BDKJ-Bundespräses hält Weltjugendtage für wichtig

Zeichen der Völkerverständigung

Was macht ein katholisches Großereignis wie den Weltjugendtag in Zeiten zunehmender Säkularisierung für deutsche Jugendliche attraktiv? Stefan Ottersbach, Bundespräses vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend, weiß darauf Antwort.

Autor/in:
Clara Engelien
Deutsche Jugendliche beim Weltjugendtag (Archiv) / © Jean-Matthieu Gautier (KNA)
Deutsche Jugendliche beim Weltjugendtag (Archiv) / © Jean-Matthieu Gautier ( KNA )

KNA: Was bedeutet katholischen Jugendlichen in diesen Zeiten ein Ereignis wie der Weltjugendtag? In Zeiten, die von der Klimakrise und vom Krieg geprägt sind und innerkirchlich vom Missbrauchsskandal und von aufwühlenden Reformprozessen?

Stefan Ottersbach (Bundespräses vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend): Viele empfinden es als große Chance, an einem Fest teilzunehmen, bei dem sie sich mit anderen Jugendlichen verständigen und Freundschaften knüpfen können. Gerade in Zeiten von Krieg ist nicht zu unterschätzen, was bei so einem Ereignis an Völkerverständigung stattfindet. Zudem können Jugendliche erfahren: Ich bin Teil einer Glaubensgemeinschaft, die die Welt umspannt und zu der viel mehr Menschen gehören, als ich das oft Zuhause erlebe.

Stefan Ottersbach (BDKJ)
Stefan Ottersbach / ( BDKJ )


KNA: Was hat der BDKJ für das Programm in Lissabon geplant?

Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ)

Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) ist der Dachverband von 17 katholischen Kinder- und Jugendverbänden mit rund 660.000 Mitgliedern. Er versteht sich in erster Linie als Interessenvertretung dieser Verbände in Kirche, Staat und Gesellschaft und kümmert sich darüber hinaus um die Absicherung der finanziellen Förderung.

Fahne des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) / © Harald Oppitz (KNA)
Fahne des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) / © Harald Oppitz ( KNA )


Ottersbach: Beim sogenannten Internationalen Youth Hearing, einem Podium, wollen wir mit jungen Menschen über den Zusammenhang von Klimagerechtigkeit und Kolonialgeschichte ins Gespräch kommen. Seit dem 15. Jahrhundert wurden von Portugal aus viele Länder kolonialisiert - insbesondere in Afrika, aber auch in Asien und Lateinamerika. Beim Youth Hearing kommt es uns insbesondere auch auf die Perspektiven von Menschen aus dem globalen Süden an.

KNA: Erst kürzlich hatte es Wirbel um eine "politisch unkorrekte" Vatikanbriefmarke zum WJT gegeben. Zu sehen war auf dieser Papst Franziskus auf dem Denkmal der Entdeckungen in Lissabon - an Stelle des portugiesischen Eroberers und Seefahrers Heinrich, der als Begründer des portugiesischen Kolonialreichs gilt. Ist der WJT auch ein Anlass, die Rolle der katholischen Kirche im Kolonialismus aufzuarbeiten?

Ottersbach: Aus meiner Sicht muss er das auf jeden Fall sein. Wir als katholische Kirche und auch der Papst müssen uns dazu positionieren. Im März hat es ja eine Verlautbarung des Vatikans zur sogenannten Entdeckungsdoktrin gegeben [der vermeintlichen "Entdeckung Amerikas" durch die Europäer, Anm. d. Red.] - die wurde aber nur von zwei Behörden des Vatikans unterzeichnet. Was bisher noch aussteht ist, dass sich Papst Franziskus auch persönlich dazu äußert. Der WJT ist für uns als katholische Kirche eine große Chance, offen und angstfrei über Kolonialismus zu sprechen.

KNA: Dieses Jahr haben sich deutlich weniger Jugendliche angemeldet als zu den letzten WJTs. Worauf führen Sie das zurück?

Ottersbach: Nach der Pandemie sind, glaube ich, noch viele vorsichtig mit solchen Großveranstaltungen. Viele sagen auch: Wir wollen erst mal mit der eigenen Gruppe auf Fahrt gehen, die eigenen Gruppenerfahrungen wieder stark machen. Nicht zuletzt vermute ich auch, dass nicht wenige Jugendliche mit so einer kirchlichen Großveranstaltung fremdeln.

KNA: Wegen des Missbrauchsskandals?

