In Tabgha, idyllisch am See Genesareth gelegen, erinnern Christen an das Wunder der Brotvermehrung. Der auf dem Altarmosaik dargestellte Brotkorb und die zwei Fische, mit denen Jesus laut der in den Evangelien beschriebenen "Speisung der 5.000" ungewöhnlich viele Menschen satt gemacht hat, wird nicht nur von der christlichen Werbung als Heilig-Land-Motiv genutzt. Derzeit werden die Mosaike, die große Teile des Fußbodens bedecken, restauriert. Den Zuschlag bekam das Mosaic Center Jericho, das sich auf die alte Technik des Mosaik-Baus versteht und das Handwerk im Heiligen Land wieder heimisch machen will.
Strom der Touristen berücksichtigen
Die Arbeiten dürften den Pilger- und Besucherstrom und erst recht die Liturgie nicht stören, war eine der Vorgaben der Benediktiner-Mönche von Tabgha. Die Besucherzahlen haben nach dem kompletten Corona-Einbruch heute wieder das Niveau von 2019 erreicht, wie die Autobus-Schlangen vor dem Parkplatz deutlich zeigen. Und so bearbeiten die drei bis vier Steinmetze immer nur einen kleinen, mit Seilen abgesperrten Bereich, um den herum die Besucher die moderne Kirche und ihre uralten Schätze bewundern. Das linke Seitenschiff und der Eingangsbereich sind bereits fertig, derzeit ist das Mittelschiff in Arbeit. Mönche wie Steinmetze hoffen, die im März begonnenen Arbeiten bis zum liturgischen Fest der Brotvermehrung am 11. November abzuschließen.
Stein für Stein dokumentiert
Am Anfang stand eine gründliche Dokumentation: Stein für Stein wurde erfasst, was ist alt, was ist neuer, wo sind Fehlstellen, die bei den früheren Kirchenarbeiten 1932 und 1982 einfach mit Zement zugekleistert wurden, erklärt Raed Khalil, der Restaurierungsdirektor der Firma aus Jericho. Erst mit Beginn des 20. Jahrhunderts fanden Ausgräber des Deutschen Vereins vom Heiligen Lande, der das Gelände erworben hatte, die Reste einer frühchristlichen Kirche, die vermutlich bei einem Einfall der Perser 614 zerstört wurde. Sie legten die unter Sand, Erde und Bewuchs verschwunden Mosaike mit der Tier- und Pflanzenwelt rund um den See Genezareth vor 1.500 Jahren frei. Und unter dem Altar die Darstellung vom Korb mit den Broten sowie den Fischen.
Puzzlearbeit
In den folgenden Arbeitsschritten wird zunächst das Wachs mit Dampf von den Mosaiken gelöst, dann werden sie mit Wasser gebürstet, schließlich werden die Zementreste mit Sandstrahl beseitigt. Die vielen Fehlstellen werden, soweit rekonstruierbar, mit den passenden Steinchen gefüllt. "Wir verwenden dabei nur Material aus der Region – wie damals," so Khalil, dessen Firma bereits die Restaurierungsarbeiten in der benediktinischen Dormitio-Abtei in Jerusalem durchgeführt hat.
Es ist eine Puzzlearbeit. Auf dem Boden stehen ein Dutzend Behälter mit unterschiedlich farbigen Steinchen, die zurechtgeklopft werden. Am Ende soll die Fläche mit Paraloid, einem thermoplastischen Harz überstrichen und versiegelt werden, der den Flächen mehr Leuchtkraft gibt.
Wichtigste Arbeiten stehen noch bevor
Auf den ersten Blick wirken die bereits bearbeiteten Mosaike blasser als zuvor. Khalil wischt etwas Wasser auf eine kleine Fläche – und gibt einen leuchtenden Vorgeschmack, wie der Boden zum Abschluss aussehen soll. Der wichtigste Teil der Arbeiten, die Mosaike im rechten Seitenschiff mit Störchen, Enten, Klippdachsen, Lotusblüten und dem rätselhaften Nilometer stehen noch aus. Und das weltberühmte Altarmosaik. Finanziert werden die Arbeiten zu 90 Prozent vom Auswärtigen Amt als "Kulturerhalt"; den Rest trägt der Deutsche Verein vom Heiligen Lande, dem das Terrain gehört.
Unterschiedliche Theorien
Bleibt die Frage, ob Tabgha tatsächlich der Ort der wunderbaren Brotvermehrung ist. Denn neuerdings hört man verstärkt auch die These, Jesus habe das Speisungswunder auf der anderen Seite des Sees im Ostjordanland gewirkt. Dort fanden Ausgräber in der wichtigen Bischofsstadt Hippos, 350 Meter oberhalb des Sees Genesaret, ein Mosaik, dass einen Fisch darstellt. Und die Reiserouten Jesu in den Evangelien lassen durchaus unterschiedliche Theorien zu.
Zugang zur Bedeutung
Vieles spricht freilich für die Lokalisierung eines Speisungswunders in Tabgha. Schon die spanische Pilgerin Ätheria beschreibt im vierten Jahrhundert hier den Ort der Brotvermehrung. Aber letzte historische Sicherheit sei hier nicht zu gewinnen, schrieb der deutsche Theologe und Historiker Georg Röwekamp, in Tabgha Vertreter des Deutschen Vereins von Heiligen Lande, jüngst in einer Ortsbeschreibung. "Doch gilt an den biblischen Orten ja ohnehin, dass es bei den dortigen Erinnerungsbauten letztlich nicht um den Ort selbst geht, sondern um einen Zugang zur Bedeutung der Erzählung."