DOMRADIO.DE: Wie sieht die Bilanz des Weltjugendtages aus Ihrer Sicht aus?
Tobias Schwaderlapp (Diözesanjugendseelsorger im Erzbistum Köln): Für mich war das eine ganz großartige Erfahrung. Die erste Woche schon in Aveiro mit der ganzen überbordenden Herzlichkeit, dem Programm, das eigentlich viel zu viel war, aber aus lauter Herzlichkeit eben so gestaltet war. In Lissabon haben wir sehr intensive Tage verbracht: die ganzen Großveranstaltungen, die ausgelassene Stimmung, die unbeschwerte Atmosphäre. Wir haben gefeiert, dass wir zusammengehören. Das tun wir liturgisch, in der U-Bahn, auf den Straßen und Plätzen und das ist jedes Mal überwältigend schön.
DOMRADIO.DE: Wenn Sie zurückblicken auf die letzten zwei Wochen, gibt es da ein Erlebnis, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Schwaderlapp: Die Erlebnisse sind ja sehr unterschiedlich. Um ehrlich zu sein, habe ich nicht so viel Freude an Massenveranstaltungen, aber es springt dann doch immer so ein Funke über. Das hatte ich bei der Abschlussmesse in Aveiro und als wir anstanden zur Eröffnungsmesse in Lissabon. Wir standen mitten in einem großen Pulk von italienischen und französischen Gruppen, die zum Beispiel ihre Nationalhymne gesungen haben und so stolz auf ihre Nation waren, was uns Deutschen ja manchmal ein bisschen fremd ist. Mit Inbrunst haben sie Lieder gesungen und ihre Müdigkeit damit überspielt.
Das andere besondere Erlebnis war unser gemeinsamer Gottesdienst in einer tollen Klosteranlage. Bevor wir von Aveiro nach Lissabon gefahren sind, haben wir nur als Kölner Gruppe zusammen in diesem alten Kloster eine Messe gefeiert. Da konnte ich noch einmal Luft holen, bevor es in diese heißen Tage in Lissabon ging.
DOMRADIO.DE: Gibt es denn zentrale spirituelle Impulse, die die Jugendlichen mitnehmen sollten? Oder eine zentrale Botschaft des Papstes an die Jugendlichen?
Schwaderlapp: Der Papst hat mich sehr beeindruckt. Ich hatte immer wieder gehört, er sei so krank und er ist zu den Veranstaltungen immer im Rollstuhl gebracht worden. Aber dieser Papst hat ein Charisma und eine Gabe, die mich schwer beeindruckt hat, und zwar vor allen Dingen bei der Vigil und auch bei seinem Willkommen. Dieser alte Mann hat die Gabe, vor einer Million Menschen zu sitzen und uns den Eindruck zu geben, er würde mit uns sprechen. Das ist keine Kleinigkeit.
Er hat sehr elementarisiert, einfache Botschaften gewählt: "Habt keine Angst" und dann hat er uns dazu aufgefordert es uns selbst nochmal still zu sagen und hat nochmal wiederholt: "Habt keine Angst!". Am Tag zuvor hatte er auch eine einfache, aber auch klare Nachricht: "Es gibt nur einen einzigen Moment, wo wir das Recht haben, auf andere herabzublicken. Und das ist, wenn wir uns zu ihnen hinab beugen, um ihnen aufzuhelfen." Das ist mir so einprägsam hängengeblieben, auch die Art und Weise, wie er das gesagt hat. Hier ist ein alter Mann mit einer großen Weisheit und einer großen Verantwortung, der uns ein paar Lebenslehren einprägen wollte.
DOMRADIO.DE: Kann der Weltjugendtag den Glauben von jungen Menschen stärken?
Schwaderlapp: In jedem Fall. Man muss sich schon sehr versperren, um hier nicht automatisch mitgerissen zu werden. Wir kommen in Deutschland aus einer permanenten Rechtfertigungssituation hierher und erleben, dass es auch einen Grund zur Freude gibt, zu dieser Kirche zu gehören. Ich sage das fast ein bisschen ironisch, aber das erleben wir Zuhause kaum noch. Ich bin erschöpft von den Tagen, aber in einer anderen Form ist meine Batterie aufgeladen. Ich muss nicht Probleme wälzen oder mich rechtfertigen, sondern wir haben eine Hoffnung, die uns trägt: dass es einen Gott gibt, er uns liebt und einzeln anschaut und aufhilft. Ich habe allen Grund, fröhlich zu sein. Das ist rüber gekommen beim Weltjugendtag.
DOMRADIO.DE: Nächste Woche sind alle wieder zurück. Wie kann man diese Gefühle des Weltjugendtages mit in den Alltag retten?
Schwaderlapp: Kopieren oder imitieren lassen sich diese Tage zu Hause nicht. Erfahrungsgemäß kommen wir ein bisschen hart in der Realität an. Ich erinnere mich an den Weltjugendtag in Panama, als wir Ende Januar in guter Laune zurück nach Hause gekommen sind in den Schnee und sich kein Mensch vorstellen konnte, was wir da gerade erlebt haben. Das ist auch nicht vermittelbar.
Aber es ist natürlich auch ein großartiger Moment, um Freundschaften mit anderen Mitchristen zu schließen, mit denen ich da gemeinsam auf dem Weg bin. Gemeinsame Erfahrung schweißen zusammen. Über die Erlebnisse werden die Teilnehmer mit ihren Freunden auch noch in 15 Jahren sprechen. Schon dadurch lassen sich die Gefühle retten. Außerdem müssen sich alle Gruppenleiter Gedanken machen, wie es mit der Gruppe weitergeht, und wie das Gruppengefühl bestehen bleiben kann.
Das Interview führt Ina Rottscheidt.