Ein paar Blocks weiter weht erneut die Flagge des Heiligen Stuhls. Die Nuntiatur, die offizielle Vertretung des Papstes bei den Vereinten Nationen, wirkt ein wenig eingequetscht zwischen einem Hotel und dem mexikanischen Generalkonsulat.
Das Gebäude ist nicht viel breiter als fünf Meter und mit gerade einmal fünf Stockwerken erstaunlich niedrig für die illustre Nachbarschaft zwischen dem Empire State Building und dem East River.
Erzbischof Gabriele Giordano Caccia ist Apostolischer Nuntius, der Botschafter des Papstes bei den Vereinten Nationen. Ein Interview möchte er nicht geben, aber er lädt zu einem Espresso in ein Gesprächszimmer der Nuntiatur ein.
Die Sofas und Sessel scheinen aus einem vergangenen Jahrhundert zu stammen. Goldgelbe und rote Polster treffen auf dunkles Holz und Klassizismus.
Von den Wänden winken die Päpste bei ihren Besuchen bei den Vereinten Nationen, angefangen von Franziskus bis hin zu Paul VI.
Erzbischof Caccia hatte bisher noch nicht die Gelegenheit, persönlich einen Papst in New York zu begrüßen. Der gebürtige Mailänder ist erst seit 2019 im Amt. Zuvor war er Botschafter im Libanon und auf den Philippinen tätig. Mit 65 Jahren ist er noch fast zehn Jahre vom Ruhestand entfernt - das mit dem Papstbesuch in seiner Amtszeit kann also noch klappen. 2020 hatte Papst Franziskus sich in einer Videoansprache an die Vereinten Nationen gewandt.
Der Sonderstatus des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen
Die Nuntiatur in New York ist etwas Besonderes, das zeigt schon ihr Titel: "Permanente Beobachtermission des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen" steht auf Englisch an der Front des Gebäudes. Wie auch die Vertretungen der anderen Staaten ist die Nuntiatur in New York keine Botschaft im herkömmlichen Sinne. Sie vertritt die Angelegenheiten des Heiligen Stuhls nicht bei einem Staat, sondern bei einer internationalen Organisation.
Zudem besitzt der Heilige Stuhl einen Sonderstatus innerhalb der Vereinten Nationen. In der Vollversammlung hat er kein Stimmrecht, jedoch sitzen seine Vertreter - im Unterschied zu den Beobachtern von NGOs oder denen des Malteserordens - mitten unter den Vertretern der Mitgliedsstaaten.
Er hat Rederecht und kann wie ein Mitgliedsstaat an der Arbeit in Ausschüssen und Gremien mitwirken. Einzig Palästina hat diesen Sonderstatus mit dem Heiligen Stuhl gemein - wenn auch aus anderen Gründen. Der Heilige Stuhl habe ihn selbst gewählt, erklärt die Nuntiatur auf ihrer Internetseite. So könne der Heilige Stuhl bei politischen Fragen die "absolute Neutralität" wahren.
Neutralität dank Beobachterstatus
Caccia erklärte vor einigen Jahren der italienischen Nachrichtenagentur SIR, dass der Heilige Stuhl durch diesen besonderen Beobachterstatus an keine Koalition oder Interessengruppe gebunden sei. Dadurch könne er die "innersten Werte der Menschheit" vertreten und insbesondere jenen eine Stimme geben, die sonst vergessen oder nicht beachtet würden.
Dieses Anliegen spiegelt sich auch in den Ansprachen des Nuntius vor den Arbeitsforen der Vereinten Nationen wider. Er setzt sich vehement für die Finanzierung nachhaltiger Entwicklung ein und fordert insbesondere, dass Länder, deren Bevölkerung am stärksten unter den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie gelitten hat, angemessene Mittel erhalten.
Der Heilige Stuhl macht sich bei den Vereinten Nationen für die Rechte indigener Völker, insbesondere in Bezug auf kultursensible Gesundheitsversorgung und Selbstbestimmung über ihre Territorien stark. In der "Arbeitsgruppe 2 zum Weltraum" spricht sich der Nuntius gegen Anti-Satelliten-Raketen aus und fordert mehr Transparenz und Kontrolle bei dem, was ins Weltall geschossen wird.
Im Dienst der Menschlichkeit
Im Vergleich zu den großen Vertretungen der Mitgliedsstaaten kann die kleine Nuntiatur in Manhattan nicht mithalten. Neben wenigen Festangestellten arbeiten hier knapp zehn Praktikantinnen und Praktikanten aus der ganzen Weltkirche. Und doch scheint es, als stellten sich Caccia und sein Team ganz in den Dienst der Idee von Paul VI.
In der ersten Rede eines Papstes vor den Vereinten Nationen fasste der den Auftrag folgendermaßen zusammen: Als "Sachverständiger für Menschlichkeit" mache der Heilige Stuhl "die Stimme der Armen, der Enterbten, der Unglücklichen und jener, deren Sehnen und Streben nach Gerechtigkeit, einem würdigen Leben, Freiheit, Wohlstand und Fortschritt gehört“ zu seiner Stimme.
Dass diese Stimme inmitten der Wirren staatlicher Eigeninteressen manchmal verhallt, ist wohl eine tägliche Erfahrung des Nuntius. Dennoch: "Es ist immer lohnenswert, sich Zeit zu nehmen, damit der Ruf der Armen und Vergessenen gehört wird", so Caccia.
Und so überrascht es nicht, dass der Nuntius ein ganz bestimmtes Buch aus der Tasche zieht, als er sich vom rot-goldenen Polster erhebt: ein Exemplar der Enzyklika "Fratelli tutti", der päpstlichen Programmschrift für weltweite Geschwisterlichkeit.