Britischer König Charles III. gekrönt

"Verteidiger des Glaubens"

Mehr Farben, mehr Formular gehen kaum. Die Krönung Charles III. war ein Spektakel für die Geschichtsbücher. Nun ist er König mit allen Ehren und Insignien. Doch neben Jubel und Kanonendonner gab es auch Murren am Wegesrand.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Krönung Charles III. / © Jonathan Brady (dpa)
Krönung Charles III. / © Jonathan Brady ( dpa )

1953 hieß es "Coronation Weather", 1954 "Fritz-Walter-Wetter". Gemeint ist immer: Regen! So auch wieder an jenem historischen Samstagmittag, als sich um 11.22 Uhr die in Australien gefertigte Aluminium-Prachtkutsche mit Charles III. und Königin Camilla auf den Weg zur Westminster Abbey macht. Doch für den Beschirmer der Briten und seine Gäste stehen natürlich Schirme bereit.

Exakt eine Stunde vor Beginn der Zeremonie ziehen die höchsten Vertreter der nicht-anglikanischen Religionsbekenntnisse in die Kirche ein: von Hinduismus, Sikhismus, Buddhismus, Jainismus, sunnitischem und schiitischem Islam, Judentum; von koptischem, griechisch-orthodoxem, katholischem Christentum.

Katholiken erlaubt

1953 blieben noch die Vertreter der katholischen Kirche vor der Westminster Abbey stehen; aus Protest gegen ein antikatholisches Gesetz aus dem Jahr 1701, das dem Monarchen die Hochzeit mit "Papisten" verbot; es wurde erst vor wenigen Jahren aufgehoben. Diesmal sind nun der Vatikan und die katholische Kirche in Bestbesetzung angetreten. Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin nimmt als Stellvertreter des Papstes teil; die katholische Kirche in England hat den Erzbischof von Westminster am Start, Kardinal Vincent Nichols.

Parolin, die Nummer zwei der Vatikan-Hierarchie, ist der bislang wohl höchstrangige Repräsentant des Heiligen Stuhls, der je an einer Krönung in England teilnahm. Als Geschenk von Papst Franziskus erhielt King Charles im Vorfeld zwei Splitter des Heiligen Kreuzes Jesu. Die Reliquien wurden in ein walisisches Silberkreuz eingearbeitet, das der Krönungsprozession vorangetragen wird.

Charles ist auch Kirchenoberhaupt

Den neuen König, weltliches Oberhaupt der anglikanischen Staatskirche von England, wird diese Verbindung freuen; ist er doch dem Katholizismus noch freundlicher verbunden als schon seine Mutter Elizabeth II. in ihrer späteren Phase. Zugleich hat er zugesagt, seinen päpstlichen Ehrentitel "Verteidiger des Glaubens" - den die Engländer nach der Abspaltung von Rom weiter führten -, nicht nur im Sinne der Church of England, sondern aller Religionen im Königreich zu interpretieren.

Mit im Publikum: der walisische Ehrenbarde Rowan Williams, Baron of Oystermouth. Er muss oder darf seinem Nachfolger als Erzbischof von Canterbury zuschauen. Justin Welby ist vergönnt, was in Williams' Amtszeit nicht stattfand: der gestorbenen Königin das letzte geistliche Geleit zu geben - und nun den neuen König zu krönen.

Erzbischof von Canterbury

Wie ein anglikanischer Pastor steht Welby vor dem Hauptportal der Abtei, um 45 Minuten vor Beginn die früheren Premierminister per Handschlag zu begrüßen. Vor seiner Kirchenkarriere war er einst Manager in der Öl-Industrie; heute segnet er das Salb-Öl für den neuen König.

Dann geht es endlich los. Nach einem eher unglücklichen, musicalartigen Vorspiel von Paul Meanor singt Sir Bryn Terfel das Kyrie auf Walisisch: "Arglwydd, trugarha" - Herr, erbarme dich. Der amtierende Premier Rishi Sunak trägt die erste Bibellesung aus dem Kolosserbrief des Apostels Paulus vor - freilich qua politischem Amt, nicht weil er gläubiger Hindu ist. Das Evangelium trägt die Bischöfin von London vor, Sarah Mullally; die ranghöchste weibliche Amtsträgerin der Kirche von England.

Traditionelle Liturgie

Die gesamte, hoch symbolische Krönungsliturgie in Westminster Abbey spiegelt die traditionelle religiöse Rolle des Königs wider. Zierschwerter und King-James-Bibel dienen der Verteidigung des Glaubens; griechisch-orthodoxe Klänge bei der Übergabe der Herrschaftsinsignien, Reverenz an Charles' Vater, Prinz Philipp.

Vor allem dann beim weihevollsten Moment der Zeremonie, vor den Augen der Anwesenden durch einen Paravent verhüllt: die Salbung des Königs mit ökologisch wertvollem Öl aus Jerusalem. Dazu erklingt die 300 Jahre alte Hymne "Zadok the Priest" von Georg Friedrich Händel (1685-1759) - Fußballfans in verballhornter Form auch bekannt als Hymne der Uefa Champions League.

Krone und Segen

Danach noch den vollen Satz Herrschaftsinsignien und die zwei Kilo schwere Edwards-Krone. Segensformeln mehrerer Konfessionen, Treueeide vor dem Thron. "God Save the King!" Die Krönung von Königin Camilla - endlich ein Lächeln! - Feier der Eucharistie. Dann dürfen die Zuschauer noch einmal einige Minuten Farben, Stile, hymnische Klänge und Multikulturalität des Commonwealth passieren lassen. Nun ist geschehen, worauf Monarchisten, Adels- und Klatschliebhaber monate-, ja jahrzehntelang gewartet haben. Der Rest ist Überschwang.

Doch nicht bei allen. Rund 2.000 republikanische Demonstranten protestierten am Vormittag auf dem Trafalgar Square gegen die millionenteure Zeremonie und die jährlichen staatlichen Zuwendungen von wohl Hunderten Millionen Pfund für die Monarchie. Ihr Symbol: Schilder und T-Shirts mit der Parole "Not my King!" (nicht mein König). Es soll mehrere Verhaftungen gegeben haben. Eine königliche Amnestie am Krönungstag? Dazu reichen die Befugnisse des Monarchen im 21. Jahrhundert nicht mehr aus.

Die Krönungshymne und die UEFA Champions League

Was seit 1992 als pompöse Hymne der UEFA Champions League Rasentreter quasi sakralisiert und Fans elektrisiert, hat seinen eigentlichen Sitz: in der englischen Königskrönung. Die Hymne "Zadok the Priest" wurde von Georg Friedrich Händel (1685-1759) komponiert, als eine von vier Krönungshymnen für König George II. 1727. Seither wurde sie bei der Krönung jedes britischen Monarchen gesungen, und zwar zur Salbung.

Westminster Abbey / © Samot (shutterstock)
Quelle:
KNA