DOMRADIO.DE: Sie waren noch im März selbst vor Ort und konnten sich ein Bild von der Lage im Sudan machen. Welche Eindrücke haben Sie da mitgenommen?
Lisa Görgen (Co-Leiterin für Internationale Programme bei der internationalen Hilfsorganisation "Save the Children"): Schon vor Ausbruch der Kampfhandlungen, war der Sudan in einer humanitären Krise. Schon vorher war es so, dass 15,8 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen waren. Das ist ungefähr ein Drittel der Bevölkerung, mehr als die Hälfte davon sind Kinder
Ich konnte damals unsere Programme in Darfur besuchen. Neben humanitärer Hilfe im Gesundheitsbereich zum Beispiel haben wir dort auch langfristige Maßnahmen umgesetzt und unterstützt.
Es geht uns zum Beispiel darum, einkommenschaffende Maßnahmen für die Menschen zu unterstützen. Wir haben Saatgut verteilt und Ziegen für die Milchproduktion und auch viele Landwirte mit Schulungen unterstützt.
Ich habe mit ein paar wirklich beeindruckenden Frauen gesprochen, die mir sehr stolz berichtet haben, wie sie ihre Ernteerträge steigern konnten. Auch alle diese Aktivitäten und die langfristige Wirkung, die damit eigentlich erzielt werden sollte, sind massiv von der aktuellen Situation betroffen.
DOMRADIO.DE: Sie haben Kontakt mit den Leuten vor Ort. Wie ist es?
Görgen: Die schon vorher prekäre Lage wird aktuell massiv verschlimmert. Familien mussten sich über Tage und länger in ihren Häusern verstecken, sind teilweise auch immer noch dort gefangen oder versuchen, der Situation zu entkommen. Sie sind dort ohne Nahrung, ohne sauberes Wasser, ohne Stromversorgung. Und das bei wirklich heißen Temperaturen, so um die 40 Grad in Khartum beispielsweise.
DOMRADIO.DE: Die Feuerpausen werden nicht immer konsequent eingehalten. Können Sie als Hilfswerk unter diesen Umständen überhaupt weiterarbeiten?
Görgen: Wir führen aktuell unsere Programme weiterhin dort durch, wo die Sicherheitslage es erlaubt. Wir haben beispielsweise einige der von Save the Children unterstützten Gesundheitseinrichtungen in verschiedenen Landesteilen, die auch in den letzten Tagen weiterhin betrieben werden konnten.
Aber natürlich ändert sich vieles einfach von Tag zu Tag und die Sicherheit unserer Mitarbeitenden hat in der ganzen Situation absolute Priorität.
DOMRADIO.DE: Was können wir in Deutschland denn machen, um zu helfen?
Görgen: Wir bereiten uns jetzt aktuell schon darauf vor, unsere Nothilfe auszuweiten, sobald der Zugang sicher und das möglich ist. Dafür brauchen wir finanzielle Unterstützung für die akute Nothilfe, aber auch für die mittel- und längerfristige Arbeit, um das wieder aufzugreifen und weiterführen zu können, was die Menschen im Sudan so dringend benötigen.
Momentan haben wir sehr viel Aufmerksamkeit für die Situation im Land, aber die Lage für die Kinder und für die Familien war auch vorher schon prekär. Das wird leider eine ganze Weile noch so bleiben, auch wenn die öffentliche Aufmerksamkeit irgendwann wieder nachlässt.
DOMRADIO.DE: Zwei Generäle kämpfen um die Macht. Zivilisten sind in Gefahr, können kaum rausgehen. Können Sie eine Prognose wagen, wie Sie den weiteren Verlauf dieses Konflikts einschätzen?
Görgen: Das ist wirklich sehr, sehr schwierig aktuell. Man sieht ja, dass die vereinbarten Feuerpausen verlängert werden, aber immer nur für wenige Tage. Es gibt auch da immer wieder Unterbrechungen.
Die Vereinten Nationen sagen, dass sie nicht komplett flächendeckend eingehalten werden können. Es gibt sehr viele Bemühungen, aber aktuell ist es leider unheimlich schwierig, eine Prognose abzugeben, wie die Situation sich entwickeln wird.
Das Interview führte Elena Hong.