Was hat Schawuot mit Pfingsten zu tun?

Juden feiern Schawuot

An diesem Donnerstag beginnt für Jüdinnen und Juden weltweit "Schawuot". Es ist ein Fest, ohne das es Pfingsten in der katholischen Kirche nicht gäbe. Und das die Israeliten in biblischer Zeit fast verschlafen hätten.

Autor/in:
Ina Rottscheidt
Symbolbild Thorarolle / © Olesya Baron (shutterstock)

Schawuot (deutsch: "Wochen") wird jedes Jahr 50 Tage nach dem Pessachfest gefeiert und fällt damit in der Regel in die Monate Mai oder Juni. In diesem Jahr beginnt es am 25. Mai bei Sonnenuntergang und endet bei Anbruch der Nacht am 27. Mai. In Israel wird das Wochenfest im Gegensatz zum Rest der Welt nur an einem Tag gefeiert – in diesem Jahr am 26. Mai.

Nach der Überlieferung verkündete Gott an diesem Tag vor mehr als 3000 Jahren am Berg Sinai dem jüdischen Volk die Zehn Gebote. Es ist das erste Moral­gesetz in der Geschichte der Menschheit, auf das sich bis heute Ethik und Moralvorstellungen des Abendlandes gründen: Eine zeitlose Richtschnur für menschliches Zusammenleben, damit kein Chaos ausbricht. Schawuot ist somit das "Fest der Toragebung".

Bund mit Gott

Für die Juden ist es auch der Beginn des Bundes zwischen Gott und seinem Volk: An diesem Tag versprachen sie sich gegenseitig ewige Treue. Im Alten Testament heißt es: "Aber nicht nur mit euch, die ihr heute vor dem Herrn, eurem Gott, steht, wird dieser Bund geschlossen, sondern zugleich mit euren Nachkommen, die noch nicht geboren sind." (Deut. 29:13-14).

Die sieben Wochen zwischen Pessach und Schawuot entsprechen der Zeit zwischen dem Auszug aus Ägypten, wo das Volk Israels aus der Knechtschaft befreit wurde, und der Gottesoffenbarung am Berg Sinai. Die Befreiung und der Empfang der Zehn Gebote Gottes bilden Höhepunkte in der jüdischen Geschichte.

Darstellung von Moses mit den Zehn Geboten / © piosi (shutterstock)
Darstellung von Moses mit den Zehn Geboten / © piosi ( shutterstock )

Gleichzeitig ist Schawuot aber auch das "Fest der Ernte". Dabei danken Juden Gott für die ersten Früchte, die sie in diesem Jahr ernten, in der Bibel heißt es dazu: "Und du sollst das Fest der Wochen halten mit den Erstlingen der Weizenernte, und das Fest der Einsammlung, an der Wende des Jahres" (2. Mose 34,22).

Wenn die Bauern in Israel beginnen, den Weizen zu ernten, sollen die Juden also dieses Fest feiern. An den landwirtschaftlichen Bezug erinnert bis heute der Brauch, die Synagogen mit Blumen und frischem Grün zu schmücken. Kinder, in weißer Kleidung, mit Kränzen und Zweigen in den Händen, ziehen durch die Stadt. Häuser sind mit bunten Fahnen und Bändern geschmückt.

Zusammen mit Pessach und dem Laubhüttenfest Sukott zählte das Wochenfest zu den drei Pilgerfesten des Judentums: Bis zur Tempelzerstörung im Jahr 70 nach Christus zogen die Gläubigen nach Jerusalem, um dort Ernteopfergaben darzubringen.

