Schauspieler Fürmann erinnert an vergessene Krise im Libanon

"Mit gewissen Privilegien gehen gewisse Pflichten einher"

Nicht nur wegen der Nachwirkungen der Explosion im Hafen von Beirut vor fast drei Jahren ist der Libanon ein von vielen Krisen gebeuteltes Land. Der Berliner Schauspieler Benno Fürmann erinnert an diese "Vergessene Krise".

Demonstranten mit libanesischer Fahne (Archiv) / © Hussein Kassir (shutterstock)
Demonstranten mit libanesischer Fahne (Archiv) / © Hussein Kassir ( shutterstock )

KNA: Wieso unterstützen Sie die Aktion "Vergessene Krisen"?

Schauspieler Benno Fürmann / © Henning Kaiser (dpa)
Schauspieler Benno Fürmann / © Henning Kaiser ( dpa )

Benno Fürmann (Schauspieler): Weil ich ein Mensch bin und mich Menschen interessieren. Weil ich weiß, dass ich sehr privilegiert bin und unendlich viel Glück hatte bei der Geburtslotterie. Dabei habe ich ja nichts dafür getan. Das ist nichts, was ich mir selbst erarbeitet habe: Dass ich in Westberlin 1972 zur Welt gekommen bin - mit einem verbeamteten Lehrervater und einer entsprechenden Grundsicherung und Schulbildung. Das waren ganz stabile Verhältnisse bei uns, und die sind nicht jedem gegeben, wie ich jetzt wieder aufs Schmerzlichste feststellen musste. Das live mitzuerleben, nicht getrennt durch einen Bildschirm, war sehr beeindruckend, auch wenn das nicht meine erste Reise in ein solches Land war.

KNA: Welche Eindrücke nehmen Sie mit?

Fürmann: Ich war erstmal erschüttert von dem Leid. Ein Land zu erleben, das eine Regierung hat, die sich permanent selbst blockiert, wo alte Menschen keine Rente bekommen, wo die Kaufkraft des Geldes verloren gegangen ist und sie auf Hilfe angewiesen sind. Es gibt keine Grundversorgung; mal gibt es Benzin, mal keins. Mal gibt es Strom, mal keinen. Auch in den Hotels, in denen wir waren, habe ich Stromausfall erlebt. Das ist dort ganz normal.

KNA: Welche Begebenheit hat Sie am meisten beeindruckt?

Fürmann: Das war ein Feuerwehrmann, den ich in den syrischen Flüchtlingslagern getroffen habe, wo nach Schätzungen 95 Prozent der Flüchtlinge unterhalb der Armutsgrenze leben. Wenn da was beim Kochen umkippt oder der Wind aus der falschen Richtung bläst, dann brennt es lichterloh, und die Menschen können sich nicht retten und sterben.

Es war schön, das Leuchten in den Augen dieses Mannes zu sehen, der helfen will und jetzt mit seinem Feuerwehranzug und drei anderen Freiwilligen mit Eimern, mit Sand, mit notdürftigsten Instrumenten Brände löscht. Aber es war auch schmerzhaft, dass solche Menschen, die sich mit Phantasie, Mut und Improvisationsgabe einbringen, gefangen sind in einem System, das ihnen keine großen Spielräume lässt. Da kann man sich noch so oft auf die Fahnen schreiben: 'Du kannst alles erreichen, was du willst'. In so einer Situation sind die Chancen einfach extrem gering.

KNA: Sie waren mit zahlreichen Hilfsorganisationen im Land...

Fürmann: Ja. Es gibt Kraft, Menschen zu treffen, die sich unter extremem Einsatz für andere Menschen einsetzen. Wahrscheinlich war es einer der schönsten Momente, als wir in einer Suppenküche in Beirut alle gemeinsam gegessen haben. Wir haben gebetet und gedankt für das einfache Mahl. Und ich hatte sehr feuchte Augen, weil das einfach sehr verbindend war, ich aber gleichzeitig wusste, auf mich wartet ein Flieger in vier Tagen, der mich wieder in eine andere Welt bringt, wo es mehr als eine Mahlzeit am Tag gibt.

KNA: Wie fühlten Sie sich dort als reicher Deutscher – angesichts der großen Armut?

Fürmann: Ich bin mir bewusst, dass ich dort als reicher, weißer Europäer hingekommen bin. Insofern ging da eine gewisse Demut mit einher. Gleichzeitig war ich aber nicht da, um Betroffenheit zu demonstrieren. Sondern um Menschen zu begegnen und ihre Geschichten zu hören, sodass sie merken, dass wir bei ihnen stehen.

KNA: Was können wir in Deutschland von den Menschen dort lernen?

Fürmann: Dankbarkeit und Demut. Und das Bewusstsein, dass uns vieles geschenkt wurde durch die Umstände, in die wir geboren sind. Auch wenn es hier Leuten schlecht geht, auch wenn hier mancher nicht ein noch aus weiß, ist die soziale Absicherung – ob genügend, darüber mag man diskutieren - bei uns in einem ganz anderen Maße vorhanden als dort.

KNA: Dankbarkeit und Demut – das spielt in unserer Gesellschaft eine sehr untergeordnete Rolle. Müssen wir umdenken?

Fürmann: Ich würde es eher als Umfühlen formulieren. Der Kapitalismus hinterlässt bei uns sicherlich Spuren. Viele Leute strampeln und haben das Gefühl nicht von der Stelle zu kommen. Und je komplizierter das wird, desto mehr neigt man dazu, sich erstmal auf den eigenen kleinen Umkreis zu konzentrieren. Und dann gibt es natürlich noch die anderen, die sehr viel haben und auch nicht wirklich in Kontakt sind mit dem größeren System.

Wir brauchen einfach ein anderes Bewusstsein. Wir können die Welt nur verändern, wenn wir uns in Bezug zur Gesellschaft setzen und uns nicht als Einzelbaustelle betrachten. Keiner von uns ist alleine geboren, keiner von uns wird hoffentlich alleine sterben. Ich finde, mit gewissen Privilegien gehen gewisse Pflichten einher, auch dahin zu schauen, wo es schlechter aussieht als bei einem selber.

KNA: Was bedeutet Glauben für Sie?

Fürmann: Ich bin nicht getauft, mir war aber Spiritualität als eine Anbindung an das Göttliche sehr früh schon sehr wichtig. Ich bete und meditiere, und ich glaube, dass Jesus Christus ein großer Mann war.

Ich bin aber in meinem Glauben freier in der Form, was Vorteile hat, aber für mich manchmal auch herausfordernd ist. Also da ist immer eine Suche und ein Lauschen. An Religionen schätze ich das Verbindende: das Verneigen vor dem Größeren, vor dem Höheren, vor dem, was immer war, immer ist und immer sein wird.

KNA: Das hört sich jetzt gar nicht nach dem harten Mann an, den Sie in Filmen häufig verkörpern...

Fürmann: Ja, das stimmt, ich habe in den letzten Jahren sehr viele harte, harte Männer gespielt. Dabei habe ich eigentlich das Gefühl, dass ich innerlich immer weicher werde.

Das Interview führte Nina Schmedding.

Quelle:
KNA