Ottersbach: Genau. Bei den jungen Menschen, denen ich in meiner alltäglichen Arbeit begegne, nehme ich wahr, dass das Fremdheitsgefühl gegenüber kirchlichen Machtstrukturen deutlich größer geworden ist. Gegenüber dem Glauben nicht unbedingt, aber gegenüber der Institution.

KNA: Wie wird das Thema Missbrauch beim WJT aufgegriffen?

Ottersbach: Ich hoffe sehr, dass von Papst Franziskus dazu ein starkes Wort ausgeht. Dass er jungen Menschen sein Wort gibt, alles dafür zu tun, um zukünftig auch die Strukturen anzugehen, die Missbrauch begünstigt haben. Die Aufarbeitung und Prävention von sexualisierter Gewalt in der Kirche werden noch nicht überall auf der Welt gleich stark vorangetrieben. Auch von den Bischöfen erhoffe ich mir, dass sie das Thema nicht unter den Teppich kehren, sondern den WJT als Möglichkeit nutzen, es anzusprechen.

KNA: Wie will man verhindern, dass Missbrauch auch im Umfeld des WJT passiert?

Ottersbach: Wir schulen Leiterinnen und Leiter, und haben Schutzkonzepte entworfen, so dass junge Menschen wissen, wo sie Unterstützung finden können.

KNA: Das Motto des diesjährigen WJT lautet "Maria stand auf und machte sich eilig auf den Weg" aus dem Lukas Evangelium. Maria ist hierzulande bei vielen jungen Leuten nicht unbedingt populär - jedenfalls nicht in der klassischen Deutung der sich aufopfernden Frau, die ihr ganzes Leben in den Dienst anderer stellt. Wie passt das zu modernen jungen Menschen heute?

Ottersbach: Es gibt Gott sei Dank sehr vielfältige Marienbilder, auch das einer jungen Frau, mit der sich viele identifizieren können: "Sie machte sich auf den Weg", das kennen doch unglaublich viele junge Menschen. Sich auf den Weg zu machen, ohne genau zu wissen, wo es hingeht. Maria als eine solidarische Figur, die um Sorgen und Unsicherheiten weiß, sich diesen im Vertrauen auf Gott aber stellt.

KNA: Ist aus dieser Deutung der Reformgedanke herauszuhören?

Ottersbach: Maria ist eine Frau der Reform, des Neuanfangs, absolut! Sie singt im Magnifikat von Gott: "Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen." Wie viele Kinder und Jugendliche, die um ihre Rechte gebracht werden in dieser Welt, würden nicht gern in dieses Lied mit einstimmen? Etwa diejenigen, die jetzt schon an den dramatischen Folgen des Klimawandels leiden.

KNA: Was Reformen angeht, werden die Deutschen ja in der Weltkirche von manchen etwas schräg angesehen und als Spalter beschimpft. Der Vorwurf: Sie würden die Einheit der Weltkirche aufs Spiel setzen durch weitgehende Reformforderungen. Meinen Sie, auch deutsche Jugendliche haben beim WJT mit solchen Sichtweisen seitens anderer Jugendlicher zu rechnen?

Ottersbach: Oft nehmen wir aus der Ferne andere Ortskirchen aus der Perspektive von Bischöfen oder Priestern wahr - immer von Männern. Sehr selten hören wir Stimmen von Frauen oder nicht-geweihten Menschen. Der Unterschied zwischen Ortskirchen ist meiner Einschätzung nach aber gar nicht so groß, wie er von manchen bisweilen gemacht wird. Vor diesem Hintergrund bin ich davon überzeugt, dass es in Lissabon zwischen den Jugendlichen keine großen Differenzen geben wird. Allen jungen Menschen ist doch daran gelegen, in einer Kirche leben zu können, die glaubwürdig auf der Spur des Evangeliums unterwegs ist und sich nicht in erster Linie dadurch definiert, klerikale Machtstrukturen zu zementieren.

Das Interview führte Clara Engelien.

Weltjugendtag 2023 in Lissabon

Termine

26.-31. Juli 2023: Tage der Begegnung in Aveiro
1.-6. August 2023 Weltjugendtag in Lissabon

Motto

Maria stand auf und machte sich eilig auf den Weg. – Lk 1,39

Lissabon, Portugal

Fähnchen mit dem Logo des Weltjugendtags 2023 in Lissabon und von Portugal / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani (KNA)
Fähnchen mit dem Logo des Weltjugendtags 2023 in Lissabon und von Portugal / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA