Kolumbiens Präsident steht unter Druck

Enthüllungen des Sohnes verhageln Bilanz

Kurz vor dem zweiten Amtsjahr hat Kolumbiens Präsident mit einem Skandal noch unbekannten Ausmaßes zu kämpfen. Hauptakteur ist Petros eigener Sohn, der wegen Geldwäschevorwürfen in U-Haft sitzt und Enthüllungen macht.

Autor/in:
Tobias Käufer
Kolumbianische Fahne / © Jerome9009 (shutterstock)

Als Gustavo Petro am 7. August 2022 seine Amtszeit als erster linker Präsident Kolumbiens begann, waren die Hoffnungen seiner Anhänger groß. Der ehemalige Guerillero und Bürgermeister von Bogota sollte und wollte all jenen eine Stimme geben, die sich bislang von den liberalen oder konservativen Kräften ausgegrenzt fühlten.

Gustavo Petro hat die Präsidentschaftswahl in Kolumbien gewonnen / © Camila Díaz (dpa)
Gustavo Petro hat die Präsidentschaftswahl in Kolumbien gewonnen / © Camila Díaz ( dpa )

Petro sammelte die Hoffnungen der jungen Generation ein, die auf eine friedliche Zukunft setzte. Sein Versprechen vom "Paz total" ("totaler Frieden") versprühte den Charme eines neuen Kolumbien. Doch nur zwölf Monate später ist von Euphorie nicht mehr viel zu spüren.

Unmittelbar vor dem Jahrestag seines Amtsantritts wird die Präsidentschaft von einem Polit-Skandal erschüttert, dessen Auswirkungen noch gar nicht absehbar sind. Am Donnerstag äußerte sich der jüngst wegen des Verdachts der Geldwäsche verhaftete Präsidentensohn Nicolas Petro vor der Staatsanwaltschaft und löste damit ein politisches Erdbeben aus.

Die Ermittlungsbehörden erklärten, dass die von Nicolas Petro gelieferten Informationen enthüllten, dass "Gelder in den Wahlkampf geflossen sind, die offensichtlich die gesetzlich zulässigen Mindestgrenzen überschritten haben, und ein Teil dieser Gelder wurde den Wahlbehörden nicht gemeldet".

Gustavo Petro: "Wenn das wahr wäre, müsste dieser Präsident gehen"

Dass die Gelder von Drogenbossen und umstrittenen Unternehmern stammen sollen, macht die Sache besonders brisant. Gustavo Petro erklärte lapidar: "Wenn das wahr wäre, müsste dieser Präsident gehen." Petros weitere Kinder versicherten ihrem Vater öffentlich Solidarität: "Wir glauben an Dich."

Vor ein paar Monaten geriet die Regierung schon einmal in Schräglage, weil nach einem Skandal um illegale Telefonüberwachung die Kabinettschefin Laura Sarabia gehen musste. Armando Benedetti, Botschafter in Venezuela und vorher Wahlkampfmanager von Petro, fiel dem Skandal ebenfalls zum Opfer.

Von ihm gibt es Audio-Aussagen zu illegalen Wahlkampfgeldern, die nun im neuen Licht erscheinen. Er verließ am Donnerstag Kolumbien. Erste Rücktrittsforderungen kamen bereits von der Opposition, die den Wahlsieg Petros im vergangenen Jahr nun für illegal hält.

Petros Umfragewerte im Keller

Das alles trägt dazu bei, dass Petros Umfragewerte in den Keller gehen. Dass auch die Alltagskriminalität zunimmt, steigert die Akzeptanz der Regierung nicht gerade. Grundsätzlich ist die Zustimmung für das Friedensprojekt innerhalb der kolumbianischen Gesellschaft zwar weiter vorhanden, umstritten ist der Weg dahin.

Ausgleichszahlungen an Guerilleros im Gegenzug für die Einstellung von Gewalt. Führende Paramilitärs, die für schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich sind und plötzlich "Friedensmanager" werden sollen: Das ist für viele Kolumbianer, die hart arbeiten, um auf legale Weise irgendwie über die Runden zu kommen, nur schwer nachzuvollziehen.

Waffenstillstand Einfluss auf das Leben aller Gemeinschaften?

Mit dem zweiten Amtsjahr beginnt nun die entscheidende Phase der Präsidentschaft. Die Vereinten Nationen und die Kirche in Kolumbien werden den zu Monatsbeginn begonnenen bilateralen Waffenstillstand zwischen der ELN-Guerilla und dem Staat beobachten. Hector Fabio Henao, innerhalb der Kolumbianischen Bischofskonferenz für die Beziehungen zwischen Staat und Kirche zuständig, sagte dazu jüngst: "Wir hoffen, dass der Waffenstillstand einen großen Einfluss auf das Leben aller Gemeinschaften haben wird."

Neben dem Kampf um die Deutungshoheit der Aussagen des Präsidentensohnes wird auch der Erfolg des Waffenstillstandes über den Erfolg der Präsidentschaft entscheiden. Trotz des neuen Schutzkonzeptes werden weiterhin Sozialaktivisten, Menschenrechtsverteidiger und Umweltschützer ermordet, als gäbe es gar keinen Politikwechsel im Land.

An den Morden beteiligen sich auch die linksextremen Guerillabanden, obwohl mit Petro, noch mehr als mit der afrokolumbianischen Vizepräsidentin Francia Marquez, echte Linke die mächtigsten Positionen im Lande innehaben. Dass sowohl die FARC-Dissidenten als auch die ELN-Guerilla trotz einer linken Regierung weiterhin zu Gewalt greifen, ist eine der großen Enttäuschungen im Land.

Gustavo Petro zum neuen Präsidenten in Kolumbien gewählt

Erstmals in der jüngeren Geschichte Kolumbiens hat ein Linker die Präsidentenwahl in Kolumbien gewonnen. Der ehemalige Guerillero und Ex-Bürgermeister der Hauptstadt Bogotá, Gustavo Petro, kam nach der vorläufigen Auszählung auf 50,4 Prozent der Stimmen. Der Immobilien-Unternehmer Rodolfo Hernández erhielt bei der Stichwahl demnach 47,3 Prozent. "Wir schreiben eine neue Geschichte für Kolumbien, für Lateinamerika und die Welt", sagte Petro am 19. Juni 2022 vor seinen Anhängern. "Was jetzt kommt, ist ein echter Wandel."

Gustavo Petro und Francia Márquez feiern den Wahlsieg um das Präsidentamt in Kolumbien / © Fernando Vergara (dpa)
Gustavo Petro und Francia Márquez feiern den Wahlsieg um das Präsidentamt in Kolumbien / © Fernando Vergara ( dpa )
Quelle:
KNA