DOMRADIO.DE: "Wer viel Geld hat, muss viel Klima schützen" heißt es in der Caritas-Kampagne. Was ist damit gemeint?
Astrid Schaffert (Caritas-Referentin für sozial gerechte Klimapolitik): Der CO2-Ausstoß steigt mit dem Einkommen. Also je mehr Geld ich zur Verfügung habe, desto höher ist mein CO2-Fußabdruck im Schnitt. Die untere Hälfte der Bevölkerung emittiert momentan durchschnittlich ungefähr sechs Tonnen CO2 pro Jahr.
Bis 2030 müssen wir auf fünf Tonnen runterkommen. Das ist das Ziel der deutschen Bundesregierung. Da fehlt also nicht mehr viel, um das 2030-Ziel zu erreichen.
Die oberen zehn Prozent in Deutschland emittieren im Schnitt 30 Tonnen pro Person und Jahr. Aber das oberste eine Prozent emittiert fast 100 Tonnen CO2 pro Jahr – Tendenz steigend.
DOMRADIO.DE: Das heißt, Menschen mit weniger Geld sind mehr oder weniger automatisch die besseren Klimaschützer?
Schaffert: Im Prinzip ja. Daran sieht man auch, wo die Hebel sind, um die Treibhausgasemissionen zu senken.
DOMRADIO.DE: In dieser Kampagne haben Sie eine Beispielfigur, die Sie vorstellen. Jenny ist Mitte 40. Sie kommt aber, obwohl sie Arbeit hat, immer schwerer über die Runden. Ihre These lautet, dass richtig umgesetzter Klimaschutz Jenny und allen Menschen mit wenig Geld im Alltag helfen würde. Erklären Sie das bitte mal.
Schaffert: Schaut man mal auf die Mobilität: Jenny kann sich kein Auto leisten, dafür verdient sie zu wenig Geld. Wenn es jetzt eine deutliche Akzentverschiebung in der Verkehrspolitik gäbe – weg vom Auto, hin zur Förderung des ÖPNV – dann würde sie in vielfacher Hinsicht davon profitieren.
Gäbe es einen besser ausgebauten ÖPNV, gerade auch auf dem Land, der preisgünstig für sie ist, dann hätte sie mehr Mobilitätsmöglichkeiten oder sie hätte eine Verbesserung in Teilhabe und Gesundheit.
Viele Personengruppen, die kein Auto besitzen können, haben es in der momentanen Verkehrspolitik deutlich schwerer als die Menschen mit mehr Geld. Dasselbe kann man auch in anderen Bereichen durchdeklinieren.
DOMRADIO.DE: Deshalb lautet also eine ihrer Forderungen "Mehr Busse für weniger Geld". Außerdem fordern Sie Wärmedämmung für Mietwohnungen. Macht es einen Unterschied, ob Wohnungen von wohlhabenden oder von sozial schwachen Menschen schlecht gedämmt sind?
Schaffert: Der Klimakatastrophe ist es egal, wer die Treibhausgase emittiert. Aber für die Menschen macht es einen Unterschied. Wir steigen ein bisschen mit dieser Kampagne darauf ein, weil es in der Öffentlichkeit immer heißt, Klimaschutz sei nur etwas für Besserverdienende, Arme könnten sich das gar nicht leisten. Dem wollen wir widersprechen.
Gerade wenn wir die Wohnungen von den Einkommensschwächeren mit gezielten Förderprogrammen dämmen würden, dann würde es ihnen auch finanziell helfen. Einkommensärmere müssen immer einen höheren Anteil ihres Einkommens für den Grundbedarf ausgeben, zu dem auch Energie gehört.
Jetzt sind die Energiepreise im letzten Jahr sehr angestiegen. Die Gaspreise sind doppelt so hoch wie vor einem Jahr. Das ist für Menschen mit wenig Geld natürlich ein deutlich größeres Problem als für die, die mehr finanzielle Spielräume haben.
Das heißt, aus sozialer Perspektive ist es sehr wichtig, dass genau die Wohnungen gedämmt werden, in denen die Einkommensärmeren wohnen. Denn da sind meistens auch die energetischen Standards sehr schlecht.
DOMRADIO.DE: Zu Ihrer Kampagne gehört auch "Jenny auf Tour". Was ist denn das für eine Tour? Wer tourt da und wohin?
Schaffert: Jenny gibt es als eine überlebensgroße Figur von vier Metern Höhe. Die besucht die unterschiedlichen diözesanen Caritas- und Ortsverbände und fährt durchs Land. Die Verbände machen mit Jenny dann eine Veranstaltung, um die Perspektive gerade der Einkommensärmeren in den Bezug auf Klimaschutz in die Debatte zu bringen.
DOMRADIO.DE: Das heißt, Ihre Kampagne richtet sich als aufklärendes Element an die Betroffenen oder geht das an die Politik?
Schaffert: Beides. Auf der einen Seite ist es schon sehr aufklärend, genau diese Perspektive "Klimaschutz statt Armut" oder "Klimaschutz, der allen nutzt" reinzubringen. Das hat schon ein aufklärendes Moment.
Aber wir richten uns natürlich auch an die Politik und fordern, dass ein Rahmen so geschaffen wird, dass wir alle die in Paris vereinbarten Klimaziele erreichen können.
Denn in keinem anderen Politikfeld sparen wir uns Regeln und lassen Individuen die Dinge selber regeln. In der Straßenverkehrsordnung zum Beispiel gibt es sehr viele Regeln. Das brauchen wir in der Klimapolitik auch. Die Zeit der individuellen Anreize ist vorbei. Wir müssen zu klareren Rahmen kommen.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.