demonstranten der Sache, weil es für viele Aktionen, nehmen wir mal das Festkleben auf der Straße oder das Beschmieren von Kunstwerken oder Gebäuden, wirklich auch keine Unterstützung innerhalb der Gesellschaft geben kann. Aber wenn wir unsere Erde retten wollen, dann geht das nur gemeinsam. Das Ziel und der Weg dorthin müssen auf einem gesamtgesellschaftlichen Konsens beruhen. Das ist meine Meinung zu diesem Themenfeld.

DOMRADIO.DE: Heißt Der Zweck heiligt auch nicht die Mittel?

Lohmann: Nein.

Das Interview führte Katharina Geiger.

Regierungssprecherin: Bundeskanzler Scholz hält an Atomausstieg fest

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht hinter der geplanten Abschaltung der letzten drei deutschen Atomkraftwerke in wenigen Tagen. "Der Atomausstieg zum 15.04., also zu diesem Samstag, ist beschlossene Sache. Und das hat der Kanzler immer wieder so betont", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Mittwoch in Berlin. Kurz vor dem Stichtag hatte die FDP darauf gepocht, die Meiler noch in Reserve zu lassen und nicht sofort zurückzubauen.

Kühltürme eines Atomkraftwerks / © vlastas (shutterstock)
Kühltürme eines Atomkraftwerks / © vlastas ( shutterstock )
Quelle:
DR