Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, hat einen Waffenstillstand für das unter israelischem Beschuss stehende palästinensische Dschenin im besetzten Westjordanland gefordert.
"In den vergangenen zwei Tagen war die Stadt Dschenin einer beispiellosen israelischen Aggression ausgesetzt, die auch unserer Lateinischen Gemeinde in Dschenin großen Schaden zugefügt hat", heißt es in einer am Dienstag verbreiteten Stellungnahme des italienischen Franziskaners.
Dialog um Angriffe zu verhindern
Er hoffe auf Dialog, um "künftige ungerechtfertigte Angriffe auf die Bevölkerung" zu verhindern, so Pizzaballa. Von dem arabisch-christlichen Portal Abouna.org verbreitete Bilder zeigen zerstörte Fensterscheiben und Brandschäden an der Kirche. In Dschenin leben laut einer christlichen Quelle rund 500 lateinische, griechisch-katholisch melkitische und griechisch-orthodoxe Christen.
Die lateinische Pfarrei des palästinensischen Ortes Zebabdeh rund 15 Kilometer südöstlich von Dschenin öffnete ihre Kirche für Menschen, die vor den anhaltenden Angriffen Israels aus dem Flüchtlingslager Dschenin fliehen. Entsprechende Twitterberichte bestätigte Vikar Louis Salman auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Bisher hätten die Fliehenden aufgrund der israelischen Armee jedoch Zebabdeh nicht erreichen können und seien in Häusern und Geschäften in Dschenin untergekommen.
Aufruf zu Generalstreik
Der stellvertretende Gouverneur von Dschenin, Kamal Abu Aroub, sagte am Dienstagmorgen laut israelischen Medien gegenüber Radio al-Schams, dass rund 3.000 Bewohner aus dem Flüchtlingslager geflohen seien. Schätzungsweise leben insgesamt 15.000 bis 20.000 Menschen in dem Lager.
Für die palästinensischen Gebiete wurde für Dienstag zu einem Generalstreik aufgerufen, wie die palästinensische Nachrichtenagentur "Wafa" (Dienstag) berichtete. Der Chef der Handelskammer Dschenin, Ammar Abu Bakr, warnte unterdessen vor Nahrungsmittel- und Medikamentenknappheit aufgrund der israelischen Abriegelung der Stadt. Die UN mobilisierte laut Medienberichten humanitäre Hilfe angesichts der sich verschärfenden Krise.
Sich verschärfende Krise
Israelischen Medienberichten von Dienstag zufolge kündigte der palästinensische Präsident Mahmud Abbas an, alle Beziehungen zu Israel einzustellen und auch die Sicherheitskoordination auszusetzen. Dies soll das Ergebnis einer Dringlichkeitssitzung der palästinensischen Führung in Ramallah sein.
Laut dem Sprecher der israelischen Armee, Daniel Hagari, wurden bisher rund 110 Verdächtige festgenommen. Hagari schätzte die Zahl der bewaffneten Palästinenser in dem Lager auf etwa 300. Weitere rund zehn Ziele in dem Flüchtlingslager sollten noch durchsucht werden.
Die Zahl der palästinensischen Todesopfer der umfangreichsten israelischen Militäraktion in den besetzten palästinensischen Gebieten seit Jahren stieg unterdessen laut Medienberichten auf zehn. Weitere rund 100 Menschen wurden teils schwer verletzt.
Angriff auf "Terroristenhochburg"
Israel hatte in der Nacht zu Montag eine Luft- und Bodenoffensive mit mehr als 1.000 Soldaten auf das Lager begonnen, das es als "Terroristenhochburg" bezeichnete. Ziel war das Hauptquartier der terroristischen Gruppe "Dschenin-Bataillon", das nach Armeeangaben "als Beobachtungsposten, als Treffpunkt für bewaffnete Terroristen vor und nach terroristischen Aktivitäten, als Waffen- und Sprengstofflager und als Kontakt- und Kommunikationszentrum für die Aktivisten" sowie als "Unterschlupf für gesuchte Aktivisten" genutzt werde.
Unterdessen sind bei einem mutmaßlichen Terroranschlag in Tel Aviv am Dienstagmittag mehrere Personen verletzt worden. Israelische Medien berichteten von fünf bis zehn Verletzten, drei von ihnen seien in kritischem Zustand. Demnach lenkte ein Fahrer sein Fahrzeug in eine Menschenmenge. Er soll danach außerdem eine Person mit einem Messer angegriffen zu haben und wurde offenbar von einem bewaffneten Zivilisten erschossen.