Er räumte Versäumnisse im Umgang mit Missbrauchsvorwürfen gegen einen Priester ein. Als er 2018 mit dem Fall erstmals konfrontiert worden sei, habe er sich an das damals geltende Kirchenrecht gehalten, sagte er im Interview des Online-Portals katholisch.de (Freitag). "Wenn Sie mich fragen, ob ich heute wieder genauso handeln würde: Ich glaube nicht", sagte Fernandez: "Aber damals gab es andere kirchliche Vorgaben, heutzutage sind die vorgesehenen Prozesse Gott sei Dank wesentlich besser."
Priester Kontakt zu Minderjährigen untersagt
Kurz nachdem er im Juni 2018 sein Amt als Erzbischof von La Plata in Argentinien antrat, sei der Fall strafrechtlich neu aufgerollt worden. "Ich bat den Priester, dass er jeden Kontakt mit Minderjährigen vermeidet, und einige Monate später, dass er sein Priesteramt nicht mehr öffentlich ausübt", berichtete der 60-Jährige: "Er wurde von uns sogar zu einer Einrichtung der Caritas geschickt, wo ihn ein Arzt untersuchte."
2019 soll sich der beschuldigte Priester durch Suizid einer Verhaftung durch die Polizei entzogen haben. "Das war das härteste Jahr meines Lebens", erklärte der Erzbischof. Heute würde er "viel drastischere Maßnahmen früher treffen", auch wenn er so der Justiz vorgreife. Er habe den Priester allerdings nicht verteidigt: "Wenn die Opfer mich gefragt haben, ob ich ihnen glaube, habe ich immer Ja gesagt."
Nachfolger von Luis Ladaria
Fernandez wird die Nachfolge von Kardinal Luis Ladaria als Leiter des sogenannten Dikasteriums für die Glaubenslehre Mitte September antreten. Die Behörde entscheidet über Lehrfragen der katholischen Kirche und ist eine der wichtigsten der römischen Kurie. Auch kirchliche Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs durch Geistliche sind dort angesiedelt.
Diesen Teilbereich wird Fernandez jedoch nicht persönlich leiten. "Das erscheint mir sehr vernünftig, wenn man bedenkt, dass ich kein spezialisierter Kirchenrechtler, sondern ein Theologe bin", sagte er katholisch.de. Die Aufgabe habe jedoch weiterhin hohe Priorität, und seine neue Behörde werde sie mit großem Einsatz und viel Arbeit angehen.
Auch mit Gegnern im Dialog bleiben
Fernandez bekräftigte, er wolle auch mit innerkirchlichen Feinden des Papstes im Dialog bleiben. "Ich bin mir nie
zu fein dafür, mit diesen Gruppen zu sprechen, um etwas zu klären", sagte der argentinische Erzbischof Victor Fernandez im Interview des Online-Portals katholisch.de (Freitag): "Aber niemals würde es dem Papst oder mir einfallen, unsere Macht zu gebrauchen, um anderen das Leben schwer zu machen."
Fernandez betonte zugleich, er wolle dem Lehramt von Papst Franziskus mehr Gewicht geben und nicht immer nur auf frühere Päpste und deren Aussagen schauen: "Manchmal hat man den Eindruck, dass sich bereits bekannte theologische Argumentationen unendlich lang wiederholen. Ganz so, als ob Franziskus nicht existieren würde, als ob er nichts habe verlauten lassen, als ob er nichts zu den auf dem Tisch liegenden Themen zu sagen habe", so Fernandez: "Aber Franziskus hat schon so viel dazu beigetragen!"
Als besonders wichtig nannte der Erzbischof eine "Theologie im Dialog mit dem konkreten Leben der Menschen, mit ihrem Leiden, ihren Schicksalsschlägen und ihrer Hoffnung".
Deutschen Reformprozess erst kennenlernen
Der künftige oberste Glaubenshüter im Vatikan hält sich noch zurück mit einem Urteil über den Synodalen Weg. Er sei sehr interessiert daran, die Forderungen des Reformprozesses der katholischen Kirche in Deutschland kennenzulernen. Eine Bewertung wolle er im Moment aber nicht abgeben: "Schließlich habe ich 12.000 Kilometer entfernt gelebt und noch nicht mit den Verantwortlichen gesprochen."
In einem am Mittwoch verbreiteten Interview mit dem konservativen spanischen Portal "Infovaticana" hatte sich der 60-jährige Erzbischof von La Plata ähnlich zurückhaltend zum Synodalen Weg geäußert. Bisher habe er sich auch wenig mit kircheninternen Streitfragen befasst. Auf den ersten Blick könne er sich aber bei aller Kritik nicht vorstellen, dass es an der deutschen Debatte nicht auch etwas Gutes gebe.
Zugleich hatte er sich in dem Interview prinzipiell offen gezeigt für die kirchliche Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, die sich ja auch viele Katholiken in Deutschland wünschen. Wenn eine solche Segnung so gestaltet sei, dass sie keine Verwirrung bezüglich des wesentlichen Unterschieds zu einer Ehe von Mann und Frau stifte, dann müsse man sie prüfen und bestätigen, so Fernandez.
Von deutschsprachigen Denkern beeinflusst
Den künftigen Glaubenshüter im Vatikan haben unter anderen deutschsprachige Denker geprägt. Während seines Schriften- und Hermeneutik-Studiums in Rom habe er sich mit dem Heidelberger Philosophen Hans-Georg Gadamer (1900-2002) beschäftigt, sagte Erzbischof Victor Fernandez in einem Interview des US-Magazins "Crux" (Freitag). Der Vordenker der hermeneutischen Philosophie habe ihn "stark beeinflusst". In der Theologie habe er sich vor allem auf den deutschen Theologen Karl Rahner (1904-1984) und den Schweizer Hans Urs von Balthasar (1905-1988) konzentriert. "Beide haben mir viel gegeben", sagte Fernandez.
Der 60-jährige Argentinier und bisherige Erzbischof von La Plata wird die Nachfolge von Kardinal Luis Ladaria als Leiter des sogenannten Dikasteriums für die Glaubenslehre Mitte September antreten. Die Vatikanbehörde entscheidet über Lehrfragen der katholischen Kirche und ist eine der wichtigsten der römischen Kurie.