Warum das jüdische Fest Purim dem Karneval ähnelt

"Es wird unheimlich viel Klamauk gemacht"

Wenn Jüdinnen und Juden dieser Tage Purim feiern, ähnelt das Fest äußerlich zwar dem Karneval. Es hat aber einen anderen Hintergrund. Im Kern geht es um eine starke Frau, die das jüdische Volk mit ihrem beherzten Vorgehen rettet.

Purim (Archiv) (KNA)
Purim (Archiv) / ( KNA )

DOMRADIO.DE: Was steckt hinter dem jüdischen Fest Purim?

Dr. Ulrike Offenberg (Rabbinerin der liberalen jüdischen Gemeinde Hameln): Purim beruht auf dem biblischen Buch Esther. Es erzählt in einer fiktiven Geschichte von einer Errettung der Juden in Persien vor mehr als etwa 2500 Jahren. Da gibt es die Königin Esther, ein junges jüdisches Mädchen, das in einem Schönheitswettbewerb zur Königin erwählt wird und eine wichtige Rolle in der Errettung des Volkes spielt.

Dr. Ulrike Offenberg, Rabbinerin der liberalen jüdischen Gemeinde Hameln

"Purim feiert die Errettung vor einem Pogrom, vor einem Genozid."

DOMRADIO.DE: Das Christentum wurzelt im Judentum. Gibt es eigentlich auch etwas Vergleichbares zu Purim im Christentum?

Offenberg: Das Buch Esther gibt es auch im christlichen Kanon der Bibel. Nach meiner Kenntnis ist es dort sehr unterbelichtet. Es ist im Judentum zu einem großen Fest geworden, weil es ein Fest der Diaspora ist, weil es damit zu tun hat, dass Juden seit mehr als 2000 Jahren in der Diaspora lebten und immer wieder der politischen Erfahrung ausgesetzt waren, eine kleine Minderheit innerhalb einer großen Mehrheit zu sein, die oftmals unterdrückend war.

Purim feiert die Errettung vor einem Pogrom, vor einem Genozid. Darum ist es über die Jahrhunderte im Judentum so stark präsent gewesen, weil man immer wieder diese Erfahrung hatte, nicht Kontrolle über das eigene politische Leben haben zu können.

DOMRADIO.DE: Die Art Purim zu feiern erinnert ein bisschen an Karneval.

Purimfest in Israel / © Ilia Yefimovich (dpa)
Purimfest in Israel / © Ilia Yefimovich ( dpa )

Offenberg: Absolut, wir verkleiden uns und es wird unheimlich viel Klamauk gemacht. Wer zu Purim in die Synagoge kommt, wird nicht Andacht und Erbauung finden, sondern richtig viel Krach und Lärm.

Immer wenn der Name des Bösewichts Haman aus der Geschichte vorgelesen wird, der den Pogrom geplant hat, dann wird groß gerasselt und mit den Füßen getrampelt und gebuht.

Und dann gibt es verschiedene Leckereien, die mit Purim zu tun haben. Als Gebäck essen wir Haman-Ohren, kleine Teigtaschen, die mit Mohn gefüllt ist. Vielleicht so schwarz wie seine Ohren waren. Ich weiß nicht, woher das kommt.

Viele Bräuche sind hier sicher auch aus dem christlichen Karneval adaptiert worden.

Einmal im Jahr ist es für diejenigen, die können und möchten ein Gebot, sich zu betrinken oder zumindest Alkohol zu sich zu nehmen. Das geschieht, um zum Schluss sagen zu können, dass man nicht mehr in der Lage ist auseinanderzuhalten, wer der böse und der gute Held in dieser Geschichte ist, dass sozusagen auch die ethischen Unterscheidungen nicht mehr möglich sind.

Damit man nicht denkt, wir sind immer die Guten und andere sind immer die Bösen. Das gibt einen sehr sinnlichen Eindruck davon, dass diese Grenzen nicht naturgegeben sind, sondern dass man sich immer wieder dafür entscheiden muss.

DOMRADIO.DE: Bald ist auch Weltfrauentag. Das Fest handelt von der Geschichte einer starken Frau. Was können wir denn vielleicht als säkulare Gesellschaft vom Purimfest lernen?

Offenberg: Das Buch ist nach der Königin Esther benannt, weil sie sich in einer Zeit größter Bedrängung nicht in ihren Palast zurückgezogen hat und gesagt hat, sie werde drum herum kommen, sondern Mut gefasst hat, ihre Angst überwunden hat und gesagt hat: "Das ist mein Volk, ich versuche, was mir nur möglich ist".

Diese Frage ist, glaube ich, wichtig für uns alle in der Gesellschaft, für Frauen, aber auch für Männer genauso. Was können wir machen, wenn Leute in Bedrängnis sind? Wo nehmen wir unseren Mut her, um um wenigstens das kleine Scherflein beizutragen, dass jeder und jede von uns tun kann?

DOMRADIO.DE: Sie feiern heute Abend schon mit Ihrer Gemeinde in Hameln. Wie genau?

Offenberg: Im Zentrum steht die Verlesung des Buches Esther. Die ist in der Form eines antiken Buches noch auf einer langen Schriftrolle geschrieben, also auf einem Pergament. Reihum lesen wir da ein Kapitel vor und die Leute machen Krach dazu. Danach wird gegessen, getrunken, gefeiert und gesungen.

Das Interview führte Florian Helbig.

Das jüdische Fest Purim

Purim ist ein fröhliches jüdisches Fest, an dem sich Menschen – vor allem Kinder – verkleiden, Süßes verzehren und Alkohol trinken. Bedürftige sollen beschenkt werden. Purim voraus geht ein Fasttag. Es gehört zu den populärsten jüdischen Festen. In diesem Jahr beginnt es am Samstag, 23. März, und dauert bis Sonntagabend. Die Geschichte hinter Purim hat dabei einen ernsten Hintergrund.

Verkleidete Kinder beim Purim Fest (KNA)
Verkleidete Kinder beim Purim Fest / ( KNA )
Quelle:
DR