Wenige Wochen vor dem Start ist im WJT-Büro auf dem ehemaligen Militärgelände im Nordosten Lissabons viel los: An den Wänden hängen Flaggen und Weltjugendtagsandenken aus aller Welt. Überall sitzen junge Leute und arbeiten an ihren Laptops und Handys. Einige haben ihre Schreibtische in den Innenhof getragen und konferieren dort unter ein Dach im Schatten, weil schon vormittags die Hitze so groß ist.
Hunderte Freiwillige organisieren Unterkünfte, übersetzen Texte, melden Pilger an und beantworten Fragen. Eine von ihnen ist Chiara Kollmeder aus München, die dort seit vergangenem Herbst als Langzeitfreiwillige arbeitet und Ansprechpartnerin für die europäischen Bischofskonferenzen ist.
Dass sie zum Weltjugendtag 2023 nach Lissabon fahren würde, steht für sie schon lange fest, denn in Sydney, Madrid und Krakau war sie auch schon dabei: Es sei faszinierend, dass sich so viele Menschen auf den gleichen Weg machten und den gleichen Gott anbeteten, findet sie. "Das kommt ja nicht von irgendwo her. Wenn sich hundert Leute irgendwo treffen, kann man sagen: ‚Das sind irgendwelche komischen Leute, die treffen sich halt.‘ Aber wenn zwei Millionen junge Menschen hierherkommen, dann muss da einfach irgendwas dahinterstecken!"
War der Heilige Geist im Spiel?
2022 hat Chiara in München ihr Abitur gemacht, trotzdem zögerte sie zunächst, für so lange Zeit als Volunteer nach Lissabon zu gehen. "Ich war erst nicht so begeistert, weil ich Angst hatte, dass ich niemanden kennenlerne und weil ich die Sprache nicht spreche", erinnert sich die 19-Jährige, die sich in ihrer Heimat bei der Bewegung "Jugend 2000" engagiert. Es war ihre Leiterin dort, die sie überzeugte und am Ende klappte es mit der Bewerbung fast wie von selbst. "Im Nachhinein ist es die beste Entscheidung! Ich habe hier schon so viel erlebt und meine Ängste hätten mich fast davon abgehalten!", sagt sie und fügt lächelnd hinzu: "Das war bestimmt der Heilige Geist, der mich hierhergeführt hat, anders kann ich mir das nicht erklären!"
Mittlerweile haben sich 313.000 Pilger aus 151 Ländern (Stand 1. Juli 2023) zum Weltjugendtag angemeldet, doch im WJT-Büro rechnet man mit deutlich mehr: Zum einen, weil sich die Jugendlichen bis kurz vorher anmelden können, sagt die Social-Media-Verantwortliche Teresa Bento. Zum anderen würden sich gerade die Jugendlichen aus Spanien und Portugal möglicherweise erst spontan entscheiden nach Lissabon zu kommen, denn die meisten Events sind offen für alle. Für die Vigil und die Abschlussmesse auf dem eigens dafür hergerichteten "Campo da Graça" rechnen die Organisatoren mit bis zu 1,5 Millionen Teilnehmenden.
Große Ehre für ein kleines Land
Teresa erinnert sich noch gut, als beim Abschlussgottesdienst in Panama 2019 Portugal als das nächstes Gastgeberland verkündet wurde, die Gläubigen in ihrem Land mache das stolz, sagt sie: "Das ist das größte Ereignis, das jemals in Portugal stattfindet. Es ist eine Ehre und natürlich auch eine große Herausforderung für so ein kleines Land, den Papst und die Jugend der Welt willkommen zu heißen! Ich freue mich sehr, ein Teil davon zu sein!"
Aber bewirken solche Weltjugendtage etwas? Können sie in Zeiten der Krise Jugendliche wieder für Kirche begeistern und Menschen dauerhaft an sie binden? Oder sind sie am Ende nicht mehr als eine große katholische Party mit einem Papst, der wie ein Popstar verehrt wird? Chiara ist überzeugt: Weltjugendtage wirken nach, auch wenn man das nicht mit zunehmenden Priesterberufungen, Taufen oder Kircheneintritten beziffern kann: "Es hängt von der persönlichen Einstellung ab. Wenn man meint, die Welt ändert sich danach, ohne dass man sich selbst verändert, dann wird das nichts. Aber ich bin sicher, dass der eine oder die andere sehr berührt vom Weltjugendtag zurückkommen wird. Ich habe das auch erfahren dürfen und ich bin mir sicher, das kann eine Reise und ein Abenteuer werden, an die man sich noch lange erinnert."
Kommt der Papst?
Wie viele Jugendliche freut sie sich besonders auf die Vigil und die Abschlussmesse mit dem Papst. Die Meldung über dessen Gesundheitszustand und seine schwere Darm-OP Anfang Juni hatten allerdings Zweifel gesät, ob er überhaupt kommen wird. Im WJT-Büro in Lissabon versucht man es mit Zweckoptimismus: "Wir haben keinen Plan B, nur einen Plan F – und der steht für Franziskus!", stellte der Präsident der Weltjugendtags-Stiftung Lissabon 2023 Weihbischof Américo Manuel Alves Aguiar schon vor Wochen klar.
Am 15. August – gut eine Woche nach dem Abschlussgottesdienst – wird dann für Chiara und die vielen anderen Volunteers die Arbeit im WJT-Büro enden. "Ich weiß jetzt schon, dass mir der Abschied unglaublich schwerfallen wird", sagt sie: Mittlerweile fühlt sie sich in Lissabon zu Hause und hat unter den Freiwilligen Freunde aus aller Welt gefunden. "Die Stadt ist so schön und die Menschen sind so gastfreundlich", schwärmt sie. Oft denkt sie: "Danke, dass du mich hierhergeführt hast!"