DOMRADIO.DE: In den letzten zwei Jahren haben 25.000 Menschen die allgemeine Lebensberatung, psychosoziale Fachberatung und die Therapieangebote der Malteser in Anspruch genommen. Gab es ein Hauptthema, mit dem die Menschen in ihrem Elend zu Ihnen gekommen sind?
Axel Rottländer (Projektleiter der Malteser-Fluthilfe): Das hat sich in der Zeit ein bisschen verändert. Am Anfang war das Hauptthema der Menschen aufzuräumen, anzupacken und möglichst den Schlamm aus den Wohnungen zu kriegen. Diese unglaubliche Hilfsbereitschaft der spontanen Helfer haben wir ja gesehen. Dann ging es damit los, dass finanzielle Hilfen gefordert wurden. Das Land hat Mittel bereitgestellt und wir konnten über diese Mittel helfen. Und jetzt kommen immer mehr Menschen, die nach dieser ganzen Arbeit zur Ruhe kommen und merken, dass sie auch seelisch verletzt sind.
Am Anfang ging es also eher um praktische und finanzielle Hilfe, jetzt um psychologische Unterstützung. Was jetzt auch noch dazukommt sind organisatorische Dinge. Wir müssen uns auch viel mit Anträgen und den ganzen bürokratischen Vorgängen beschäftigen, um Geld zu bekommen, oder um handwerkliche Unterstützung zu bekommen.
DOMRADIO.DE: Am Anfang gab es zehn Millionen Euro Soforthilfe, mit denen Sie arbeiten konnten. Aber dann wurde es komplizierter. Es mussten erst Dinge wie Versicherungsschutz geklärt werden, bevor Spendengelder vergeben werden durften.
Rottländer: Genau, das ist wichtig und vom Gesetzgeber auch so vorgesehen. Der Bund hat einen Fonds von 30 Milliarden Euro für die Unterstützung der Fluthilfe aufgelegt. Da kann jeder, der selbst genutztes Wohneigentum hat, , nach Vorlage eines Gutachtens 80 Prozent des Schadens ersetzt bekommen. Und wir sind in der Lage, diese 20 Prozent, die dann noch fehlen, je nach Bedürftigkeit auch noch aus Spendengeldern zu finanzieren. Auch da müssen wir natürlich ein bisschen prüfen. Wir wollen es möglichst gerecht machen, wir wollen das auch angemessen verteilen. Dafür ist auch bei uns ein wenig Papierkram zu erledigen. Aber das ist eigentlich überschaubar.
Wir können aber erst unterstützen, nachdem Staat und/oder Versicherung schon eingesprungen sind. Wenn dann noch eine Lücke besteht, können wir helfen. Wenn der Versicherungsschutz beispielsweise nicht ausreichend war. Das ist eine Frage des Spendenrechts.
DOMRADIO.DE: Haben Sie jetzt noch Spendengelder auf ihrem Konto liegen, die nach und nach ausgezahlt werden?
Rottländer: Genau. Wir haben sieben Fluthilfebüros in den Schutzgebieten von NRW. Von Leverkusen bis nach Stolberg über Euskirchen, Rheinbach und in Schleiden/Gemünd. Die haben wir teilweise mit anderen Organisationen zusammen aufgebaut, mit der 'Aktion Deutschland Hilft', aber auch mit dem Deutschen Roten Kreuz, mit der Caritas, mit der Diakonie; mit denen arbeiten wir sehr eng zusammen. Die Menschen können zu uns in die Büros kommen und erhalten eine ausführliche Beratung: Was kann ich eigentlich machen? Wie muss ich da vorgehen? Wie kann ich diese 20 Prozent erstattet bekommen? Welche Unterlagen muss ich mitbringen? Wir müssen ja beispielsweise wissen, ob das Haus wirklich den Menschen gehört, die da zur Beratung gekommen sind.
DOMRADIO.DE: Ist Ihnen auch schon passiert, dass Menschen kommen und auf die Unterstützung verzichten?
Rottländer: Die meisten Menschen, die zu uns kommen, ich würde fast sagen 99 Prozent, sind in der Lage von uns Geld zu bekommen. Es gibt auch immer wieder Fälle, wo wir wirklich sehen können, dass die Menschen finanziell wirklich zu knabbern haben. Dass ihnen das wirklich schwer fällt. Und die sagen uns dann: 'Es gibt bestimmt noch Leute, die schlimmer dran sind als wir. Geben Sie denen noch das Geld.' Aber wir können wirklich sehr vielen Menschen helfen, auch denen, die von sich selber glauben, dass sie nicht ganz so bedürftig sind. Mit bis zu 20 Prozent können wir da unterstützen. Das muss nicht immer voll ausgeschöpft werden. Je nachdem wie viele eigene Mittel man noch hat, kann man den Betrag auch anpassen. Jeder, der von der Flut betroffen ist, kann zu uns kommen und bei den allermeisten lohnt sich so ein Beratungsgespräch auch.
DOMRADIO.DE: Sind bei diesen Beratungsgesprächen auch schon ganz anderen Sachen, wie familiäre und systemische Probleme, besprochen worden?
Rottländer: Viele Menschen kommen mit so einer Naturkatastrophe ganz gut zurecht, wenn sie in einem stabilen Umfeld leben. Wo die Familie zusammenhält, sie einen Job haben und sie finanziell gut aufgestellt sind. Wir sehen das bei vielen, dass die dann aufgefangen werden, vom Freundeskreis, von der Familie. Es wird sich gegenseitig geholfen.
Aber durch die Flut ist es auch passiert, dass noch ganz andere Probleme hochgespült worden sind. Oftmals gilt es dann ja auch zu entscheiden. Setzen wir das Haus in Stand? Verkaufen wir es? Gerade ältere Leute fragen sich ja auch, ob sie das Haus vererben wollen, ob der Enkel es vielleicht übernehmen möchte? Und dann müssen sich manchmal eben auch familiäre Dinge neu zurechtruckeln. Das ist mitunter auch konfliktbehaftet mit organisatorischen, emotionalen oder familiären Herausforderungen.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.