Moskau bringt Kirchenstreit vor Uno-Sicherheitsrat

"Nicht im Namen unserer Kirche"

Im Ukraine-Krieg spielen die Kirchen eine wichtige Rolle. Beide Seiten nutzen die Spaltung der orthodoxen Gemeinschaften für Propaganda. Nun geht Russland im Kirchenstreit in die diplomatische Offensive.

Autor/in:
Oliver Hinz
Zerstörte Kirche in der Ukraine / © Evgeniy Maloletka (dpa)
Zerstörte Kirche in der Ukraine / © Evgeniy Maloletka ( dpa )

Russland will über die Lage der früher dem Moskauer Patriarchat unterstehenden orthodoxen Kirche in der Ukraine im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen diskutieren. Auf Antrag Moskaus wollte der Sicherheitsrat am Dienstag um 15.00 Uhr Ortszeit in New York zusammenkommen. Im Vorfeld beschuldigte der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja die ukrainische Regierung, "die einzige kanonische Kirche in der Ukraine zu zerstören".

Orthodoxe Kirche

Als orthodoxe Kirche wird die aus dem byzantinischen (Oströmischen) Reich hervorgegangene Kirchenfamilie bezeichnet. Sie besteht je nach Standpunkt aus 14 beziehungsweise 15 selbstständigen ("autokephalen") Landeskirchen. "Orthodox" ist griechisch und bedeutet "rechtgläubig". Trotz großer nationaler Unterschiede und innerer Konflikte versteht sich die Orthodoxie in Bekenntnis und Liturgie als eine einzige Kirche. Ehrenoberhaupt ist der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I. (84).

Christlich-orthodoxes Holzkreuz und Kirche in der Nähe von Kharkiv in der Ukraine / © aquatarkus (shutterstock)
Christlich-orthodoxes Holzkreuz und Kirche in der Nähe von Kharkiv in der Ukraine / © aquatarkus ( shutterstock )

Die Ukrainische Orthodoxe Kirche (UOK) protestierte gegen den russischen Schritt. Sie appellierte am Montagabend an die Regierung in Moskau, "nicht im Namen unserer Kirche auf internationalen Plattformen zu sprechen und den religiösen Faktor nicht für ihre politischen Zwecke zu nutzen". "Wir sind besorgt darüber, dass die Frage der Ukrainischen Orthodoxen Kirche von Strukturen aufgeworfen wird, die mit uns nichts zu tun haben", heißt es auf ihrer Internetseite weiter. Die Kirche habe keinen Staat um Unterstützung bei der Verteidigung ihrer Rechte gebeten - schon gar nicht "den Staat, der einen hinterhältigen bewaffneten Angriff auf unser Land begangen hat".

Aufruf zur Garantie gleicher Rechte

Russlands Botschaft bei den Vereinten Nationen möchte nach eigenen Angaben, dass auch ein Vertreter des orthodoxen Moskauer Patriarchats im Sicherheitsrat spricht. Ob es dazu kommt, ist noch unklar. Auf der Website des Gremiums werden als Themen der Sitzung bisher nur "Bedrohungen für den internationalen Frieden und die Sicherheit" genannt.

Die UOK betonte, sie habe niemanden von der russisch-orthodoxen Kirche ermächtigt, "in unserem Namen bei der UNO zu handeln". Sie rief ihrerseits die ukrainische Regierung auf, allen Religionsgemeinschaften gleiche Rechte zu garantieren, um Moskau "keinen Vorwand zu geben, die Religionspolitik unseres Staates für seine eigenen Interessen zu nutzen".

Putin: Kirche wird verfolgt

Wladimir Putin / © Mikhail Klimentyev (dpa)
Wladimir Putin / © Mikhail Klimentyev ( dpa )

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte bereits am 22. Februar 2022 von einer Verfolgung der Kirche gesprochen und unter anderem damit seine damalige Anerkennung der Volksrepubliken Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten begründet. Inzwischen hat Russland beide ukrainischen Gebiete annektiert. Durch russischen Beschuss wurden seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine mehr als 100 Kirchen der UOK zerstört oder beschädigt.

Die ukrainischen Behörden werfen einer Reihe von Geistlichen der UOK Kollaboration mit der russischen Armee oder prorussische Propaganda vor. Im Dezember wurde ein Priester zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er Informationen über ukrainische Militärstützpunkte gesammelt und an Russland verraten habe. Zuletzt wurde ein Bischof angeklagt, weil er Gläubige auf Flugblättern zum Umsturz aufgerufen haben soll.

Ukrainischer Gesetzentwurf in Arbeit

Bartholomaios I., griechisch-orthodoxer Patriarch von Konstantinopel und Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie / © Episcopat.pl (KNA)
Bartholomaios I., griechisch-orthodoxer Patriarch von Konstantinopel und Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie / © Episcopat.pl ( KNA )

Der UOK droht eine Zwangsauflösung von Kirchengemeinden und anderer religiöser Strukturen. Die ukrainische Regierung bereitet einen Gesetzentwurf vor, der ein gerichtliches Verbot von religiösen Organisationen erlaubt, wenn sie von Russland beeinflusst werden. Das Gesetz richtet sich gegen die UOK, die dem Moskauer Patriarchat zugerechnet wird, obwohl sie sich im Mai 2022 für unabhängig erklärt hatte. Vor wenigen Wochen entzog die Regierung der UOK ihre bedeutendste Kathedrale in Kiew. Sie verlängerte den bis Ende 2022 laufenden Pachtvertrag für das Gotteshaus nicht.

In der Ukraine gibt es zwei konkurrierende orthodoxe Kirchen. Die Regierung unterstützt die 2018 mit Hilfe des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios I., gegründete Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU). Sie ging aus zwei Konfessionen hervor, die sich bereits vor Jahrzehnten vom Moskauer Patriarchat getrennt hatten.

Quelle:
KNA