DOMRADIO.DE: Warum war das so, dass die Päpste keine Pioniere in Sachen Fliegen waren?
Ulrich Nersinger (Vatikanexperte): Man muss bedenken, dass die Päpste sich seit 1870 nach der Besetzung des alten Kirchenstaates als Gefangene fühlten und bis 1929 den Vatikanstaat gar nicht verlassen haben. Dann wurden die Lateranverträge abgeschlossen, die das Verhältnis zwischen Italien und dem Vatikan wieder regelten, aber das war eine Zeit, in der keine großen Flüge oder keine großen Reisen anstanden. Das war ja schon fast der Vorabend des Zweiten Weltkriegs.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wiederum galt auch vieles noch zu konsolidieren. Der Papst selbst war krank. Der erste Papst, der geflogen ist, war Paul VI. im Jahr 1964. Er hat eigentlich spontan nach seiner Wahl gesagt: "Wir müssen jetzt wieder in die Welt gehen." – Der erste Flug eines Papstes ging ins Heilige Land.
DOMRADIO.DE: Wie war das für ihn? Ist er gern geflogen?
Nersinger: Das war für die ganze Welt schon eine Überraschung. Und der Papst scheint da doch sehr viel Gefallen gefunden zu haben. Es hat ja unglaublich viele Flüge auch nach Übersee gemacht und die englischsprachige Presse hat ihn liebevoll ironisch "flying Paul" genannt: der fliegende Paul.
DOMRADIO.DE: Der Vatikan hat ja eine eigene PKW-Flotte, sogar eine Seeflotte hat es mal gegeben. Gibt oder gab es mal ein eigenes Vatikan-Flugzeug?
Nersinger: Nein, es hat sich sehr schnell herauskristallisiert, dass das zu teuer wäre. Natürlich boten sich auch viele Fluggesellschaften an, den Papst zu fliegen. Das war ein Renommee für die italienische Fluggesellschaft Altitalia und dann natürlich auch für die Fluggesellschaften in den Reiseländern, die dann meistens den Rückflug übernommen haben. Deswegen hat man auf ein eigenes Flugzeug aus Kostengründen verzichtet.
DOMRADIO.DE: Heute ist es ganz selbstverständlich, dass auf den Flügen eine fliegende Pressekonferenz abgehalten wird und viele Medienvertreter mit dem Papst reisen. Das war nicht immer so.
Nersinger: Es gab immer schon mal die Gelegenheit, dass der Papst die Mitfliegenden in der Kabine besuchte. Aber fliegende Pressekonferenzen sind doch etwas Neues. Die Mitnahme von Journalisten hat auch einen praktischen Zweck, denn die Agenturen bezahlen für das Flugticket, damit wird auch die Finanzierung solcher Papstreisen ein wenig mitgetragen.
DOMRADIO.DE: Gab es eine ganz besondere Begebenheit auf einem dieser vielen Flüge, die auf diesen Pionierflug gefolgt sind?
Nersinger: Etwas großartig dramatisches gab es bisher noch nicht. Draußen am Flugzeug werden kleinen Flaggen angebracht, die zeigen, dass der Papst jetzt aus dem Vatikanstaat kommt. Meistens gibt es auch Flaggen des zu besuchenden Landes. Und da ist es auch schon mal passiert, dass Journalisten hinausschauen und Fahne an ihnen vorbeifliegen sehen, weil die sich gelöst hatte. Also solche kleinen Sachen sind immer mal passiert.
DOMRADIO.DE: Selbst der kleine Staat des Vatikans hat ein Überflugverbot.
Nersinger: Ja, das ist aus Sicherheitsgründen gemacht worden. Zunächst einmal generell, weil man eine Erlaubnis braucht, um über ein fremdes Land und ein souveränen Staat zu fliegen. Bei einer bestimmten Gelegenheit hat das Überflugverbot einen Sinn. Denn wenn ein Konklave stattfindet, muss heute nicht nur die Sixtinische Kapelle, sondern auch Santa Marta, wo die Kardinäle wohnen, abgesichert werden. Für diese Zeit werden Apparaturen eingeführt, die Funkverkehr abschirmen. Die sind so stark, dass beim Überfliegen des Vatikans die Gefahr bestünde, dass ein Flugzeug oder ein Hubschrauber abstürzt.
DOMRADIO.DE: Und apropos Hubschrauber: Da haben Sie mir gerade noch einen netten Spitznamen verraten.
Nersinger: Der Vatikan hat seit 1976 einen eigenen Hubschrauber Platz. Die Päpste benutzen Hubschrauber, um zu kleineren italienischen Städten oder zum Flugplatz in Rom zu kommen. In den USA heißt das Präsidentenflugzeug ja "Air Force One". Und in Anlehnung daran hat man den Hubschrauber, mit dem der Papst innerhalb der USA flog, "Shepherd One", also Hirte Eins genannt.
Das Interview führte Hilde Regeniter.