Bisher 960 antisemitische Straftaten in diesem Jahr

"Beunruhigender Aufwärtstrend"

Die Zahl antisemitischer Straftaten in Deutschland bleibt weiterhin hoch. Das Bundeskriminalamt hat im ersten Halbjahr 2023 bereits 960 Straftaten registriert, darunter 25 Gewaltdelikte. Der Großteil wird rechten Kräften zugeordnet.

Hakenkreuze an der Wand geschmiert / © Jean-Francois Badias (dpa)
Hakenkreuze an der Wand geschmiert / © Jean-Francois Badias ( dpa )

Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Vizepräsidentin des Bundestags, Petra Pau, hervor, die der "Welt" vorliegt. Im Vorjahr wurden zu diesem Zeitpunkt 965 antisemitische Straftaten gemeldet. Die Zahlen werden durch Nachmeldungen später oftmals massiv nach oben korrigiert.

Der Großteil der Straftaten im zweiten Quartal 2023 wird der politisch motivierten Kriminalität "rechts" zugeordnet. Demnach entfallen 380 der 446 gemeldeten Taten auf diesen Phänomenbereich. 

Zentralrat der Juden besorgt

Unter den Delikten dominiert die Volksverhetzung, zudem wurden gefährliche Körperverletzung, Raub, Sachbeschädigung und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemeldet.

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland / © Christophe Gateau (dpa)
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland / © Christophe Gateau ( dpa )

Der Zentralrat der Juden zeigt sich besorgt. "Wir erleben eine Geisteshaltung, die jüdisches Leben nicht zu Deutschland zählt", sagte Präsident Josef Schuster der Zeitung. Viele Taten rechnet Schuster dem Verschwörungsideologie-Milieu zu. "Wer geglaubt hat, nach Corona verschwinden alle Verschwörungsideologien, der wird nun eines Besseren belehrt", sagte er.

Hinzu komme ein Graubereich außerhalb der Kriminalitätszahlen: "Viele kleinere Übergriffe oder auch Beleidigungen, meistens im Raum des muslimisch geprägten Antisemitismus, werden zudem von der Statistik gar nicht erfasst."

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) / © Jörg Carstensen (dpa)
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) / © Jörg Carstensen ( dpa )

Faeser für konsequente Strafverfolgung

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nennt die Zahlen "beschämend": "Antisemitismus ist ein Angriff auf alle Werte, für die wir als demokratischer Rechtsstaat stehen", sagte sie der Zeitung. Faeser sieht eine konsequente Strafverfolgung und ein entschiedenes Einschreiten der Polizei als wichtige Strategie.

"Es kann und darf nicht sein, dass Jüdinnen und Juden sich im öffentlichen Raum immer unsicherer fühlen müssen", sagte auch Linken-Politikerin Pau. "Es lässt sich weiterhin ein beunruhigender Aufwärtstrend beobachten, der sicherlich nicht durch ein Einreißen von vermeintlichen Brandmauern gegen rechts gestoppt wird", so die Vizepräsidentin des Bundestags.

Antisemitismus in Deutschland

Antisemitische und antiisraelische Straftaten nehmen in Deutschland wieder zu. Den Angaben der Bundesregierung zufolge wurden unter anderem 434 Fälle von Volksverhetzung, 15 Gewaltdelikte sowie 70 Fälle, die Sachbeschädigung betreffen, gezählt. Weitere Delikte betreffen etwa die Störung der Totenruhe oder Nötigung. Mehr als 90 Prozent der Straftaten wurden von deutschen Staatsangehörigen verübt. Von einer deutlich höheren Dunkelziffer ist auszugehen. 312 von 339 Tatverdächtigen waren Deutsche.

Kundgebung gegen Antisemitismus in Berlin / © Markus Nowak (KNA)
Kundgebung gegen Antisemitismus in Berlin / © Markus Nowak ( KNA )
Quelle:
KNA