Ohne Schawuot kein Pfingsten

Ohne Schawuot gäbe es auch kein Pfingsten: "Pfingsten" leitet sich vom altgriechischen "Pentekoste" ("fünfzig") ab und meinte zunächst den fünfzigsten Tag nach Pessach. Die Jünger hatten sich also zum Wochenfest versammelt. Darum war Jerusalem auch voller Pilger aus verschiedenen Ländern, denen die Jünger anschließend in ihren Muttersprachen predigen konnten. In der Apostelgeschichte heißt es: "Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab." (Apg 2,4)

Somit gibt es eine weitere bemerkenswerte Parallele: Das Jüdische Gottesvolk wurde sozusagen an Schawuot als solches konstituiert durch den Bund mit Gott. Die christliche Kirche wurde initiiert durch die Geistsendung am Pfingsttag.

Orthodoxe Juden in den USA / © Andrey Bayda (shutterstock)
Orthodoxe Juden in den USA / © Andrey Bayda ( shutterstock )

Wie alle jüdischen Feiertage beginnt auch Schawuot am Vorabend. Traditionell entzünden die weiblichen Familienmitglieder besondere Kerzen, um das Fest einzuläuten. Daran schließt sich ein feierliches Abendessen an, an dem traditionell vor allem Süß- und Milchspeisen gegessen werden, Palatschinken zum Beispiel, Strudel oder Käsekuchen.

Dafür gibt es in der jüdischen Tradition unterschiedliche Begründungen. Eine davon lautet, dass Gott den Israeliten ein Land versprochen hatte, "in dem Milch und Honig fließen" (2. Mose 3,8) und die Speisen an Schawuot darauf Bezug nehmen. Es ist aber auch überliefert, dass die Juden am Berg Sinai alle Gebote und damit auch die Speisegesetze auf einmal erhielten. Da die Trennung von Fleisch und Milch für sie neu war, aßen sie vorsichtshalber anfangs nur Milchspeisen.

Fast verschlafen

Nach dem Festessen geht Schawuot erst richtig los. Für gläubige Juden ist üblich, die ganze Nacht wach zu bleiben und die Tora zu studieren. Die jüdische Tradition liefert auch dafür eine überraschende Begründung: Ausgerechnet an dem Tag, an dem die Israeliten auserwählt werden sollten, hatten sie verschlafen und Mose musste sie wecken. Als symbolische Wiedergutmachung für den Fehltritt ihrer Vorfahren bleiben die Gläubigen darum bis heute die gesamte Nacht wach.

Und auch Kinder spielen an Schawuot eine zentrale Rolle: In vielen Gemeinden werden sie an Schawuot eingeschult und in liberalen Gemeinden wird an dem Tag die Bar Mitzwa bzw. Bat Mitzwa gefeiert, was in etwa der Firmung oder Konfirmation entspricht.

Auch hierfür gibt es eine Erklärung: Die Tradition erzählt, dass Gott bei der Übergabe der Tora Bürgen für deren Einhaltung forderte. "Himmel und Erde sollen unsere Bürgen sein", schlugen die Israeliten vor. Gott genügte dies aber nicht, also schlugen sie ihre Vorväter vor. Auch damit war Gott nicht zufrieden. Schließlich versprachen die Israeliten: "Unsere Kinder sollen unsere Bürgen sein." Erst da war Gott zufrieden und stimmte zu: "Diese sind exzellente Bürgen."

Juden in Deutschland

Jüdisches Leben auf dem Gebiet der Bundesrepublik gibt es seit mehr als 1.700 Jahren. Der älteste schriftliche Nachweis stammt aus dem Jahr 321 aus Köln. Vor der nationalsozialistischen Machtergreifung lebten 1933 auf dem Gebiet des Deutschen Reiches rund 570.000 Juden. In der Folge des Holocaust wurden etwa 180.000 von ihnen ermordet, sehr viele flohen. 1950 gab es nur noch etwa 15.000 Juden in Deutschland. Eine Zukunft jüdischen Lebens im Land der Täter schien unwahrscheinlich und war innerjüdisch umstritten.

Ein jüdischer Mann mit einer Kippa / © Nelson Antoine (shutterstock)
Ein jüdischer Mann mit einer Kippa / © Nelson Antoine ( shutterstock )
Quelle:
DR